Kapitel 4

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Ich nahm ab. Zuerst ganz wenig, dann immer mehr. Aus meinen anfänglichen 86 Kilogramm waren knapp 62 Kilogramm geworden.

Dies bemerkte auch Faith. Besorgt hatte sie mich gefragt, ob ich genügend Esse. Ich hatte ihr geantwortet, dass mein Appetit nicht mehr so groß sei, wie vorher.

Natürlich wusste sie, dass mehr dahinter steckte. Sie hatte sterbende bereits betreut als ich in meiner perfekten Scheinwelt gelebt und mein Leben vergeudet habe.

,, Soll ich dir Fast-Food mitbringen?", fragte sie und lächelte mit gekünstelt an.

,, Nein, ich habe wirklich keinen Hunger.", hatte ich geantwortet. Ihr Blick verriet mir einiges. Nur leider nicht das, was ich mir einreden zu versuchte.

,, Weißt du, ich habe dich früher gehasst.", wechselte sie das Thema und setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett.

,, Wieso? Wir haben nie ein Wort miteinander gewechselt.", erwiderte ich leicht gekränkt und schaltete den kleinen Fernseher aus.

,, Du hast mich zwar nie bemerkt, aber ich habe dich öfters beobachtet. Ja, du warst.", sie stockt. ,, Bist nicht der Schlimmste von allen, aber du warst zu den meisten ein ganz schön großer Arsch."

,, Stimmt doch gar nicht.", hatte ich ihre Aussage verleugnet und die Arme verschränkt. ,, Ich war immer ganz lieb."

,, Sicher.", erwiderte sie sarkastisch und verdrehte mit einem Lächeln auf den Lippen ihre Augen. 

Wir hatten uns dann noch über eine ihrer Lieblingsbands unterhalten. Als sie von ihnen erzählt hatte, hatte sie funkelnde Augen und sah so verdammt glücklich aus. 

Ich wollte sie immer so glücklich sehen. 

Doch so kam es nicht. Jedesmal als sie mich besuchte wirkte sie mitgenommener als beim Besuch zuvor. Und mir ging es zunehmend schlechter. 

Sie hatte irgendwann auch angefangen Bücher mit zu mir zu nehmen. Zuerst waren es typische Liebesromane oder irgendein Roman von John Green. Später, als ich ihr gesagt hatte, ich möge solche Bücher nicht, hatte sie Thriller mitgenommen und mir vorgelesen. 

Ich liebte es, wie unbeschwert sie ausgesehen hat, als sie mir vorgelesen hatte. Sie wirkte vollkommen im Text versunken und konzentrierte sich richtig zu lesen. Ich beobachtete sie dabei. Ich war vollkommen fasziniert wie ihre Lippen sich bewegten und wie sanft und dennoch dominant sie vorlesen konnte. In meinen Ohren klang es besser als jede Symphonie. Auch wenn sie gerade eine Stelle vorlas, wo jemand brutal ermordet wurde. 

Und da wusste ich, ich hatte mich in das Mädchen mit dem gebrochenem Lächeln und riesigem Herz verliebt. 

The Short Life of Noah Winters ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt