Der Name Brook

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Ich erschien püntklich zu meiner Schicht. Das war auch kein Wunder. Ich wartete schon seit zwei Stunden in der Eingangshalle des Krankenhauses. Das Gespräch mit Sherlock hatte mich nicht nur traurig, sondern auch nachdenklich gemacht. Er war noch nie so fürsorglich zu mir gewesen. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass er ein großes Geheimniss hütete, das auch mich etwas anging. Nach dem Treffen mit ihm hatte ich keine Lust gehabt nach Hause zu gehen. Ich wollte Zuhause nicht alleine sein, da ich nicht wusste wo Lilith steckte. Das Krankenhaus hielt ich für die beste Entscheidung. Vielleicht hatte ich auch Ben gehofft.
Ich hob meine Hand und klopfte kurz gegen die Tür des Chemieraums, dann trat ich ein. Ich hatte meinen Kittel bereits angezogen. Molly kam mir durch den Raum entgegen und schloss mich in ihre Arme. Ich erwiderte die Umarmung überrascht. Molly und ich hatte bis jetzt noch nicht die engste Beziehung aufbauen können. Und doch schien mir diese Geste überraschend willkommen. "Es tut mir so Leid!", rief sie und sah mich von oben herab an. Ihr Haar war zu einem Dutt gebunden, sie trug eine Schutzbrille und ihr Gesicht war blass.
Verdattert sah ich sie an. "Was genau meinst du?" Ben trat hinter mich. Ohne zu zögern nahm er meine Hand. Molly schien es nicht zu bemerken.
"Du hast es noch nicht gesehen?", fragte er. "Was gesehen?", rief ich und sah mich um. Molly eilte in eine Ecke des Raumes, um mit einem Magazin in der Hand zu mir zurück zu kehren. Sie blätterte durch die Seiten und hielt mir eine Doppelseite vor die Nase. Diese war bedruckt mit Bildern von Moriarty. Dieser sah jedoch ganz anders aus. Molly las laut vor:


Jim Moriarty entpuppt sich als Richard Brook!

 Der berühmte Verbrecher ist gar nicht das, wonach es aussieht? Denn diese outete sich nun mit Hilfe der bekannten Redakteurin Kitty Riley als Richard Brook. Er ist ein Schauspieler und man kann ihm seine Identität nachweisen. In einem Interview mit ihm erzählte er alles.
 "Sherlock Holmes bezahlte mich, um als Meisterdetektiv dazustehen. Doch ich will nicht mehr
erpresst werden. Es ist Schluss damit", sagte er. Der berühmte Detektiv wird nun immer mehr verdächtiger. Die Polizei sucht nach ihm, doch bisher hat er sich gut aus dem Verkehr gezogen. Schließlich ist ihm nichts nachzuweisen und bis jetzt besteht auch kein Verbrechen.
 Falls sie etwas zu melden haben, was diese ganze Geschichte betrifft, wenden sie sich gerne an Kitty Riley, die gerne zu Verfügung steht."

Molly sah auf. Darunter ist ihre Adresse angegeben. Ich riss ihr die Zeitung aus der Hand und überflog die Zeilen. Mein Blick fiel auf die Straße. Ich wusste wo sie lag. "Sorry, aber mit arbeiten wird das heute nichts." Ich stürtzte aus dem Raum.

Das Taxi bewegte sich nur quälend langsam vor. Es war Stau. Deshalb ließ ich den Taxifahrer zwei Straßen vorher anhalten, bezahlte und rannte den Rest so schnell ich konnte.
 Vor Kitty's Haus hatte ich Seitenstechen. Ich wollte die Klingel betätigen, doch die Tür war offen. Ich stürtzte in das miefende Treppenhaus und sah mich hektisch um. Von oben drangen Geräusche her. Ich rannte die Treppe hoch und stieß die nächstbeste Tür auf. Es war ein von Bildern behängter Raum. Es gab ein altes Sofa, Regale und eine kleine Treppe, die in einen anderen Raum führte. Auf der Treppe kauerte Moriarty, vor ihm angrifssbereit John und Sherlock. Etwas eingeschüchtert an der Seite stand Kitty Riley. Sie trug ihre roten Haare wieder zu Zöpfen und rief nur vier Worte. Immer und immer wieder: "Lasst ihn in Ruhe!"
Doch John und Sherlock dachten nicht daran von Moriarty abzulassen. Dieser erblickte nur mich. "Oh Jules!" Seine Stimme klang warm und vertraut. Ich schluckte. "Ich freue mich dich zu sehen. Ich denke Sherlock sollte dir etwas beichte, bevor ich es tue."
 Sherlock machte einen Schritt vorwärts und Moriarty zuckte zurück. "Wehe du öffnest deinen dreckigen Mund!" Ich verstand gar nichts mehr. "Lassen sie ihn in Ruhe!", schrie Kity wieder. "Er ist nicht Moriarty, er ist Richard Brook!" Keiner beachtete sie.
 "Es wird eh alles rauskommen!", flüsterte Moriarty. "Sag es ihnen. Kommen sie Sherlock!"
 Ich musste zugeben, er spielte seine Rolle als Opfer wirklich gut.
 "Hören sie auf. Hören sie sofort auf!" Ehe man ihn aufhalten konnte, stürmte Moriarty die Treppe hoch. John und Sherlock hinterher. Ich hörte ein Fenster zuschlagen. Und dann die Stimme von John: "Er ist gesprungen! Er ist einfach gesprungen!" Die beiden kamen die kleine Treppe wieder hinunter gestürmt. Kitty trat Sherlock in den Weg.
 "Jetzt wo sie vor mir stehen, kann ich doch etwas in ihnen lesen. Sie stoßen mich ab. Ekelhaft!" "Finger weg", knurrte ich und stieß sie zur Seite. John und Sherlock rannten weiter, ich folgte ihnen. Draußen auf der Straße, verschwanden sie beide in unterschiedliche Richtungen. Ich stand alleine da, wusste nicht, was ich machen sollte. Das Gesicht von Moriarty tauchte vor mir auf. Richard Brook. Richard. Brook. Brook! Ich stieß einen Laut aus. Das musste Zufall sein. Das konnte nicht anders sein. Ich keuchte. Und stürmte los. Es war nur dieser Name, der auf dem Weg zur Zahnarztpraxis in meinem Kopf herum spukte.

Lilith Brook!


Jules HolmesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt