Kapitel 10

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Einst, als ich noch nicht so einsam und verstört war, hatte mir meine Mutter immer vor dem schlafen gehen eine Geschichte erzählt. Sie handelte von einem jungen Mädchen. Sie war atemberaubend schön und wurde aus diesem Grund schon fast vergöttert. Doch, so viele Menschen sie auch immer um sich hatte, sie war der einsamste Mensch, den man sich nur vorstellen konnte. Freunde oder Familie hatte sie nicht. Denn jeder hatte großen Respekt, schon fast Angst, vor ihr. Äußerlich wirkte sie stark aber in der Nacht weinte sie sich oft für Stunden in den Schlaf. Alle wirkten so distanziert, entfernt. Absolut niemand sah sie wie jemanden an, der gleich war, der auch nur ein normaler Mensch war. Und dadurch versank sie in der Tiefe. Sie versperrte ihr Herz, ließ keine Gefühle mehr zu und schottete sich von allen ab. Doch ihre atemberaubende Fähigkeit, Leute mit ihrer Schönheit zu manipulieren, machte sie skrupellos und gefährlich. Wo einst ihr Mitgefühl, ihre Liebe und ihr Verständnis gewesen waren, war nun eine Ewige Tiefe. Es schien, als käme für sie jede Hilfe zu spät. Sie war nicht mehr zu retten. Als jeder sie bereits aufgegeben hatte, kam die letzte Rettung. Es wirkte wie ein kleiner Lichtstrahl, der durch die dichte Wolkendecke hin durchbrach. Ein Mann. Er kam aus dem Nichts und erfüllte diese ewige Tiefe, die in ihrem Herzen herrschte, mit Gefühlen, Liebe, Loyalität und sogar Trauer. Für jeden war es wichtig zu trauern. Er hatte ihren Arm gepackt und sie aus dem Sumpf der Einsamkeit gezogen. Wie hätte es anders kommen können, das Mädchen verliebte sich in den Jungen und er verliebte sich in sie. Gegenseitig, halfen sie sich, in guten, wie in schlechten Zeiten, bis in alle Ewigkeiten. Damals war ich wahnsinnig fasziniert von dieser Gutenachtgeschichte, von der unendlichen Liebe, die erwidert wurde. Doch ich war ein Kind! Ich hatte keine Ahnung, was mich noch erwartete. Der Schmerz, das Leiden und dieser Fall in die Tiefe. Obwohl ich Lupasuna hatte, wurde dieses Loch, das der Tod meiner Liebsten hinterlassen hatte, nie wieder geschlossen. Ich saß hier in dieser Dunkelheit, konnte nicht einmal meine Hände vor Augen sehen und wartete auf die Eindringlinge. Wie ironisch es doch war. Diese Finsternis war genauso, wie ich mich in diesem Moment fühlte. Die kalten Steinwände und der Geruch von Blut, den Lupasuna ausstrahlte. Wir waren leichte Beute. Wieder und wieder ging mir durch den Kopf, was der Shinobi aus Suna gesagt hatte. Dass die Geschichten über Korikoro war seien und die Leute zurückkehren sollten um Bericht zu erstatten. Was wollten Männer von dort, wo es nichts außer Wüste gab, an einem Ort wie diesem, der schon vor langem von Gott verlassen wurde? Ich hörte die unregelmäßige Atmung von meiner vierbeinigen Freundin und die Angst packte mich. Es war fast als würde sie mich am Arm nehmen und immer weiter zu sich ziehen, diese Eiseskälte, die mich nun Umgab, stammte nicht von den wahnsinnigen Temperaturen von außer halb. Bis jetzt hatte ich, wie das Mädchen aus der Geschichte, meine Gefühle genommen, sie in eine Truhe gesteckt, sie zugesperrt und sie mitsamt des Schlüssels soweit geworfen wie ich nur konnte. Seitdem hatte ich keine Angst oder Trauer zugelassen. Ich dachte wieder an meine Familie. Ein brennender Stich durchzuckte mein Herz. Daraufhin musste ich wieder an Gaara denken. Der nächste Stich. Meine Schwester. Meine Mutter. Alle die mir je etwas bedeutet hatten. Mein gesamtes Gesicht begann zu brennen. Meine Muskeln begannen unaufhörlich und unkontrolliert zu zucken. Und dann lief mir Wasser über meine Haut und tropfte auf meine Kleidung. Instinktiv schaute ich nach oben. Doch da ich nichts sah, konnte ich auch nichts erkennen. Dann realisierte ich. Ich weinte. Das, was mir über meine Backen geronnen war, war kein Wasser. Es waren dicke Tränen, die immer mehr wurden. Erst nur leicht und dann immer mehr, begann mein ganzer Körper förmlich zu beben. Scharf und tief zog ich die kalte Luft, die in meiner Lunge brannte, ein und versucht mich zu beruhigen. Ich schluchzte kläglich und nun ging auch mein Atem ruckartig und stockend. Ich fühlte mich so hilflos, wie ein kleines Kind, das vergeblich nach seiner Mutter schrie. Dieses Gefühl war schrecklich und kaum zu ertragen. So schnell wie möglich wollte ich, dass es aufhörte. Mit meinen Händen stützte ich mich gegen die kalte und raue Wand, richtete mich auf. Den pochenden Schmerz in meiner Schulter, der wahrscheinlich noch von dem vorigen Kampf stammte, ignorierte ich einfach und stand nun auf meinen beiden Beinen fest am Boden. Schon seit ich klein war, hatte ich, genau wie alle in meiner Familie, auf meinem Handgelenk ein Symbol. Es war eine Ranke die aus zwei verbundenen Spiralen bestand. Früher hatte ich mich immer gefragt, was sie wohl bedeuten sollte. Doch ohne, dass es mir jemand verraten hatte, wusste ich es plötzlich. Ich sammelte Chakra in meinem Zeige- und Mittelfinger. Langsam und haargenau führte ich sie zu diesem Symbol. Ich war wie ferngesteuert. In der vollkommenen Schwärze traf ich die Mitten der Spiralen. Sie zeigten in Richtung meines Körpers. Nun drehte ich das Symbol mit meinen Fingerspitzen. Es wirkte, als wäre das Zeichen auf meinem Handgelenk eingerastet. Ich hatte es um genau 45 Grad gedreht. Die Nägel bohrten sich in mein Fleisch und ich spürte das Blut , das in meinen Adern pulsierte. Ich konnte in mir eine unglaubliche Macht wahrnehmen, die immer mehr wuchs. Dies war die wahre Kraft meines Clans.


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