Epilog

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,, Bist du soweit?"

,, Ich glaub schon."

Sie räuspert sich. 

,, Du weißt, du musst das nicht tun. Es ist eigentlich die Aufgabe seiner Eltern."

,, Ihnen war er scheiß egal. Ich war damals da. Ich war da, als er seinen letzten Atemzug getätigt hat."

,, Ich will ja nur sagen, dass, wenn es dir zu viel ist, du es nicht machen musst."

,, Ja, ich weiß. Aber ich möchte."

,, Gut, deine Entscheidung."

Der Pfarrer beendete gerade seine Rede und bat Angehörige etwas zu sagen. Wie erwartet meldet sich niemand, sodass Faith mit zittrigen Beinen vortritt. 

,, Ich möchte etwas sagen."

Der Pfarrer nickt nur und macht ihr Platz. Wie von allein tragen ihre Beine sie ans Kopfende des zwei Meter tiefen Loches. 

Nervös streicht Faith über ihr schwarzes Kleid. Sie schaut sich in der kleinen Menge um und räuspert sich. Seine sogenannten Freunde sind nicht erschienen. 

,, Okay, ich fang dann mal an.", sie verlagert ihr Gewicht vom rechten Bein auf's Linke. ,, Ich habe Noah Winters bereits seit der Grundschule gekannt. Jedoch nur oberflächlich. Richtig kennengelernt habe ich ihn erst, als er mit Krebs ins Krankenhaus gekommen ist. Und auch da, habe ich nicht alle Seiten von Noah kennengelernt. Doch die Seiten, die ich kennengelernt habe, haben mich verzaubert. Wow, das Klang zu sehr nach Disney." 

Lachen ging durch die Menge. Ein Paar der älteren Personen schütteln ihre Köpfe. 

,, Die letzten Wochen vor seinem Tot haben wir einiges zusammen erlebt. Er hat sich ein Tattoo stechen lassen. Zwar habe ich ihn versucht davon abzubringen, doch er wollte unbedingt die Nadel unter seiner Haut spüren. Wir waren auch an einem See. Es war einer der schönsten Tage meines Lebens."

In weiter Ferne donnert es und die Leute werden leicht unruhig. Sie wollen so schnell wie möglich nach Hause. 

,, Was ich damit eigentlich sagen möchte, trotz des Wissens, dass er stirbt, war er lebendiger als er noch glaubte achtzig zu werden. Er war sarkastisch und hin und wieder ein ziemliches Arschloch. Aber er hat nicht aufgegeben. Auch wenn man sagen kann, dass die Ablehnung der Chemo als aufgeben zählt, hat er es nicht getan. Er war nur Realist. Die Chance, dass er wieder gesund wird, war ihm zu gering. Er wollte niemanden Hoffnung machen, um sie dann zu zerstören."

Sie pausierte kurz. Ihr Blick war auf den Grabstein gerichtet. 

,, Noah Winters ist der wundervollste Mensch den ich je begegnet bin." Mit diesen Worten nahm sie die Schaufel und schüttete einen Schaufelhieb Erde auf den polierten Sarg. 

Später am Abend saß Faith auf ihrem Bett. Es war bereits spät und ihre Familie schlief bereits. Mit Tränen in den Augen und zitternden Finger nahm sie den Briefumschlag, welchen ihre Mutter heute Mittag reingebracht hatte, und öffnete ihn mit angehaltenem Atem. 

Liebe Faith, 

wie du wahrscheinlich bereits weißt, bin ich Tot. Wenn nicht, tut mir Leid, dass ich Spoiler. Da ich wirklich schlecht mit Worten bin (das bin ich wirklich) (diese Gefühlssache liegt mir einfach nicht), habe ich entschieden, einen Abschiedsbrief zu schreiben. Sei geehrt, du bist die einzige, die einen bekommt. Nachdem du mir die Geschichte vom Mädchen, dass ein Niemand war, und dem Jungen, der mal ein Jemand war und dann ein Niemand, erzählt hast, wusste ich nicht wirklich, wie ich reagieren sollte. Ja, ich habe das gesagt, was mir in den Augenblick in den Sinn kam -und das ist auch die Wahrheit. Ich mag dich und du bist verdammt noch mal wunderschön. Aber das war nicht alles. (Falls du es genau wissen willst, du schläfst gerade neben mir. Erinnerst du dich? Nachdem du mir die Geschichte erzählst hast, bist du einfach eingeschlafen) Du hast gesagt, dass dir jeder gesagt hat, dass du ein Niemand bist. Das mag ich zu widersprechen. Jeder ist ein Niemand. Aber nicht alle akzeptieren, dass sie ein Niemand sind und deswegen zu einem Jemand -und das nur für kurze Zeit-  werden. Sie tuen alles. Und ein Jemand zu sein ist nicht so toll, wie du es dir womöglich vorstellst. Es ist verdammt noch mal zermürbend. 

Ach, ich kürze es ab. Veränder' dich nicht. Es ist wahrscheinlich das kitschigste, was ich je gesagt habe, aber bleib du selbst. Irgendwann wird jemand kommen, der dich so behandelt, wie du es verdienst (also als Königin) (wenn dich jemand schlechter behandelt, komme ich als Geist wieder und suche den Typen heim). 

In den nächsten Tagen wird dich mein Notar in sein Büro bitten. Krieg bitte keinen schrecken, ich vermache dir einige Sachen. Meine Autos (es sind zwei), meine Bücher, meinen Laptop (damit du meine Bilder besabbern kannst) und eine bestimmte Summe Geld (es ist aus einem Treuhandkonto, mein Notar sagte, du bekommst das Geld). Und ich möchte, dass du dich gut um meine Sachen kümmerst und vielleicht einen Neuanfang machst (am Geld kann es dann ja wohl nicht liegen). Lebe. Liebe. Sei ein dummer, verantwortungsloser Teenager, pack deine Sachen und verschwinde. Mache die Sachen (ich wollte immer schon eine Weltreise machen) für die ich keine Zeit hatte. 

Hab ein schönes, erfülltes Leben. Auch wenn es ohne mich sein wird. 

Ich liebe dich Faith.

Herzlich Noah -der tollste Typ der Welt- Winters.

Faith wischte sich die Tränen vom Gesicht und lächelte traurig. 

,, Ich liebe doch auch, Noah Winters."

The Short Life of Noah Winters ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt