Dämmerung

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Es beginnt bereits zu dämmern, als wir Inverness erreichen. Die schwachen Lichter der Strassenlaternen zeigen uns den Weg. Es scheint sich nicht viel verändert zu haben seitdem ich das letzte Mal hier war. Wie viel Zeit inzwischen vergangen ist? In der Vergangenheit sind zwei Jahre verstrichen, zwei Jahre in denen Jamie und ich verzweifelt dafür gekämpft haben das wir eine gemeinsame Zukunft führen können. Doch alle Bemühungen, Opfer die wir gegeben haben, haben nichts genützt. Und jetzt, jetzt sind wir hier in der Zukunft. In der Zeit in der ich mit Frank verheiratet bin. Noch immer trage ich seinen goldenen Ring, ich habe ihn nie abgenommen, weil ich nicht vergessen wollte wer ich war. Ich habe Frank geliebt, aber Jamie...Jamie liebe ich noch mehr.

Er ist die Liebe meines Lebens, für die ich sogar meine Seele verkaufen würde. Er ist der Mann mit dem ich mein ganzes Leben verbringen möchte und dafür werde ich kämpfen. „Wir warten bis es dunkel ist.", sage ich leise. Wir verstecken uns in einer kleinen Senkung nahe der Kirche. Deren Turm sich in der Dämmerung wie ein Berg in den Himmel reckt. Jamie nickt nur, scheint damit beschäftigt zu sein mit den neuen Eindrücken fertig zu werden. Für ihn ist die ganze Umgebung fremd, nichts erinnert an das Inverness das wir zurück gelassen haben. Mein Plan ist es im Schutz der Dunkelheit zum Haus von Reverend Wakefield zu gehen und Mrs. Graham zu bitten uns Unterschlupf zu gewähren.

Ihr und dem Reverend vertraue ich, denn sonst weiss ich nicht wohin wir gehen sollen. Die Nacht bricht schneller herein als ich gedacht habe und so huschen wir durch die Gassen zum Haus des Reverends und klopfen leise an dessen Tür. Mein Herz fängt an schneller zu schlagen und wird mit jeder Sekunde die verstreicht mehr. Ich habe Angst, dass uns jemand entdecken könnte, aber auch Jamies Schweigen macht mir Sorgen. Ein Blick über meine Schulter sagt mir, dass er sich ebenfalls Gedanken macht. Ich habe ihm vom Reverend und seiner Haushälterin erzählt. Er war nicht sonderlich begeistert von meinem Plan, aber ihm ist selbst kein besserer eingefallen. Wie ich schon nach kurzer Zeit einsehen muss, hat unsere überstürzte Flucht durch die Steine nicht nur positives mit sich gebracht. Nach einigen Minuten wird die schwere Tür geöffnet und Mrs. Graham sieht uns überrascht an. „Herr im Himmel, Maria Mutter Gottes.", ruft sie aus und hält sich die faltige Hand vor den Mund.

„Mrs. Graham. Erschrecken Sie bitte nicht, ich bin es. Claire Randall.", sage ich leise und schaue an ihr vorbei. Doch ich kann niemand sehen, was mich etwas beruhigt, aber nur etwas. „Claire Randall. Wo haben Sie denn bloss gesteckt?", sagt sie überrascht. Ihr faltiges Gesicht hellt sich nach dem ersten Schreck etwas auf, was Hoffnung in mir weckt. „Das ist eine lange Geschichte. Können wir rein kommen?" Sie zieht eine ergraute Augenbraue nach oben und nickt. Ich trete in die warme Küche und atme den leckeren Geruch von frischgebackenem Brot ein. „Um Himmels Willen wer ist das?" Erschrocken zeigt sie auf Jamie der in seiner Hihglandertracht ziemlich wild aussieht. Sein rotes gelocktes Haar fällt ihm wirr ins Gesicht das vor Schmutz nur so strotzt. „Hat er sie entführt? Soll ich die Polizei rufen?"

Mrs. Graham scheint sich wirklich sehr an Jamies Auftreten erschreckt zu haben. Sanft lege ich ihr meine Hand auf ihren Arm und drücke ihn leicht, dabei schaue ich ihr in die Augen. „Nein. Er hat mich nicht entführt." Ich schaue über meine Schulter und sehe, dass sich Jamie sichtlich unwohl fühlt, kein Wunder kennt er hier nichts und niemanden. „Das ist eine sehr, sehr lange Geschichte. Die ich Ihnen liebend gerne erzählen möchte, aber ich muss Sie zuerst um einen Gefallen bitten." Ich hole tief Luft und hoffe, dass sie uns nicht gleich raus wirft, oder noch schlimmer die Polizei ruft die uns verhaften lässt. „Würden Sie uns bitte Unterschlupf gewähren? Es wäre auch nicht für lange." Die alte Frau sieht zuerst Jamie, dann mich an. „Na gut. Wartet hier, ich werde euch ein Bad einlassen."

Erleichtert atme ich aus und lächle sie dankbar an. Die alte Frau erwidert es zögernd und geht zur Tür die die Küche mit dem Haus verbindet. „Der Reverend ist ausser Haus, er wird erst Morgen zurück sein." Ihr Blick sagt mir, dass ich ihm die Wahrheit sagen muss damit wir hier bleiben können. Ich nicke und sehe zu wie sie die Küche verlässt und höre wie die Treppe unter ihrem Gewicht knarrt. „Das wäre geschafft." Seufzend setze ich mich auf den Stuhl und schaue mich um, hier hat sich wirklich nichts verändert. Ich weiss noch wie ich hier sass und mir von ihr aus der Hand lesen lassen habe. Sie sagte mir, dass ich eine Reise machen werde und sie hatte verdammt recht. Ein leichter Schauder legt sich über meinen Körper und lässt mich etwas frösteln. Ich stehe auf und stelle mich vor den Ofen der vor sich hin glüht. Hinter mir höre ich Jamies Schwert über den Boden kratzen, ich drehe mich zu ihm und lächle ihn an. Hoffe das er es erwidert was er auch tut, doch ich merke wie er mit unserer Entscheidung, gemeinsam zu fliehen, hadert.

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