32. Kapitel

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Hailey

Vor drei Jahren

Joel.

Groß, schlank und irgendwie ... dunkel. Er hat die tiefen schwarzen Augen seines Vaters. Sein Blick wandert meinen Körper hinunter und ich fühle mich unwohl. Und ich will einfach nur ... weg.
Mein Vater lächelt uns beide an und streicht seine Haare zurück.
„Joel, ich freue dich dann als Familienmitglied begrüßen zu können", schleimt mein Vater und ich starre ihn wütend an. Familienmitglied? Nie im Leben.

„Ich freue mich auch", murmelt Joel und seine Stimme ist genauso dunkel wie seine Augen. Er sieht mich ein letztes Mal an und dann wandert sein Blick zu meinem Vater, der sich weiter einschleimt. Ich bleibe still, erstens weiß ich nicht, was ich sagen soll und zweitens habe ich Angst, dass wenn ich meinen Mund aufmache und etwas sage, ich einfach anfange zu weinen.

„Wir haben ja noch Zeit, meine Frau ... nunja sie ist nicht einverstanden mit der Hochzeit und ich habe gesagt, wir arrangieren die Hochzeit erst, wenn meine Tochter 18 Jahre alt ist", sagt mein Vater eher zu Joel als zu Herr Gracia. Wahrscheinlich haben sie schon jedes Detail abgesprochen. Zudem regt es mich auf, dass mein Vater so redet, als wäre ich nicht da.
„Meinetwegen", murmelt Joel genervt und blickt mich wieder an. Ich mag sein Blick nicht, überhaupt nicht. Er schaut mich so abschätzend an ... als wäre ich ein Gegenstand dessen Wert er berechnet.
„Du kannst jetzt gehen", sagt mein Vater in meine Richtung und macht eine wegwerfende Handbewegung. Ich beiße mir mit aller Wucht auf die Zunge, um ihn nicht anzuschreien. Ich nicke kurz, wende mich ab und kratze den letzten Rest Würde zusammen und stolziere einigermaßen aufrecht aus dem Wohnzimmer. Sobald ich die Tür hinter mir geschlossen habe, setzt das Stimmengewirr ein. Aber die Tür ist zu dick und ich kann nichts hören.
Ich weiche zurück und lehne mich gegen die Wand. Was passiert hier nur? Es ist, als wäre ich keine Person mehr, sondern nur noch ein Besitz, der hin und her gereicht wird. Und ich will das nicht. Ich habe immerhin auch eine Meinung und eine Stimme.

Die Tür öffnet sich quietschend und ich reiße meine Augen auf. Vor mir steht Joel und lächelt mich dunkel an.
„Ich wollte sowie so noch mit dir reden", sagt er und kommt näher. Ich will weiter zurück weichen, aber ich stoße gegen die Wand hinter mir.
„Ich bin zwar nicht einverstanden, dass mein Vater einfach entscheidet, dass ich dich heirate, aber ich denke", sein Blick fällt auf meine Oberweite und grinst, „wir werden trotzdem unseren Spaß haben."

Ich verschränke demonstrativ meine Arme vor meiner Brust. „Um eins klar zu stellen, ich werde dich nicht heiraten."
Joel lacht. „Ist klar. Weil du auch mitreden kannst. Sieh es ein, du bist nur die Frau. Tu nicht so als wärst du mehr." Wieder ist da dieser Unterton, als wäre ich nur ein Besitz, ein Gegenstand.
Ich blicke ihn verständnislos an. Wie bitte? „Hör mir mal gut zu, ich werde das Ganze irgendwie verhindern, ich werde dich nicht heiraten." Ich halte mich sehr zurück, um ihn nicht anzuschreien.

„Sicher", sagt er verächtlich und will noch näher kommen. Ich halte ihn zurück.
„Wenn du mich berührst, schreie ich", fauche ich ihm zu und verschwinde nach oben, um meine kleine Schwester ins Bett zu bringen.


Hailey

Gegenwart

Ich bin auf der Toilette und bekomme eine Gänsehaut bei der Erinnerung. Und all diese Erinnerungen nur wegen der roten Rose. Ich erinnere mich noch daran, das Joel entschieden hatte, dass die Blumen bei unsere Hochzeit rote Rosen sein sollten.
Ich schüttle mich leicht.
Ich blicke in den Spiegel vor mir und betrachte mich. In den letzten drei Jahren habe ich mich verändert, nicht nur äußerlich. Mittlerweile bin ich nicht mehr so dürr, sondern habe ein gesundes Gewicht. Zudem habe ich das Gefühl ... ich bin stärker geworden. Innerlich.

Ich gehe auf die Tür zu und gehe zurück zum Tisch, wo London schon auf mich wartet. Das Essen ist mittlerweile auch da und wir fangen an zu Essen.
„Wie hast du dieses Lokal gefunden? Es ist toll", frage ich und esse einen Bissen von meiner Pizza.
„Früher war unsere Familie hier öfter, als meine Mutter noch nicht so bekannt war. Da waren Sydney und Paris noch klein und wir haben hier jede Woche gegessen. Nur irgendwann hat das halt aufgehört", erklärt London und ich nicke.
„Ich stell mir das schwer vor. So im Rampenlicht zu leben, ich meine deine beiden Elternteile sind ziemlich berühmt und ... ich stelle mir das einfach nicht leicht vor", sage ich und blicke London an. Er scheint mir jedoch nicht der Typ zu sein, der mit Aufmerksamkeit nicht umgehen kann.
„Naja, es gibt nur bestimmte Phasen, wenn es wirklich nervt. Wenn man alleine sein will und irgendein doofer Reporter umbedingt Klatschmaterial über die Eltern wissen will, kann das schon nerven. Aber insgesamt stört es mich nicht wirklich", sagt er und blickt mich mit einem leichten Lächeln an. „Und wie stehts mit deiner Familie? Irgendwelche Berühmtheiten, die das Leben schwer machen?"
„Eigentlich nicht. Obwohl meine Familie auch nicht normal ist – aber welche ist das schon?" Ich lächle zurück und lehne mich leicht zurück.
„Das stimmt natürlich. Welche Familie ist schon perfekt?"

„Keine. Bei uns war es so ... das ich lange das Gefühl hatte wir wären die perfekte Familie. Nur irgendwann ist mir klar geworden, dass wir alles andere als perfekt sind", sage ich und blicke nachdenklich auf mein Essen.
„Das ging mir ähnlich. Ich dachte immer wir führen ein normales Leben, nichts außergewöhnliches. Erst als ich größer wurde und öfters bei Freunden war, habe ich gemerkt, dass ihr Leben komplett anders ist", sagt London und blickt mich verständnisvoll an.
Ich lächle und merke immer mehr, dass wir gar nicht so verschieden sind, wie ich immer dachte.

***

Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr!! :)

Liebe Grüße PinkFluffyFantacorn :)

Forget meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt