Kapitel 11

3.5K 233 23
                                    

Anstatt das köstlich zubereitete Fleisch durchzuschneiden, hätte ich gut die dicke Luft die zwischen den dinierenden Gästen herrschte, schneiden können. Die Castro waren so angespannt und vorsichtig, bei der Wahl ihrer Themen, als wären wir in einem Mienenfeld, bei dem ein falscher Schritt verheerende Folgen haben könnte. Ich schielte hinüber zu James und seiner Mutter, deren Blicke nur auf Blake klebten. Es war, als warteten sie nur darauf, dass Blake eine Bombe platzen lassen würde. Jonathan, der gelassen Typ, ass und sprach mit seinen zwei Brüdern über die Firma, als ginge ihn die kleine Fehde, die hier deutlich zu spüren war, nichts an. Ich wusste nicht, ob Evelyn, die ihren jüngeren Sohn böse anstarrte, schlimmer war, oder Jonathan, der ihn komplett aus seinem Bewusstsein gestrichen hatte. Ich hatte das Los zugeteilt bekommen, das süssen Pärchen Bernhard und Emily, dank denen wir hier sassen, an meiner Seite zu haben, sodass ich von ihnen praktisch ausgequetscht wurde mit Fragen. Es schien sie zu faszinieren, ein Mädchen kennenzulernen, das so bodenständig geblieben war, obwohl es die Verlobte von James Castro war. So wie es bei ihnen klang, hätte ich mir einen Prinzessinnentitel aussuchen müssen und nur noch von Dienern belagert werden sollen. Dann waren da noch Miss Sunshine Linda, die immer noch wie die Sonne selbst strahlte und sich an jeder Konversation beteiligte und schlussendlich das Bonetti-Duo. Diese zwei schienen mir mitsamt, die amüsantesten zu sein. Frau Bonetti hatte es sich zur Aufgabe gemacht mit ihrer liebreizenden Tochter zu protzen und diese liess sich nicht zwei Mal fragen, wenn sie mit dem angeben konnte, was sie so hervorragend machte. Ich war erstaunt, wie selbstverständlich, sie ununterbrochen von sich selber sprechen konnte, ohne sich jemals zu fragen, ob die restliche Gesellschaft überhaupt alles wissen wollte. Hätte man mir gesagt, in was für ein Irrenhaus ich mich hier begab, hätte ich mir meine Entscheidung zwei Mal durch den Kopf gehen lassen.

„Das Fotoshooting in Japan war das interessanteste, obwohl ich auch von der Fashionshow in Milan stark beeindruckt war. Ach, genau das ist es, was ich an meinem Beruf so sehr liebe. Diese Möglichkeit die Welt zu entdecken und verschiedene Kulturen kennenzulernen, bekommt man nicht in jedem Beruf. Man lernt jeden Tag so viel Neues und eignet sich neue Weisheiten für sein späteres Leben… Adriana? Reisen sie auch gerne?“ Ich hob den Kopf erstaunt hoch, als ich Victoria mich direkt ansprechen hörte. Sie konnte auch über andere sprechen? Interessant…

„Ich bin nie wirklich gross gereist. Wir hatten manche Familienurlaube in Mexico oder Florida… das war es dann auch“, gestand ich und sah ihr überhebliches Lächeln. Wirklich? Nur weil ich nicht oft aus dem Lande kam, war ich ihr untergestellt?

„Ich sehe… Sie sind mehr das Gewohnheitstier. Grosse Veränderungen mögen sie anscheinend nicht.“ Ihr Blick wanderte zu James und ihr Lächeln wurde ein Tick breiter.

„Du musst sie unbedingt mal zu deinem Ferienhaus auf den Galapagosinseln mitnehmen. Ich weiss noch, wie viel Spass ich dort gehabt hatte…“ Mit einem zwinkern in meine Richtung wandte sie sich wieder dem Essen zu und schenkte mir keine weitere Beachtung. Ich sah sie mehrheitlich sprachlos an. Das konnte unmöglich ihr ernst sein? Wollte sie mich damit eifersüchtig machen? Ich starrte hinüber zu James, der mir nur einen entschuldigenden Blick schenkte. Wollte er nicht irgendetwas dazu sagen?

Ich verdrehte nur die Augen und wandte mich meinem Essen. Genau wie ich es mir gedacht hatte, war das Dinner eine Niete. Ich hoffte nur, dass es Evelyn nach diesem Abend nie mehr wagen würde, ein Diener in meinem Namen zu veranstalten.

„Mach dir keine Sorgen Victoria. Nachdem Ria eine Castro geworden ist, wird sie die ganze Welt zu Gesicht bekommen und die ganze Welt wird sie zu Gesicht bekommen. Dann kannst du deine überaus spannenden Erlebnisse, mit jemanden Teilen, der dir folgen kann und der daran Interesse zeigt…“ Es musste wohl ein einstimmiges Einverständnis am Tisch geherrscht haben, dass wenn Blake sprach, alle den Mund halten und sich ihm zu wenden würden. Er war wie der spannende Teil einer Geschichte, den sich niemand entgehen lassen wollte.

marry his brotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt