Kapitel 5

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Als ich am Abend Traians Schritte hörte, lag ich schon unter einer dünnen Decke auf meiner Pritsche und stellte mich schlafend. Auch am nächsten Morgen ignorierte ich ihn, was aber nicht unbemerkt blieb. Während ich meinen Becher auswusch, stellte sich eine der blonden Schwestern neben mich und sah mich forschend an. "Habt ihr euch gestritten?"

Seufzend schüttelte ich das kalte Wasser von meinen Händen. "Könnte man so sagen, ja."

"Und es war so arg, dass du nicht einmal ein Frühstück von ihm annimmst?" Ich biss mir auf die Lippe. Gut, das war vielleicht ein wenig übertrieben gewesen. "Was auch immer es war, es scheint ihm leid zu tun."

"Warum sprichst du überhaupt mit mir darüber?"

"Ich weiß nicht. Ich mag dich, ich mag ihn." Ich sah sie scharf an und sie hob grinsend die Augenbraun. "Sehe ich da etwa Eifersucht? Ihr würdet wirklich ein hübsches Pärchen abgeben. Ihr seid beide so... geheimnisvoll und dein Temperament würde Traian mit seiner ruhigen, charmanten Art ausgleichen."

Ich rätselte mich noch immer über das Gespräch, als ich nach draußen ging, wo die Kutsche wartete. Meine Reisebegleitung saß schon drinnen, weshalb ich schnell mein Gepäck auf das Dach hob, wo ein Junge es mit den anderen Taschen festzurrte. Dann stieg ich ein und schloss die Tür hinter mir. "Tut mir leid, ich habe Euch aufgehalten."

"Schon gut", beruhigte mich der Lord. "Wir haben ja Zeit. Einen schönen guten Morgen übrigens."

"Guten Morgen. Ich hoffe Ihr habt gut geschlafen?"

"Danke, wir konnten nicht klagen." Den Streit zwischen Traian und mir vom vorigen Abend erwähnten sie zum Glück mit keiner Silbe. Plötzlich fiel mir auf, dass ich seit gestern Morgen kein einziges Mal an Isabella und meinen Laden gedacht hatte. Wie es ihr wohl ging? Ob sie mit der ganzen Arbeit fertig wurde? Hoffentlich ließ sie sich von dem Schneider, der ihr helfen sollte nicht unterkriegen. Ich sah auf und setzte gleichtzeitig mit der Lady zum sprechen an. "Ich-"

Sie lächelte. "Du zuerst."

"Nein, Ihr zuerst. Alter vor Schönheit." Entsetzt schlug ich die Hand vor den Mund. "Es tut mir so leid. Das ist mir nur so rausgerutscht, es war nicht wirklich so gemeint."

Doch Eleanor lachte, sogar ihr Bruder und Traian lächelten. "Alter vor Schönheit." Sie holte tief Luft. "Das muss ich mir merken."

Ich spürte, dass mein Gesicht glühte. Warum konnte ich auch nicht denken, bevor ich etwas sagte? Diesmal war es ja noch gut gegangen, aber beispielsweise Lady Molair hätte mich für den Spruch umgebracht. Ich musste dringend lernen, meinen Mund zu kontrollieren. "Also, was wolltet Ihr sagen?", lenkte ich von meinem Ausrutscher ab.

"Ich konnte mich einfach nicht entscheiden." Sie hob den Stapel mit meinen Skizzen. "Es sind zu viele."

"Dann tut es mir ausgesprochen Leid, dass ich noch mehr Modelle entworfen habe." Ich reichte ihr noch weitere Blätter. "Trefft einfach eine engere Auswahl und dann sehen wir weiter."

Die Lady nickte, stockte dann aber gleich bei der ersten Zeichnung und hob sie hoch. Sie zeigte eine Skizze von einem zarten Kleid mit einem Rückenausschnitt bis zur Taille. "Im Ernst?"

Ich hob die Schultern. "Man muss den Ausschnitt ja nicht ganz so tief machen. Aber ich bin mir sicher, es würde Euch ausgezeichnet stehen."

"Mag sein, aber man würde mich dafür in ein Kloster sperren." Eine gute halbe Stunde später gab sie mir einen etwas kleineren Stapel und ich sah ihn mir durch. Schließlich musste ich lachen und hob ein Blatt hoch. "Im Ernst?"


Als wir am frühen Abend Oxford erreichten, machten wir uns auf die Suche nach einem Stoffhändler, denn in der Zwischenzeit hatte Eleanor sich für ein Kleid entschieden. Die ersten beiden hatten nicht das was wir wollten oder nicht in den Mengen, die wir wollten. Erst in einer Weberei hatten wir Glück, doch als ich nach dem Preis fragte, blieb mir der Mund offen stehen. "Wie bitte?" fragte ich erschrocken nach. "Das soll ja wohl ein Witz sein! Auch wenn die Stoffe wirklich fein gearbeitet sind, ist dieser Preis komplett übertrieben!" fuhr ich den Händler an.

Nur reden will ich Dolche, keine brauchen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt