Loretta

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Seit zwei Tagen sind wir nun im Hafen von South Hampton. Morgen soll die Vagabond, ein alter Frachter, uns in nur einer Woche nach Amerika bringen. Die Fahrscheine haben weit mehr gekostet, als ich gedacht habe. Aber ich habe von Onkel Lamb genug geerbt, dass wir in Amerika die erste Zeit überstehen können.

Die kleine Pension direkt am Hafen ist in meinen Augen sehr überteuert. Immerhin ist der Verschlag in dem wir hausen, nicht gerade luxuriös ausgestattet, dass es den Preis gerechtfertigt. Wir können uns keine Extrawünsche leisten, müssen das nehmen was kommt. Was mich manchmal sehr frustriert. Immerhin sind wir hier sicher vor Frank, nach dem Jamie gerade Ausschau hält. Er kann sein Highlanderleben immer noch nicht ablegen, für ihn lauert über all ein Hinterhalt der Engländer.

Manchmal redet er im Schlaf, ruft nach seiner Schwester Jenny, oder murmelt den Namen seines Anwesens. Ich weiss, dass es ihm schwer fällt, deshalb habe ich mir auch gedacht, dass wir ein kleines Gestüt kaufen, oder übernehmen. Es gibt noch immer viele Orte die sehr unberührt wirken, wo wir uns etwas ganz neues und eigenes aufbauen könnten. Ich hoffe einfach nur, dass Frank uns nicht findet. Aber Amerika ist gross, er wird lange brauchen, damit er uns findet. Das einzige was uns verraten könnte, sind Jamies rote Haare. Aber das können wir nicht ändern, die einzige Vorsichtsmassnahme die wir treffen konnten war die, dass Jamie einen Hut trägt wenn er die Pension verlässt.

So erkennt nicht jeder sein rotes, lockiges Haar und so kann Frank so viel fragen wie er will. Die Leute werden immer das Gleiche sagen, sie haben keinen rothaarigen Schotten hier gesehen. Seufzend lasse ich mich auf das Bett fallen und streichle meinen runden Bauch. Wir sind nun seit vier Wochen wieder in der Gegenwart. In meiner Zeit sozusagen. Ich habe das Gefühl, dass es bereits eine halbe Ewigkeit her ist, dass ich Murrtagh und die anderen gesehen habe und nicht erst vier Wochen. Wie es ihnen wohl geht? Und vor allem wie es Fergus ergangen ist? Sicher ist er in Lallybroch angekommen und hat die Übertragungsurkunde an Ian und Jenny übergeben. So wie es Jamie ihm aufgetragen hat, bevor er mich zum Craigh na dun gebracht hat. Ob er oft an uns denkt?

An seine Milady und seinen Milord? Ich vermisse seinen französischen Akzent und die braunen Locken, die sich an meine Brust pressten, wenn er mich umarmte. Nach der stillen Geburt von Faith, habe ich ihn noch mehr als unseren Sohn angesehen. Manchmal habe ich mir es sogar eingeredet, dass er unser Fleisch und Blut ist. Doch wenn er eine französische und sehr unflätige Bemerkung fallen liess, wurde mir schmerzlich bewusst, dass er seine ersten zehn Lebensjahre im Maison Elise verbracht hat. Oder den grössten Teil davon. Nachdem ich mich eine Weile ausgeruht habe, mache ich mich auf den Weg nach draussen.

Bevor wir morgen Europa für immer verlassen, möchte ich noch ein paar Kräuter und Tinkturen besorgen. Draussen weht ein rauer Wind, weshalb ich meinen Mantel noch enger um meinen immer runder werdenden Körper schlinge. Die Luft riecht nach Salz und nach anderen Hafengerüchen, die mir ziemlich auf den Magen schlagen. Ich versuche den Geruch des schwachen Parfüms meines Taschentuchs einzuatmen, um den beissenden Geruch nach nicht mehr ganz so frischen Fisch zu übertünchen. Nach einigen Minuten habe ich eine kleine Apotheke gefunden, auch nach drei Jahren, scheint nicht alles zur Verfügung zu stehen. Während ich mich ein wenig umsehe, höre ich wie der Apotheker mit einer jungen Frau spricht. Ihre Stimmen sind leise und hören sich gedrückt an, als würden sie mit Absicht flüstern.

Mir fällt auf, dass ich seit meiner Zeitreise ein noch ausgeprägteres Gespür für Medizin und die Heilung der Menschen habe. Wenn man schlimme Verletzungen nur mit sehr wenigen Dingen, die dann nicht einmal steril sind, verarztet hat, werden die Sinne schärfer. Man weiss wie man in hektischen Situationen umgeht, ganz anders als in der Zeit in der ich Krankenschwester war. Sicher gab es auch dort nicht immer sterile Verbände, oder die richtigen Instrumente, aber es waren trotzdem ganz andere Umstände als im 18. Jahrhundert.

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