4. Ann

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Ich habe keine Ahnung, was ich sagen oder tuen soll. Ich sitze nur da. Ich fühle mich machtlos und habe das Gefühl, keine Chance zu haben, selbst wenn ich der stärkste Mensch auf Erden wäre. Verzweifelt suche ich die Augen von Zack in der Menschenmenge des Buffets.
Wieso bist du nicht hier?
Brian lächelt mich an. Dennoch ist es nicht das Lächeln, welches er mir schenkte, als das Semester für mich anfing. Es ist eher ... machteinflösend?
"Du darfst dieses Mal allerdings erst schreien, wenn ich in dir bin", seine Augen fokussieren mich und er drückt meine Schulter fester zu. Ich schlucke nur. Habe Angst etwas zu sagen. Selbst meinen Atem versuche ich zu dämmen.
Brian leckt sich über die Lippen.
"Dieses mal werde ich nicht inne halten" Seine Finger streifen an meiner Schulter bis zu meiner Brust entlang.
"Lass mich in Ruhe", keuche ich. Ich sollte schreien. Ich sollte nach Zack rufen, doch ich tue es nicht. Ich sitze da. Verlegen und hoffe, dass mein Befehl, mich in Ruhe zu lassen, ihn erreicht. Wie naiv ich doch bin. Brian stößt bloß ein lautes Lachen aus. Warum hört ihn niemand? Warum ist Gerade niemand bei mir, um mir aus dieser aussichtslosen Situation zu helfen?
Ich stehe auf und reiße seine Hand von mir los. Er macht einen Satz nach hinten und ich nutze diese Reaktion, um Druck an ihm auszuüben.
"Ich sage es dir nicht noch einmal", ich gehe auf ihn zu, die Fäuste geballt und die Zähne zusammengebissen.
"Halte dich von mir fern oder ich sorge dafür, dass du nie wieder gerade laufen kannst!", in mir kocht die Wut. Ich will schreien, ihn beschimpfen, ihn auf den Boden schmeißen und ihn fragen, wie er mich all die Wochen mit seinem falschen Grinsen verarschen konnte. Seine gesamte Masche, alles war gespielt. Nichts davon war echt. Den Brian, den ich kannte, existierte nie.
Sein Lachen unterbricht meine Gedanken und ich kehre zurück in die Realität.
"Du bist so heiß, wenn du ausflippst", er kräuselt eine Sträne meines blonden Haares.
"So heiß... ", wiederholt er, greift nach meiner Hand  und führt sie zu seinen Schritt.
Ich fühle mich angeekelt. So dermaßen gedemütigt. Wie kann das niemand sehen? Ich blicke mich um. So viele Menschen, doch niemand sieht zu mir herüber. Niemand sieht, was hier passiert. Jeder ist mit anderen Dingen beschäftigt.
Ich versuche mich aus seinem festen Griff zu befreien, doch ich habe das Gefühl, je mehr ich mich wehre, desto mehr Spaß macht es ihm. Ich will aufgeben, weil ich weiß, wie es endet. Nämlich genauso wie in der vergangen Nacht. Ich finde Zack einfach nicht. Egal wie sehr ich mich auch angestrenge ihn zu finden, er scheint verschwunden zu sein. Warum braucht er überhaupt so lange? Was tut er?
Ich höre auf, zu versuchen, meine Hand von seinem Griff zu lösen. Stattdessen packe ich fest zu, sodass Brian aufspringt.
"Bist du verrückt?!", er hält sich an dem Schritt und verzieht das Gesicht.
"Fass mich nicht an" wiederhole ich und gehe an ihm vorbei.

Ich laufe heim. Ich habe Zacks Auto zwar noch auf dem Parkplatz gesehen, dennoch war ich viel aufgewühlt, um weiter nach ihm zu suchen.
Mein Lauftempo steigert sich. Ich liebe es. Einfach zu laufen und nachzudenken. Es befreit mich. Ich laufe immer weiter. Laufe an sämtlichen Cafés vorbei und allmählich kommt es mir so vor, als würden die Gäste, die in Ruhe ihren Kaffee trinken, mir hinterherstarren. Ich spüre ihre Blicke. Wie sie sich in meinen Rücken hineinbohren. Was sie wohl von mir denken, so wie ich aussehe.
Mein Atem wird hastig. Ich fühle nach wie vor den Alkohol in meinem Blut.

Ich erreiche Minuten später mein Auto. Hier scheint alles ruhig gewesen zu sein, nur der Wind und die Bäume, die aneinander rascheln sind hörbar. Mein Blick fällt auf die Haustür des Verbindungshauses. Die Angst, dass jemand diese Tür öffnet, ist unbeschreiblich. Ich setze mich in mein Auto und schließe die Tür hinter mir.
Beunruhig blicke ich aus dem Fenster und betrachte die Bäume, die von dem Wind ihre Zweige neigen. Ich kann unmöglich fahren, rufe ich mir immer wieder ins Gedächtnis zurück, doch ich starte den Motor und verlasse den Parkplatz eines Hauses, indem sich ein weiterer Albtraum abgespielt hatte.

"Niemand wird dir helfen können", sagt eine raue Stimme, die nur von jemanden kommen kann, der zwei Schachteln Zigaretten am Tag verbraucht und sich das Hirn wegsäuft.
Ich versuche mich zu bewegen, doch auch jetzt kann ich es nicht.
"Lass mich dich spüren", sagt er.
Ich will schreien, doch mein Schreien ist kaum lauter, als das eines kraftlosen Kindes.
Ich will es nicht. Ich will nicht so berührt werden. Doch egal wie sehr ich mich dagegen weigere, letztenendes streift er mir meine Jeans von den Beinen und liebkost auf eine gewaltsame Art meinen Körper.
Diese Berührung ist bedrohlich. Ich fühle mich gedemütigt und es ist mir peinlich in dieser Situation zu sein.
"Sei mein braves Mädchen, Ann" Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn und zieht mir nun auch die letzten Stücke an Kleidung, die mir geblieben sind, aus.
"Du darfst nicht schreien. Es ist alles in Ordnung. Das ist etwas völlig normales, mein Schatz. Es wird auch dir Spaß machen" Ich möchte meinem Vater glauben schenken, doch ich fühle mich weder sicher noch stark.
Wenige Sekunden später füllt ein Schrei das Zimmer. Es ist mein Geschrei. Mein Hilferuf.
Doch wenn ihn niemand hört, hilft auch er nicht.

It's time to forget youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt