Kapitel 8

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Kapitel 8

Meine Wangen schmerzten. Ich schrie mir gedanklich immer wieder zu mit dem Lächeln aufzuhören, aber ich konnte nicht, da jeden Moment ein neuer Gast auf mich und James zugeschritten kam um sich bei mir vorzustellen und bei James einzuschleimen. Und da ich eine höfliche Verlobte war, die den glücklichsten Tag ihres bisherigen Lebens feierte, durfte ich nicht mit dem Verziehen meines Mundes enden. Ich war mir nicht bewusst, ob ein Krampf oder ein Muskelkater die Folgen von zu viel Lächeln sein konnten, aber wenn es der Fall sein sollte, dann war ich kurz davor mir einen Muskel zu zerren. James schien elegant und wie die Ruhe selbst zu wirken. Er hatte eine Leichtigkeit für die ich ihn beneidete und die ich im Moment selber besitzen wollte. Mein Herz schlug immer noch wie im ersten Moment, als die Lifttüren aufgingen und die ganze Gesellschaft sich nach uns drehten. Alle Augen auf uns, als wären wir ein Spektakel, das die vollkommene Aufmerksamkeit benötigte. Ich wusste, dass alle sich hier versammelt hatten um unsere Verlobung zu feiern, aber die Aufmerksamkeit, die uns zuteilwurde, war mehr als unangenehm. 

Das schlimmste jedoch war, dass ich niemanden kannte. Alle Leute, die freudenstrahlend auf mich und James zukamen, waren mir fremd. Ich wusste, dass es sich bei den Leuten um James Familie, seine Bekannten und seine Arbeitskollegen handelte. Alle waren für ihn da und der kleine Teil, der für mich eingeladen worden war, hatte man am anderen Ende des Raumes an einen Tisch verband. Ich versuchte einige Male zu meiner Familie durch zu kommen, scheiterte aber bei jedem Versuch kläglich, da ich immer wieder in Unterhaltungen mit mir fremden Personen eingebunden wurde. Ich wollte James familiären Kreis kennenlernen und auch seine Freunde und Bekannten waren mir wichtig, aber alle schienen so darauf erpicht James in Geschäftsgespräche zu verleiten, dass die Unterhaltungen mir zu uninteressant wurden. Wenn ich meinen Job machte, dann hätte ich die Worte dieser Leute nur so aufgesaugt, aber ich war im Moment keine Anwältin sondern eine Verlobte, die mit ihrer Familie feiern wollte und das schienen die meisten hier nicht zu verstehen. Besonders James Vater Jonathan hatte es in sich. Wann immer ich eine kleine Pause von all den Geschäften und der Geldgier nehmen wollte, tauchte er wieder auf und präsentierte mich seinen Freunden, wie ein Kunstobjekt, dass er kürzlich ersteigert hatte. Er erzählte über meine Schule, über meine überdurchschnittliche Intelligenz und über all die Fälle, die ich als Anwältin schon hatte erarbeiten können. Die Leute wurden neugieriger und neugieriger. Fragten mich Löcher in den Bauch und es brauchte nur noch einen Moment und ich wäre aus dem Zimmer geflohen. Ich arbeitete nicht für diese Kreise. Diese Kreise hatten genug Geld um sich 10 Anwälte zu besorgen und die weniger starken Kreise in Grund und Boden zu verklagen. Ich war für diese hier, die sich diese zehn Anwälte nicht leisten konnten und versuchten gegen die Mächtigen dieser Welt anzukämpfen. Auch wenn es für einige zu hochgestochen und prahlerisch klang, so versuchte ich für die Gerechtigkeit zu kämpfen. Es gab keine Gerechtigkeit auf der Erde, solange wir nicht selber welche ausübten. Und meine Art, dieser Ausübung beizusteuern, war als Wirtschaftsanwältin, denen zu helfen, die schwer Hilfe bekamen… nur würde sich das nach der Heirat ändern. Ich wurde aufgekauft von den höchsten der hohen Kreise. Meine grössten Feinde, waren meine engsten Kunden geworden.

„Raten Sie mir nun die Aktien aufzukaufen oder soll ich auf den Drop warten?“, sprach der ältere Mann im teuren Anzug auf und nippte an seinem Champagnerglas. Ich hatte das Bedürfnis mit den Augen zu rollen. Das hier hatte alles seinen aristokratischen Stempel aufgesetzt bekommen. Selbst die Kellner und Kellnerinnen mit den Getränken und dem Fingerfood hatten teure Anzüge und Kleidungen an, die ich im Normalfall nie in meinem Schrank gefunden hätte.

„Kaufen Sie die Aktien. Der Drop, den alle zu befürchten scheinen, wird nicht eintreten. Die Firma hat mit dem Aufkauf in Indien grösseren Gewinn gemacht, als in den Medien bekannt geworden ist. Sie werden sogar am Ende noch eine hohe Dividende erzielen“, antwortete ich mehr als seufzend und liess meinen Blick wieder zu dem Tisch ganz hinten im Raum gleiten. Meine Familie sass dort. Meli hatte sogar einen Stuhl neben sich frei gelassen. Wartete darauf, dass ich endlich kommen würde. Sie taten mir schon leid.

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