Ich lasse mich mit einem wohligen Seufzen in meinen weichen Schreibtischstuhl sinken, wohlbedacht darauf, den heißen Tee in meiner Tasse nicht zu verschütten. Langsam stelle ich die Tasse auf meinem mahagoni-farbenen Schreibtisch ab. Ziemlich aufgeräumt ist er: links eine Box mit allerlei ungeordnetem Papier, obenauf Briefe in unterschiedlicher Größe, genau in der Mitte des Tisches eine rote Unterlage, auf der ordentlich ausgerichtet ein weißes Blatt Papier liegt und rechts neben der Unterlage fünf Bleistifte, ebenfalls in blutroter Ummantelung passend zur Unterlage.
Seufzend rücke ich die blutroten Stifte gerade, so dass sie augenscheinlich in perfekt gleichen Abständen liegen, bis ich schließlich zufrieden mit der Optik bin und mir den vordersten wegnehme. Mein Blick fliegt wieder zu dem Papier, welches zu der dunkelroten Unterlage einen krassen Kontrast bildet. Wartend ruht die Bleistiftspitze im linken oberen Rand des noch schneeweißen Papiers.
Anfangen ist schon immer das schwerste gewesen. Doch nach jahrelanger Übung müsste man meinen, es würde irgendwann leichter fallen. Dem ist nicht so.
Auch wenn die Idee und der Verlauf der Geschichte schon in meinem Gehirn gespeichert ist und ich sie nur auf das weiße Papier übertragen müsste, um sie dann elektronisch an den Computer abzutippen und zu überarbeiten. Schriftsteller sein ist halt nicht immer einfach.
Doch wenigstens übe ich diesen Beruf mit Leidenschaft aus. Seit Jahren schreibe ich Geschichten, meist Kriminalfälle in unterschiedlichsten Versionen, bringe Ideen auf das Papier und verwerfe sie dann wieder, aber trotzdem kann mir dieser Beruf nie langweilig werden. Das ist auch wichtig, denn verliert man die Lust, leiden auch die Geschichten darunter.
Oft bin ich verzweifelt an unterschiedlichen Abschnitten meines Lebens, doch ich habe nie wirklich mit dem Schreiben aufgehört oder bin immer wieder darauf zurückgekommen.
Meine Werke sind es, die mich daran erinnern, dass ich noch existiere.
Mit konzentriertem Blick richte ich meine volle Aufmerksamkeit wieder auf die Bleistiftspitze, merke, dass mein Unternehmen so nicht funktionieren kann, unter dem Druck den ich mir selbst auferlege. Ich lehne mich betont entspannt zurück und schaue kurz zu dem wohlig knisternden Kamin in der Ecke des Zimmers.
Beherzt greift meine Hand nach der dampfenden Tasse Tee auf meinem Tisch und ich nehme ein Schluck von dem heißen Getränk. Die Wärme fließt meine Speiseröhre hinunter und füllt mich von innen heraus, sodass ich freudig den kleinen Schauder auf meinem Rücken bemerke, und die Härchen, die sich in Form von Gänsehaut auf meinen Armen aufstellen.
Nachdenklich ruhen meine Augen auf der Tasse, bis sie sich auf einmal kurz weiten und mein Blick wieder auf das weiße Papier fällt. In Windeseile ist die Tasse abgestellt, der blutrote Bleistift erneut gegriffen und das erste Wort auf das Papier gebracht.
Nun kann die Arbeit beginnen.
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Fünf blutrote Bleistifte
Short Story»Ein Schriftsteller arbeitet an einem neuen Kriminalroman.« Kommissar Jonas Winter beginnt in einem Fall zu ermitteln, in dem eine junge Frau erstochen aufgefunden wird, doch ein Motiv und auch Verdächtige für die Tat scheint es nicht zu geben. Als...