Nachdem ich meinen Hunger gestillt hatte, machte ich mich zu Lady auf. Als ich diesmal in den Raum trat, waren die Frauen verschwunden, sowie das kleine leblose Bündel. Eleanor lag blass und mit geschlossenen Augen auf dem Bett und ihr Bruder kniete auf dem Boden daneben. Ich räusperte mich leise, um sie nicht zu wecken, doch war meine Mühe umsonst, denn sie schlug bei dem Geräusch ihre Augen auf. Auch Lord Adrian regte sich. "Mylady, Mylord", murmelte ich mit einer Verbeugung. "Wie geht es Euch?"
"Schon besser", antwortete sie mit einem schmalen Lächeln. "Liebe Catherine, du darfst-"
"Kann ich etwas für Euch tun?" Es war zwar äußerst rüde, sie zu unterbrechen, aber ich wusste, was sie sagen wollte, glaubte jedoch nicht, noch so ein Gespräch ertragen zu können.
Die Lady nickte. "Adrian, hole ihr doch bitte den Stuhl dort drüben. Bitte", sie deutete neben das Bett, "geselle dich zu uns."
Unbeholfen dankte ich dem Lord und nahm Platz. "Was kann ich also für Euch tun, Mylady?"
Wieder lächelte sie, doch ich sah ihr die Erschöpfung und die Trauer deutlich an. "Hör auf dir die Schuld zu geben, denn du trägst sie nicht."
Ich senkte den Blick auf meine Hände. "Ich bereue es, Euch das Versprechen gegeben zu haben."
"Es war bereits zu spät."
"Aber trotzdem-"
"Catherine", unterbrach Adrian mich. Ich sah zu ihm auf und verstand. Eleanor würde es nicht helfen, wenn ich jetzt eine Diskussion begann.
"Nun gut. Kann ich noch etwas für Euch tun?"
"Wir werden noch ein oder zwei Tage hier bleiben, bis es mir besser geht und wir weiterreisen können. Dadurch verzögert sich unsere Ankunft zwar etwas, aber es bleibt trotzdem nicht merh viel Zeit."
"Ich werde Euer Kleid fertig nähen", versprach ich mit einem Lächeln. Dann fiel mir etwas ein, druckste jedoch etwas herum, ehe ich es aussprach. "Nun, da Ihr... Ich meine, Ihr könntet nun auch wieder das Kleid Eurer Mutter anziehen."
Die Lady runzelte die Stirn. "Ich dachte, es steht mir nicht."
Ich wurde rot und hob die Schultern. "Traditionen verlangen nun einmal gewisse Opfer."
"Nicht dieses. Ich bitte dich inständig, das neue Kleid für mich anzufertigen, auch wenn es dir mehr Arbeit macht."
"Eine Arbeit, die ich mit Freuden verrichten werde." Ich erhob mich. "Ich danke Euch, Mylady. Mylord." Wieder machte ich eine leichte Verbeugung und verließ die Geschwister.
Am nächsten Tag arbeitete ich ausschließlich an dem Kleid. Das Mieder war schon beinahe fertig, die Stoffe für den mehrlagigen Rock zurecht geschnitten und auch die Ärmel hatte ich schon präpariert. Jetzt musste ich nur noch alles zusammen setzen und an die genaue Figur der Lady anpassen. Und das in ungefähr sechs Tagen, an denen ich die meiste Zeit nicht richtig arbeiten konnte, da wir mit einer Kutsche unterwegs waren.
Ein Grund mehr, jetzt ohne Pause durchzuschaffen, dachte ich, als ich um die Mittagszeit die steifen Beine streckte, meine müden Finger und Augen rieb und meinen vor HUnger knurrenden Magen ignorierte. Ich unterdrückte ein Gähnen, während ich mich wieder auf dem Boden niederließ. Dieses Kleid sollte ein Meisterwerk werden, das die Menschen, die an der Hochzeitsfeier teilnahmen, in Erinnerung behalten sollten; wo etwas verlangte nun mal kleine Opfer. Und doch war ich insgeheim froh, als jemand an die Wand vor meinem Raum klopfte. "Ja?" Lord Adrian trat ein und begrüßte mich mit einem Lächeln. Überrascht sprang ich auf und deutete eine Verbeugung an. "Mylord, was verschafft mir die Ehre?"
"Die Sorge der ein oder anderen Person, da du weder heute Morgen, noch gerade eben zum Essen erschienen bist."
"Oh, ich habe mir schon früh morgens etwas zum Essen geholt und dann die restliche Zeit an meiner Arbeit verbracht. In ein oder zwei Tagen ist das Kleid vielleicht schon bereit für die erste Anprobe. Wenn es Eurer Schwester bis dahin wieder besser geht, natürlich", fügte ich schnell hinzu.
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Nur reden will ich Dolche, keine brauchen.
Historical FictionCatherine Tales führt ein kleines Schneideratelier. Das jedoch nur mit Mühe und Not, da die Leute eine junge Frau, die einen eigenen Laden besitzt, kritisch beäugen. So kommt es Catherine gerade recht, dass ein Lord an ihre Tür klopft und ihr ein in...