46. Kapitel

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Hailey

Anscheinend bin ich eingeschlafen, denn Javier weckt mich unsanft. Verschlafen gucke ich erst ihn an und blicke dann nach draußen. Wir sind schon angekommen, ich habe wohl etwas länger geschlafen, als ich dachte. Unser Familienhaus erstreckt sich vor mir und ich kann mein Blick nicht von ihm lösen.

Als ich die Autotür öffne, schlägt mir die warme Luft entgegen und ich atme tief ein. Auch wenn ich es nicht dachte, ein Teil von mir fühlt sich endlich wieder Zuhause. Es fühlt sich an, als wäre ich von einer langen Reise wieder heimgekehrt.
Im gleichen Moment wird das wohlige Gefühl von Angst abgelöst. Ich starre gebahnt das große Haus vor mir an. Die widersprüchlichen Gefühle in meinem Kopf verwirren mich und ich folge Javier schweigend.
Was wird passieren?

„Olivia?" Ich habe nicht bemerkt, dass ich stehen geblieben bin. Mein Blick ist auf das dritte Fenster im Zweiten Stock gerichtet. Rosies Zimmer.
Ich erwarte ihr Gesicht zu sehen, wie sie auf mich zu rennt und lacht. Aber das Fenster ist dunkel. Und Rosie ist schon lange nicht mehr da.

Schweigend setze ich mich wieder in Bewegung und blicke herab auf meine zitternde Hände. Die Nervosität in mir steigt als Javier die Haustür aufschließt.

Der Flur ist dunkel und ich bin blicke um mich. Das Ganze kommt mir so fremd und doch vertraut vor.

Der Flur erstrahlt plötzlich in hellem Licht und ich blicke auf. Am Ende des Flures steht Mamá.

„Javier, was ...", sie stoppt als ihr Blick auf mich fällt. Erschrocken reißt sie ihre Augen auf und läuft schnell auf mich zu. Ihre Arme um mich herum zu spüren ist ein unglaubliches Gefühl und ich drücke sie fest an mich.
„Olivia", flüstert sie und als sie sich von mir entfernt, sehe ich Tränen in ihren Augen. Sie gibt mir zärtlich einen Stirnkuss und drückt mich wieder an sich. „Meine wunderschön Tochter ... Olivia, was machst du hier?", fragt sie und mustert mich mit einem schmerzlichen Lächeln. Ich antworte nicht, sondern atme einfach nur ihren vertrauten Duft ein. Mamá ist der Inbegriff von Zuhause.

„Ich habe dich so vermisst", flüstere ich und muss fast anfangen zu weinen.

„Ich habe dich auch vermisst, meine kleine Olivia."

Der Moment wird zerstört, da Javier sich räuspert. Ich blicke ihn leicht säuerlich an und Mamá wendet ihren Blick ebenfalls zu ihm.
„Was ist passiert?" Ich verschränke meine Arme vor der Brust und warte das Javier auf Mamá's Frage antwortet.

Während Javier die Situation knapp zusammenfasst, betrachte ich Mamá. Sie sieht verändert aus, ihre sonst ebenen dunklen Haare haben einige graue Haare und um ihre Gesicht haben sich einige Falten mehr gebildet. Für sie war die Zeit am Schwersten.
„Tara ist schwanger?" Ich werde aus meinen Gedanken gerissen und merke, dass die Frage an mich gerichtet war. Ich nicke schlicht.

„Ohjeh. Kommt erstmal richtig rein, ich mache euch Tee." Ich folge ihr und setze mich an unseren großen Esstisch. Das Haus hat irgendwie etwas verloren, es wirkt so ... kalt und leer. Ich trinke langsam mein Tee und mir fällt auf, was sich so verändert hat. Früher hingen im Flur Zeichnung von Rosie und Familienbilder. Alle diese Sachen sind jetzt weg und das lässt das ganze Haus so unbewohnt wirken.

„Wie geht es dir? Was ist in den letzten Monaten passiert? Ich möchte alles wissen", unterbricht Mamá die Stille und blickt mich erwartend an.
„Mir geht ... ging es die letzten Monate gut, ich hatte ein kleines Haus gemietet und bin zur Schule gegangen, um mein Abschluss zu bekommen. Ich ... äh ... habe Freunde gefunden und mir ging es gut, wirklich", erzähle ich etwas konfus.

„Das klingt schön. Ich bin froh, dass du ein guten Platz zum Leben gefunden hast. Wie war die Schule? Sehr anders als hier?"

Ich nicke. „Ja, es war ungewohnt in Englisch zu unterrichtet zu werden und der ganze Unterrichtstoff war sehr anders." Ich drehe die Tasse in meinen Händen hin und her. Hier so Small Talk zu betreiben ist komisch, gerade weil Javier daneben sitzt und uns einfach schweigend mustert.

Forget meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt