Ich verbrachte viel Zeit im Krankenhaus und ich glaube, meine Eltern -besonders mein Vater- hatten gehofft, dass ich auch dort innerhalb kurzer Zeit sterbe.
Doch so war es nicht.
Am 22. Juni, ein sonniger, fast schon zu warmer, Sommertag und ich verbrachte ihn nicht in einem gammligen Krankenhauszimmer.
Wieso ich mir das Datum so gut merken konnte?
Es war der erste Tag nach Wochen, fast schon Monaten, dass ich draußen war.
Faith war am Morgen in mein Zimmer gekommen -ihr Lächeln war riesig- und riss mich fast schon aus dem Bett, um mich ins Badezimmer zu schubsen.
,, Mach dich fertig, heute wird ein spektakulärer Tag.", hatte sie mir euphorisch durch die geschlossene Tür zugerufen.
Als ich fertig gestylt -was eigentlich nur kurz Gesicht waschen und Haare irgendwie hinkriegen war, Zähne hatte ich bereits geputzt- ging ich wieder ins Zimmer und Faith schaute von ihrem Handy auf. Sie verzog verärgert das Gesicht. Es sah ziemlich witzig aus.
,, Zieh dich um.", wies sie mich an.
Ich schüttelte den Kopf. Eigentlich hatte ich nicht wirklich Lust auf einen 'Ausflug' gehabt, aber ich wollte sie nicht enttäuschen, also spielte ich mit und tat so, als wäre ich halbwegs so euphorisch wie sie.
,, Oh doch, ab oder ich bringe dich dazu.", warnte sie mich und mein altes Ich -das was noch nicht Tod krank war- hätte einen zweideutigen Kommentar gebracht und ihr zugezwinkert. Aber dieser Typ bin ich nicht mehr, also verdrehte ich nur meine Augen, nahm mir eine frische Jogginghose -meine dreckige Wäsche wurde einmal die Woche von einer Frau, welche meine Mutter eingestellt hatte, mitgenommen und gewaschen- und ein T-Shirt und verschwand wieder im Bad.
Zufrieden sprang Faith von meinem Bett auf und stellte sich vor mich. ,, Gut, hat etwas länger gedauert als gedacht, aber gehen wir."
Anfangs war ich verwirrt. Ich fragte mich die ganze Zeit, weshalb Faith dies tat. Es war offensichtlich, dass sie mich aufmuntern und aus meinem verdammten Krankenhauszimmer heraus holen.
Und irgendwann erreichten wir einen See. Und obwohl es brütend heiß war, war niemand da.
,, Ist der See irgendwie gesundheitsschädlich oder warum sind hier keine Personen? Oder willst du mich hier umbringen und meine Leiche in den See werfen?", fragte ich leicht neckend.
,, Nein, keines von beiden. Warum sollte man an einen See fahren und nicht an den Strand gehen, der irgendwie 200 Meter von der Wohnung entfernt ist?", hatte sie die Gegenfrage gestellt und ich stutzte.
,, Guter Punkt.", gab ich zu und stieg aus ihrem Auto aus. Sie tat es mir nach. ,, Aber ich habe keine Badesachen."
,, Dafür habe ich gesorgt.", erwiderte sie und holte eine riesige Tasche aus ihrem Kofferraum.
Wir verpachten den ganzen Tag am See. Das kühle Wasser und das Gefühl von warmen Sand zwischen meinen Zehen machte mich glücklich. Auch wenn es nur Kleinigkeiten waren, machten sie mich wunschlos glücklich.
Aber dieses Gefühl der vollkommenen Zufriedenheit würde nicht lange halten.
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The Short Life of Noah Winters ✔
Short Story» Wenn wir sterben bereuen wir jede Entscheidung, die wir nicht getätigt haben, aufgrund irgendwelcher irrelevanter Gründe.« - Noah Winters Noah Winters ist siebzehn Jahre alt als er die Diagnose Krebs bekommt. Und während er die letzten Tage seines...