Kapitel 21

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Wir alberten erst nur rum. Ließen den Tag Revue passieren und machten uns über Hoebis Verhalten den ganzen Tag über lustig. „Ich hätte nie gedacht das grade die Spaßkanone so viel Angst vor Achterbahnen hat!" Ich musste wieder wild loslachen. Yoongi grinste mich an und nippte an seiner Tasse. Nachdem ich mich von meinem Lachflash beruhigt hatte und mir die Tränen aus den Augen gewischt hatte, griff auch ich nach meiner Tasse und wollte einen Schluck trinken. Natürlich dachte ich nicht daran, dass der Inhalt wohlmöglich noch heiß sein könnte „Ally trink vorsichtig, der Tee is noch..!" „Aaaah fuck!" Und schon hatte sich die übereifrige Allison ihre hübsche kleine Zunge am Tee verbrannt. Ich fing an mir Luft in den Mund zu wedeln und wild vor mich her zu schimpfen „pfeitpfe verdannte, wie heipf!" nuschelte ich mit rausgestreckter Zunge. Jetzt konnte sich Yoongi vor lachen kaum noch auf dem Sofa halten. Er hielt sich den Bauch und lies sich nach hinten fallen. Ich hatte ihn noch nie so ausgelassen lachen sehen. „Schön das mein Schmerz dich so amüsiert." sagte ich als er wieder begann sich zu beruhigen.

Ein paar Minuten herrschte eine angenehme Stille. Dann fragte er mich aus dem Nichts „Warum musstest du bei meinem Song weinen?" Mit geweiteten Augen sah ich ihn an. „I-ich also... naja..." Er sah mich aufmerksam an und kurz schloss ich meine Augen um mich zu beruhigen und meine Gedanken zu sammeln. Sei einfach ehrlich. Er hat es nicht verdient belogen zu werden. „Dein Song... deine Worte haben mich einfach an mich selbst erinnert. Es hätten meine sein können, wenn ich den Mut zu so viel Ehrlichkeit hätte." Sein Blick änderte sich plötzlich zu verwirrt. Ich weiß, ich sprach für Außenstehende in Rätseln. Ich senkte meine Blick und starrte auf die dampfende Tasse in meiner Hand. „Ich hatte seit dem Tod meiner Eltern immer den Traum meine Worte und Gedanken der Welt zu präsentieren. Aber damals war ich zu verloren, um etwas mit meinem Traum anzufangen. Ich war einfach nicht stark genug, um mich meiner Situation zu stellen. Stattdessen habe ich Dumme wirklich dumme Dinge getan, um mich abzulenken." Bei dem Gedanken daran was ich alles getan hatte, wurde mir übel. „Was denn für Dinge?" fragte Yoongi ruhig. Ich schaute wieder auf. Sollte ich es ihm erzählen? Was würde er dann von mir denken? Ich wollte die neue Allison, die gute Allison nicht zerstören.

„Ich...ich habe mich viel herumgetrieben. Zu viel getrunken, falsche Freunde gehabt. Mein Leben war der absolute Albtraum zu diesem Zeitpunkt." Ich atmete schwer. „Ally... es ist okay. Du kannst es mir erzählen." Ich spürte seine Hand auf meiner und die Wärme die von ihr ausging. Langsam entspannte ich mich und meine Atmung wurde ruhiger. Warum wirkte er so auf mich? „Du hast keine Ahnung... ich war kein guter Mensch und konnte nicht klar denken. Aber wahrscheinlich habe ich es nicht anders verdient..!" Oh nein! Noch bevor ich realisierte, was ich da gerade gesagt hatte, waren die Worte herausgekommen. Ich schlug mir die Hand vor den Mund, doch es war schon zu spät. Yoongi setzte sich auf, stellte seine und meine Tasse auf dem Couchtisch ab und rückte näher zu mir. Er ergriff meine beiden Hände und drückte sie sanft. „Bitte Allison. Ich möchte dich nicht bedrängen aber ich möchte dir helfen und diese Last von dir nehmen. Erzähl mir doch was passiert ist. Warum solltest du einen Alptraum verdient haben?" Mein Blick klebte auf unseren Händen. Ich schloss meine Augen und ließ die Erinnerungen wie eine Welle über mich schwappen.

„Meine Eltern sind nicht bei einem Autounfall gestorben. Das war eine Lüge." Ich atmete tief ein und aus. Er war bei mir und ich irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er danach auch noch bei mir sein würde. „Ich bin schuld am Tod meiner Eltern. Meinetwegen wurden sie erschossen." Langsam füllten sich meine Augen mit Tränen und meine Hände ballten sich unter seinen zu Fäusten. Er sagte nichts. Er wartete einfach das ich weiter erzählte. „Es war mein 15. Geburtstag. Freunde hatten mich abends eingeladen, aber meine Eltern wollten mich so spät nicht mehr aus dem Haus lassen, da in unserer Gegend Meldungen über Einbrecher die Runde machten. Ich, dumm wie ich damals war, verstand nicht, warum es grade mich treffen sollte, also schlich ich mich nachts als sie bereits schliefen aus dem Haus. Ich kam relativ schnell wieder nach Hause, weil ich mich schuldig fühlte und zum Glück hatten meine Eltern nichts gemerkt. Es war alles wie immer. Nachts um 3:55 Uhr riss mich mein Vater aus dem Bett. Gott er sah so panisch aus. Ich kann seinen Angsterfüllten Blick nicht mehr vergessen. Meine Mutter war zu diesem Zeitpunkt laut der Polizei schon tot. Sie hatten sie einfach in die Garage geschleppt und dort erschossen..." Ich sah nichts mehr. Die Tränen flossen über meine Wangen und ich spürte diesen unglaublichen Schmerz in meiner Brust. Er hatte seine Hände immer noch fest auf meine gelegt. Irgendwie brachte er mich dazu, meinen Monolog weiter zu führen. „Mein Vater zerrte mich aus dem Bett und schob mich drunter, da hörte ich schon Schritte die Treppe hoch kommen. Er sagte mir noch ich solle keinen Mucks von mir geben, dann verschwand er aus meinem Sichtfeld. Danach hörte ich nur noch zwei Schüsse und er... er... er schlug direkt vor meinem Augen auf dem Boden auf." Ich schluchzte. Ich bekam keine Luft mehr und meine Gesicht brannte. Diese Bilder vor meinen Augen. Als wäre ich wieder 15....

Yoongi zog mich zu sich und fing an, über meinen Rücken zu streichen. „Schon gut. Alles ist gut. Du bist hier und ich bin bei dir." „Nichts ist gut... du verstehst das nicht. Es ist meine Schuld. Alles ist meine Schuld." Ich schrie gegen seine Brust. „Ich habe vergessen die Alarmanlage wieder einzuschalten! Wenn ich nicht abgehauen wäre und die Alarmanlage an gewesen wäre, wären meine Eltern am Leben. Es ist alles allein meine Schuld!" Es war raus und ich war am Ende. Mir wurde plötzlich schlecht und schwindlig. Ich spürte wie Yoongi kurz in seiner Bewegung innehielt. „Yoongi es ist in Ordnung wenn du mich jetzt abstoßend findest. Ich würde es verstehen. Seit dieser Nacht bin ich eine wiederliche Person gewesen. Ich habe getrunken, mich mit den schlimmsten Personen abgegeben und noch mehr dumme Dinge getan. Es ist ein Wunder das ich hier sitze. Oder ein Strafe..." Er drückte mich von sich, um mich anzusehen. Ich konnte ihn nicht anschauen. Bei vielen hätte ich die Enttäuschung die mich erwartet ertragen, aber nicht bei ihm. Nicht bei Yoongi. „Allison sieh mich an." Ich schüttelte müde meinen Kopf. „Bitte Allison, sieh mich an!" Er nahm mein Kinn und hob es an. Und das was ich in seinen Augen sah, war keine Abscheu oder Enttäuschung oder Ekel. Es war Sorge. Es war warm und liebevoll und ließ mich kurz in meinem Wahn innehalten. „Ich finde dich nicht widerlich. Und du hast nichts von alledem verdient. Niemand hat solche Dinge verdient...!"

Nach einer weiteren halben Stunde, hatte ich mich etwas beruhigt. Die ganze Zeit hatte er mich festgehalten ohne ein weiteres Wort zu sagen. Ich fühlte mich wie leer gesaugt. All meine Energie war mir übers Gesicht gelaufen. „Yoongi?" „Mmh?" „Danke." Als Antwort drückte er mich nur fester an sich. Ich schloss meine Augen und merkte wie ich langsam wegdöste.

Yoongi POV

Ich hielt sie einfach fest. Ich hatte Angst das wenn ich sie loslasse, das sie dann zerbrechen würde. Wie konnte ein Mensch so viel Leid aushalten? Und dann machte sie sich auch noch selbst dafür verantwortlich? Ich konnte darauf nichts sagen und ehrlich gesagt wollte ich das auch nicht. Ich war froh das sie sich mir endlich geöffnet hatte und jetzt konnte ich auch ihre nervlichen Zusammenbrüche nach voll ziehen.

Mittlerweile hatte sie sich etwas beruhigt. Ich weis nicht wie lange wir so auf ihrer Couch saßen, aber irgendwann hörte ich, das Ihr Atmung langsam und gleichmäßig geworden war. „Ally schläfst du?" Ich bewegte mich ein paar Zentimeter und als ihr Körper sich relativ leblos bewegte, musste ich schmunzeln. Wie ein kleiner nasser Sack. Ich hob sie vorsichtig an, und trug sie in ihr Bett. Als ich sie zu gedeckt hatte, beobachtete ich sie noch kurz. Sie wirkte immer so stark und selbstbewusst. Und wieder einmal konnte man sehen, wie sehr man sich in Menschen irren konnte. Obwohl das auf sie gar nicht so zu traf. Sie war selbstbewusst und stark. Nur gleichzeitig gebrochen und irgendwo in der Vergangenheit verloren. Ich wollte ihr in die Gegenwart helfen. Ihr klar machen, das es nicht ihre Schuld war und das sie alles schöne der Welt verdient hatte. Langsam strich ich ihr eine rote Strähne aus dem Gesicht. „Ich bin hier. Ich bin für dich hier." flüsterte ich. Ich wusste nicht, wie sie mich aus meiner Dunkelheit geholt hatte, aber das gleiche wollte ich für Sie tun.

Gerade als ich mich zum gehen drehen wollte, spürte ich ihre schwache Hand an meinem Handgelenk „Yoongi?" Ich drehte mich zurück. „Dann bleib...bitte." Dieses flehen in ihrer Stimme. Sie hatte mich gehört. Und es störte mich nicht. Ich legte mich neben sie und breite die Decke über uns aus. Dann zog ich sie zu mir in meine Arme und vergrub mein Gesicht in ihren Haaren „Natürlich. Und jetzt schlaf."

Save me...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt