Draco trat durch die Bürotür und sofort sprang Harry, der anscheinend vorher an der Wand gelehnt hatte, auf. McGonagall war nirgendwo zu sehen.
»Was hat er gesagt?«, rief Harry schon fast.
»Wo ist McGonagall?«
»Nachdem sie gemerkt hat, dass sie nicht lauschen konnte - nicht mal als Katze - hat sie gesagt, dass sie zu Parkinson gehen wird. Hast du Imperturbatio genutzt?«
Draco nickte - froh darüber, der eigentlichen Frage entkommen zu sein.
»Ja, hat Dumbledore gesagt.«
»Dumbledore hat es dir gesagt? Er hat das Gespräch selbst als so wichtig empfunden, dass er dich dafür sorgen lassen hat, dass wir in keinem Fall lauschen können? Worum ging es dann? Was hat er gesagt?« Harry sah Draco dringlich an. Als müsste er ihm beweisen, dass es ihm wichtig war, zu erfahren, was passiert war.
Und Draco hatte keine Ahnung, was er tun sollte. Da die Option entfiel, Harry zu erzählen, was wirklich passiert ist, hatte er die Wahl. Entweder log er und dachte sich etwas aus, dass Dumbledore ihm gesagt hatte. Oder er sagte ihm einfach nichts. Fieberhaft überlegte er nach einer Geschichte, die realistisch erscheinen würde - was seine Kopfschmerzen nicht weniger werden ließ. Er könnte Harry erzählen, dass Dumbledore mit ihm über seinen Tod geredet hatte. An dem Tod war Draco schließlich wesentlich beteiligt gewesen. Aber würde Harry das glauben? Würde Harry erkennen, dass, wenn es um Dumbledores Tod gegangen wäre, der tote Zauberer dann nicht darauf bestanden hätte, dass Harry und McGonagall den Raum verlassen mussten? Harry würde sicher infrage stellen, dass Dumbledore dann einen Imperturbatio für nötig gehalten hätte. Denn Dumbledore ging offen mit seinem Tod um und er vertraute Harry und McGonagall. Und selbst wenn Harry ihm die Lüge abkaufen würde, wollte Draco ihn wirklich anlügen?
Nein. Denn wenn er sich für ›jetzt‹ entschieden hatte, dann war es bestimmt kein guter Anfang, zu lügen.
Also schüttelte er einfach den Kopf. Er ging an Harry vorbei und die Wendeltreppe hinunter.
»Draco!«, rief Harry und lief ihm hinter. »Wieso läufst du weg? Wieso erzählst du es mir nicht?«
Draco antwortete nicht. Er blieb auch nicht stehen. Er wollte sich nicht umdrehen, weil er Angst hatte, Harrys grünen Augen nicht mehr entsagen zu können.
»Draco, bleib stehen! Was ist? Vertraust du mir nicht? Ist dir das unangenehm?«
›Vertraust du mir nicht?‹ Doch.
›Ist dir das unangenehm?‹ Ja.
Aber Draco schwieg weiterhin.
»Wieso redest du nicht mit mir, Draco?«
»Bitte geh.« Dracos Kopf pochte vor Schmerzen.
»Nein. Wieso?«
»Bitte.« Draco verfiel langsam in einen Laufschritt und lief an einigen Schülergruppen vorbei.
»Draco, bleib stehen!«, hörte er Harrys Stimme jetzt weiter hinter sich. Er ignorierte sie und beschleunigte sein Tempo weiterhin.
Dann, am Fuß einer Treppe, blieb er stehen. Harry schloss schnell zu ihm auf und schaute ihn ein wenig geschockt an.
»Harry. Bitte. Setz mich nicht unter Druck.« Draco drehte sich um und lief die Treppe hinauf. Er war sich sicher, dass Harry ihm jetzt nicht weiter folgen würde. Und er hatte Recht.
Trotzdem lief er weiter Treppen hinauf. Er hatte ein Ziel. Jetzt war der perfekte Moment, um herauszufinden, was bisher noch niemand sicher wusste. War der Raum der Wünsche zerstört? Draco hoffte, dass es nicht so war.
Im siebten Stock lief er dann bis zu dem - ihm gut bekannten - Wandteppich und wandte sich der gegenüberliegenden, kahlen Wand zu. Kurz überlegte er, was er in dem Raum vorfinden wollen würde - wenn die Magie des Raumes denn überhaupt noch funktionierte. Der Raum, den er in seinem sechsten Hogwartsjahr genutzt hatte, war ja durch das Dämonsfeuer vernichtet worden, also kam der schon mal nicht in Frage. Aber Draco würde sich diesen Raum auch nicht wünschen, wenn es ihn noch gäbe. Erinnerungen konnten schmerzhaft sein.
Dann kam ihm ein Gedanke. Draco lief dreimal vor der Wand auf und ab und klammerte sich an die detaillierte Vorstellung eines Raumes. Dann blieb er stehen. Und als sich langsam eine Tür vor ihm bildete, lächelte er erleichtert. Der Raum der Wünsche schien noch zu funktionieren.
Draco schaute sich noch einmal in dem leeren Gang um und drückte dann die Klinke der eben erst erschienen Tür hinunter. Er schloss sie hinter sich wieder und stand in seinem Zimmer.
Es sah alles genauso aus wie zuhause. Sein Bett, mit den dunkelgrünen Bettbezügen - nicht weiß wie die, die er hier in Hogwarts hatte. Sein Schrank aus glattem Birnenholz, dessen eine Tür nie ganz zu ging. Und all seine anderen geliebten Möbelstücke. Er ging zu dem kleinen Regal, auf dem einige eingerahmte Fotos standen. Aus dem Einen lächelte ihn ein zweijähriger Draco an, der in seinen kleinen Kinderhänden eine Plüschschlange hielt. Draco drehte sich weg von dem Regal und setzte sich im Schneidersitz auf sein Bett und schloss die Augen. Es roch sogar wie zuhause.Harry stand im Quidditchstadion und versuchte sich auf die vor ihm stehende Quidditchmannschaft von Gryffindor und nicht auf Draco Malfoy und Dumbledore zu konzentrieren.
Die gesamte Mannschaft stand vor ihm und hörte ihm aufmerksam zu, während er ihnen seine Strategie für die bevorstehenden Spiele erklärte. Nur Ginny hatte die Arme verschränkt und funkelte ihn wütend an. Harry gab sich Mühe, ihren Blick nicht zu erwidern.
Er teilte die sechs Spieler in zwei Mannschaften auf und nahm Quaffel und Klatscher in das Spielgeschehen auf. Er selbst flog über den anderen Spielern und würde nicht mitspielen - der Schnatz wurde ohne Sucher also nicht gebraucht.
Er beobachtete die Spielweisen der sechs Gryffindors und begann dann sich nach und nach die Spieler einzeln beiseite zu nehmen, um ihnen Tipps und Anweisungen zu geben. Zuallererst holte er Ron zu sich.
»Du spielst gut, Ron, auch wenn dir nach einem Jahr Auszeit die Übung fehlt. Ach, ich fühle mich so dämlich, wenn ich dir als dein bester Freund so blödes Feedback und Trainingsanweisungen gebe, aber ich glaube, dir würde es am meisten weiterhelfen, wenn du erstmal jeden Tag bis zum Spiel ein bisschen übst. Keine Sorge, keine stundenlange Trainingseinheit, es reicht wahrscheinlich an den meisten Tagen, wenn du einfach nur ein bisschen herumfliegst und eins-zwei Bälle fängst. Vielleicht kann Hermine dir ja ein paar Bälle werfen, sonst frag einfach mich. Du musst dich einfach erstmal wieder aufwärmen.«
»Alles klar, Kapitän Potter, Sir!«
»Ron, hör auf damit. Und jetzt flieg nochmal vor die Ringe dahinten. Ich mache ein kurzes Reaktionstraining mit dir.«
Sie flogen zu den drei Ringen und Harry duplizierte einen zusätzlichen Quaffel etwa siebzigmal und ließ sie dann mit Hilfe von Magie pausenlos auf die Ringe zurasen. Natürlich war es Ron nicht möglich, alle aufzuhalten, weil das teilweise unmöglich war, wenn zehn Quaffel gleichzeitig auf die drei Ringe zuflogen. Aber Harry war mit Rons Leistung eigentlich ganz zufrieden. Er war wirklich davon überzeugt, dass er nur wieder ein wenig Übung brauchte.
Dann entließ er Ron wieder ins Spiel und holte sich nacheinander die anderen Spieler zu sich.
Erst als er schon fünf Spieler bei sich gehabt hatte, fiel ihm auf, dass er sich unterbewusst vor Ginny gedrückt hatte. Sie war die Einzige, die er noch nicht beiseite genommen hatte. Er atmete einmal durch.
»Ginny«, rief er dann, und, als müsste sie ihm etwas beweisen, schoss sie in rasender Geschwindigkeit auf ihn zu und bremste ruckartig genau vor ihm. Sie schaute ihn grimmig an.
»Ginny«, Harry versuchte, ganz neutral zu klingen, »ich weiß, dass du im letzten Jahr Teamkapitän warst und ich weiß auch, dass du Sucherin warst. Und ich bin mir sicher, dass du eine sehr gute Sucherin warst, aber jetzt bist du wieder Jägerin. Versteh mich nicht falsch, aber man merkt dir an, dass du die Position zwischendurch gewechselt hast. Du spielst nicht mehr wie eine Spitzenjägerin wie vor zwei Jahren, sondern eher wie eine Jägerin, die den Quaffel mit dem Schnatz verwechselt hat.« Harry versuchte nicht vorwurfsvoll, sondern nur hinweisend zu klingen. Er wollte ihr wirklich nur Hinweise für besseres Spielen geben - und das versuchte er eben mit der Wahrheit.
»Weißt du, Ginny, du bist genau wie dein Bruder. Ron war ein großartiger Hüter. Dann hat er ein Jahr fast kein einziges Mal auf einem Besen gesessen - geschweige denn Quidditch gespielt. Und er hat das ziemlich verlernt.
Du warst großartige Jägerin, hast dann ein Jahr als Sucherin gespielt. Und jetzt hast du das Jägerinnen-Sein verlernt. Aber ihr beide habt das Talent. Vielleicht hätte ich auch nicht sagen sollen, dass ihr es verlernt habt. Ihr habt euch nur zu schnell an andere Umstände gewöhnt. Aber das ist auch wieder gut. Denn dadurch werdet ihr auch sehr schnell wieder drin sein.
Ich habe Ron empfohlen, jeden Tag ein wenig zu üben. Ich bin davon ausgegangen, dass Hermine ihm vielleicht ein bisschen helfen kann. Aber es ist viel besser. Du kannst ihm helfen und gleichzeitig mittrainieren. Ein eingerosteter Hüter und eine fehlgeübte Jägerin, ihr werdet sehr gut miteinander üben.«
Ginny hob verächtlich die Augenbrauen. »Mach dich nicht lächerlich, Harry. Du kannst so viele weitschweifige Reden schwingen wie du willst, ich weiß schon selbst, was gut für mich ist.« Sie riss ihren Besen herum und stieg wieder ins Spiel ein. Harry seufzte. Wieso ist sie so nachtragend? Er schüttelte den Kopf und beendete das Training. Dann lief er mit Ron zusammen zurück zu den Umkleiden.
»Ginny hasst mich, seitdem ich mit ihr Schluss gemacht habe. Es ist anstrengend. Ron, ich habe ihr einfach nur ernst- und gutgemeinte Quidditchtipps gegeben! Und was macht sie? ›Harry mach dich nicht lächerlich. Ich bin kein kleines Mädchen mehr! Blablabla‹ Nur weil ich mit ihr Schluss gemacht habe, heißt das nicht, dass ich mich mit allem, was ich sage, über sie stellen und sie runtermachen will. Ron, rede mit ihr! Sie soll ja nicht meine beste Freundin werden, aber sie soll aufhören, sich so kindisch zu benehmen. Es ist einfach so anstrengend.«
»Harry, du hast Probleme. Glaubst du, dass wenn ich ihr sage ›Hey Ginny, hör auf, Harry so herrisch und arrogant zu behandeln. Vergiss nicht, ich bin dein älterer Bruder, du musst machen, was ich dir sage.‹ irgendetwas passieren wird? Ihr ist doch egal, was ich sage.« Harry schwieg. Er wusste, dass Ron Recht hatte. Dann müsste er sich wohl mit einer stressigen Ginny abgeben müssen. Hoffentlich würde die Zeit ihr Gemüt beruhigen.
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Why? || Drarry
Fiksi PenggemarNachdem der Krieg vorbei ist, liegt es für Harry auf der Hand, nach Hogwarts zurückzukehren und sein 7. Schuljahr nachzuholen. Begleitet wird er natürlich von seinen Freunden. Aber auch Draco Malfoy will sein letztes Schuljahr abschließen und nicht...