Kapitel 2

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Als ich noch zur Schule ging, hatte ich eine Menge Freunde. 

Als ich dann im Krankenhaus lag und nicht mehr zur Schule gehen konnte, hatte ich keine. 

Okay, ich hatte Faith. Aber ich glaube, sie hatte nur Mitleid mit mir. Der berühmte Noah Winters alleine in seinem jämmerlichen Krankenhauszimmer ohne irgendwen.

Niemand besuchte mir. Nicht meine Freunde, nicht meine Freundin und nichtmal meine Eltern. 

Ich verstand es. Irgendwie. Wer will schon mit einem Todgeweihten abhängen? Es ist deprimierend. Man weiß, dass der gegenüber sterben wird, will sich jedoch mit dem Gedanken nicht auseinandersetzen und eine peinliche Stille entsteht. 

Am Anfang hat mich dies gestört. Ich wollte wirklich nicht alleine sein, aber ich war es und mir wurden einige Sachen klar. 

1. Das Leben ist ein verdammtes Miststück.

2. Freunde, wahre Freunde, sind selten. Die Freunde die ich habe sind einfach nur temporäre Schmarotzer. 

3. Man ist immer allein. Aber alleine sein ist nicht schlimm. Es wird erst zu einem Problem, wenn man sich so fühlt. 

Und die letzte, und vielleicht wichtigste Sache, die ich gelernt habe ist, dass Menschen wie Bücher sind. Oder Filme. Oder Musikgenres. Sie sind individuell und manche mögen Vorurteile haben, aber wenn man sie erst kennenlernt -oder ließt, sieht oder hört, wegen den Metaphern- können sie zu Verbündeten werden. Freunde von denen man nie zu träumen gewagt hatte. 

Zum Beispiel Milan. Milan ist ein fünfzehnjähriger Junge, der an Depressionen leidet. Hin und wieder ist er im Aufenthaltsraum und am Anfang fand ich ihn merkwürdig. Doch als die Wochen verstrichen, und ich immer einsamer wurde, entschied ich mich, mit ihm zu unterhalten. Also sprach ich ihn an und ich bereute es nicht. Er lachte viel, erzählte Geschichten über sein Leben und brachte mir bei, wie man nicht mehr Einsam ist. 

,, Woran denkst du?", höre ich Faith fragen als sie mit einem Tablett in mein Zimmer, welches ich gerade mit einem Typen namens Jazz teilen muss, da er für eine Chemo hier ist. 

,, Milan.", antworte ich und lächle leicht. 

,, Du vermisst ihn, oder?", fragt sie leicht neckend und stellt das Tablet auf Jazz's Beistelltisch ab. 

,, Ja.", antworte ich ehrlich. ,, Aber ich freue mich für ihn. Er ist jetzt wieder zu Hause und kann dort sein Leben weiterführen."

Die Stimmung fiel plötzlich und Faith schaut mich mitleidend an. Ich versuchte das Thema zu wechseln, doch irgendwie blieb die Anspannung. 

Der Tod steht praktisch schon vor der Tür und ich bin noch nicht bereit für ihn. 

The Short Life of Noah Winters ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt