Hauptteil III

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Unbequem sitze ich in einem großen, halbrunden Sessel und mustere neugierig das Zimmer. Es ist stilvoll eingerichtet: beige Tapete verziert die Wand und die wenigen Möbelstücke, der Schreibtisch und die drei Sessel sind in einem warmen Braun gehalten. Selbst der Topf der Zimmerpflanze, die vor einem bodenlangen Fenster steht, ist in diesem Braun.

"Wie geht es Ihnen heute?", fragt die Frau vor mir, die in einem der zwei anderen Sessel sitzt und lässt ihren Blick auf mir ruhen.

Ich lasse nun von der Zimmereinrichtung ab und mustere stattdessen diese Frau. Blaue Augen und Schwarze Haare. Mit blonden Haaren würde sie sicherlich viel besser aussehen.

Ein freudloses Lächeln kräuselt meine Lippen. "Mir würde es gut gehen, wenn ich meine wertvolle Zeit nicht mit diesem Geschwätz verplempern müsste."

Ich könnte in dieser Zeit so viele andere Dinge erledigen.

"Ich bin hier, um Ihnen zu helfen.", stellt sie fest und schaut mich wieder so intensiv an, als würde sie durch irgendwelche hellseherischen Fähigkeiten ihrerseits, alle Antworten auf ihre Fragen, durch bloßes Starren bekommen. "Außerdem sind sie schließlich freiwillig hier."

Ein schnaufendes Geräusch verlässt meine Kehle. Tatsächlich wurden mir die Sitzungen, bei einem Psychologen nämlich von einem Arzt im Krankenhaus aufgeschwatzt, um 'mein Trauma loszuwerden'. Als ob sowas durch bloßes Reden wieder gut wird.

Das schreiben von Büchern hat mir schon immer viel besser geholfen.

Außerdem kann einem Menschen, der sich nicht helfen lassen will, auch nicht geholfen werden.

"Lassen Sie uns doch über den Unfall reden.", legt sie fest und starrt schon wieder erwartungsvoll. Ihr entgeht dabei nicht, wie ich nach diesem Satz meine Hände unwillkürlich in die Sessellehne kralle.

Ich versuche meinen Händen zu befehlen, sich wieder zu lösen und fahre mir stattdessen nervös durch meine kurzen, schwarzen Haare.

"Was ist, wenn ich nicht darüber reden will?", stoße ich hervor und muss mich beherrschen.

Sie schreibt sich etwas auf das Klemmbrett vor ihr.

"Das wäre natürlich vollkommen verständlich.", meint sie und legt ihren Kopf leicht schief, als würde doch eigentlich das Gegenteil der Fall sein.

Wir verfallen in ein Schweigen, welches mir von Sekunde zu Sekunde unangenehmer wird. Sie mustert mich die ganze Zeit eingehend, wie ein Tier im Zoo. Dabei trommelt ihr Kugelschreiber leise auf dem Klemmbrett vor ihr.

"Was denken Sie gerade?", bricht sie die Stille und hört ruckartig auf, mit dem nervigen Getrommel.

"Ich denke, dass Ihnen blonde Haare besser stehen würden. So, wie sie jetzt aussehen, spielen sie in der untersten Liga.", antworte ich ihr und stütze meinen Kopf auf meinem Arm ab.

Sie runzelt nur ihre Stirn. "Was genau meinen Sie damit?"

"Ganz einfach: Typen, wie ich, würden Sie niemals auch nur anfassen.", erkläre ich mit einem freudlosen Lächeln, ohne mich zu rühren.

Ausserdem würde ich nie wieder eine Frau so berühren wie ich sie berührt habe.

"Wie kommen Sie da gerade jetzt drauf?", fragt sie weiter und lehnt sich interessiert vor. Meine Aussagen scheinen sie in keinster Weise getroffen, noch verunsichert zu haben.

"Sie fragten mich, was ich denke."

Sie nickt wieder kurz und macht sich erneute Notizen.

"Was schreiben Sie eigentlich die ganze Zeit auf?", traue ich mich zu fragen und schiele auf das Klemmbrett.

Fünf blutrote BleistifteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt