Chapter 27

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Die Galgen, die unten auf dem Hof stehen sind nicht aus Holz sondern aus Eisen. Als Schlinge dient ein dickes Drahtseil mit Zähnen aus Metall.
Ein schmerzvolleren Tod kann man sich kaum vorstellen.
Ich starre auf die beiden Schlingen. Die, die weiter unten hängt ist die für Rain, die höhere für Rose.
Ich wünschte ich könnte ihren Platz einnehmen. Hätte ich besser auf sie aufgepasst wäre es nicht so weit gekommen.
Ich trete von dem vergitterten Fenster weg und boxe mit einem Schrei gegen die Wand. Wieder und wieder, bis ich in einer Ecke des Raumes zusammenbreche und beginnen zu weinen. Meine Fingerknöchel bluten.
Ein Soldat kommt herein und nickt mir zu. Es geht los.
Als ich nicht aufstehe, kommt er herüber und zerrt mich auf die Füße und zum Fenster, wo er mir die Arme auf den Rücken dreht und dafür sorgt, dass ich ja nicht meinen Blick vom Hof abwende.
An dem Fenster mir gegenüber wird dasselbe mit Earl gemacht, dessen Gesicht vor Hass verzerrt ist.
President Poncelet kommt mit Lugo über den Hof geschlendert, direkt unter uns bleiben sie stehen.
"Ach, ist das ein schöner Tag heute."
meint der Präsident mit einem irren Grinsen.
Ich blicke zu Earl, der Lugo so intensiv anstarrt, dass dieser eigentlich vor Schreck umfallen müsste.
Earl blickt mich nun ebenfalls an. Einen Moment verharrt er, dann dreht er sich um und bricht dem Soldaten hinter sich mit einem Handgriff das Genick, dann zieht er ihm die Waffe aus dem Gürtel und zielt auf Lugo und Poncelet.
Als die Schüsse ertönen erlaube ich meinem Herz kurz Hoffnung zu schöpfen, aber das blaue Schild, dass sich um Poncelet und Lugo bildet, bevor die Kugeln sie erreichen zerstört sie sofort wieder.
Ein anderer Soldat stürzt herein, entwedet Earl die Waffe und fesselt ihn, dann wird er wieder zum Fenster gezerrt.
Nun weint auch er. Die letzte Chance wurde vertan.
Ein metallenes Tor öffnet sich auf dem Hof und Soldaten bringen Rose und Rain heraus.
Bevor ich ihnen etwas zu rufen kann werde ich geknebelt.
Lugo geht zu Rose und legt ihr eine Hand auf die Schulter.
Ich versuche zu schreien und mich los zu reißen, doch der Soldat hat mich fest im Griff.
Wie kann Lugo es wagen sie auch nur anzusehen, dieser Verräter?
Er sagt etwas zu ihr und Rose nickt entschlossen. Rain blickt panisch zu den Galgen und ich kann sehen, dass er fast ohnmächtig wird vor Angst.
"Sie haben dem Kleinen die Zunge rausgeschnitten." meint der Soldat hinter mir belustigt "Der Wicht hat die ganze Zeit behauptet er wäre einer von Poncelets Männern."
Kurz ziehe ich meine Augenbrauen zusammen, doch ich komme gar nicht dazu zu überlegen, wieso Rain uns ebenfalls verleugnet, denn Rose und er werden zu den Galgen geführt.
Ich kann mein Blick nicht von Rose Gesicht wenden, obwohl ich es so gerne möchte.
So war das nicht geplant. Ganz und gar nicht.
Tränen verschleiern mir den Blick und ich schließe für einen Moment die Augen.
Als ich sie wieder öffne steht Rose bereits direkt vor der Schlinge sie blickt mit einem entschlossenen Blick darauf, obwohl ihr Tränen über die Wangen laufen. Während Rain eine Panickattacke bekommt und anfängt um sich zu schlagen, blickt Rose zu mir hoch.
Es fühlt sich an, als würde alles aufeinmal in Zeitlupe ablaufen.
Sie lächelt mich traurig an und senkt dann kurz den Kopf vor mir.
Ihr und Rain werden die Schlingen umgelegt, die ihnen sofort Schnitte am Hals zufügen.
Der Soldat hinter mir hat alle Mühe mich fest zu halten, denn ich versuche immer wieder mich loszureißen und trete ihm gegen die Schienbeine.
Poncelet blickt zu Lugo und macht eine Handbewegung zu einem Hebel.
Nein.
Das würde nicht einmal Lugo tun.

Der junge Mann schein tatsächlich einen Moment zu zögern, tritt dann doch vor und legt eine Hand an den Hebel.
Poncelets Stimme ertönt aus einem Lautsprecher.
"Nehmt ihnen die Knebel ab. Ich möchte sie schreien hören."
Es wird getan, wie er es befiehlt, doch weder ich, noch Earl geben einen Ton von uns. Den Gefallen tun wir ihm nicht.
Lugo blickt nocheinmal zu Rose, die wiederholt kaum merklich nickt, ohne ihn anzusehen.
Ich sehe zu, wie sich Lugos Griff um den Hebel verstärkt, wie er ihn schließlich umlegt, wie Rain und Rose nach oben gerissen werden, wie sie beide an ihrem eigenen Blut ersticken.
Ich sehe zu, wie der mir wichtigste Mensch aufhört sich zu bewegen und wie ihr Blut auf den Boden tropft.

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