Linnet Silene
Das Essen schmeckt genauso köstlich, wie das im Zug. Unsere Stilisten unterhalten sich mit Carabean über unseren Auftritt bei der Eröffnungsfeier und ich höre heraus, dass Stanta sichtlich stolz darauf ist, dass uns dieses Jahr mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde als in den letzten Jahren. Er schiebt es auf das freizügige Outfit, was ich ihm jedoch schnell auszureden versuche. Wir werden von stummen jungen Männern und Frauen, teilweise sind sie glaube ich sogar jünger als ich, in weißen Tuniken bedient.
Stanta erklärt mir, dass dies Avoxe sind, Leute, die irgendein schlimmes Verbrechen begangen haben. Ihnen wurde die Zunge herausgeschnitten und nun müssen sie im Kapitol den verschiedensten Arbeiten nachgehen. So wie Sklaven.
Ich finde das schrecklich. Naja sie haben das Kapitol verraten, aber das ist gut – meiner Meinung nach. Schließlich geschieht alles in Panem immer nur zugunsten des Kapitols. So, wie ich zu ihrem Vergnügen in ein paar Tagen grausam sterben soll und die Leute in den Distrikten sich zu Tode arbeiten und hungern, nur damit die Kapitol Bewohner mehr als genügend Luxus bekommen. Ich kann die Avoxe verstehen. Ich hätte vermutlich ebenfalls versucht etwas gegen das Leid in den Distrikten zu tun. Wenn ich nur gewusst hätte wie?
Nachdem wir auch den Nachtisch verspeist haben, gehen wir in den Salon und sehen uns die Eröffnungsfeier an. Die anderen Tribute sahen einfach umwerfend aus. Im Vergleich dazu waren Fevaric und ich wirklich langweilig. Als ich mir das Hemd ausgezogen habe, wurde ich, beziehungswiese meine Brust, in Großaufnahme gezeigt, wobei ich am liebsten im Erdboden versunken wäre.
Glücklicherweise schaltet die Kamera schnell wieder um, allerdings zeigt sie das Mädchen aus zehn, das grade von ihrem Mittribut in die Höhe gehoben wird. Das lässt die Wut wieder in mir aufsteigen, aber sie flaut recht schnell wieder ab, als mein Sprung vom Wagen in Großaufnahme gezeigt wird – zusammen mit der Aufmerksamkeit, die ich dafür erhalte.
Als die Eröffnungsfeier vorbei ist, verziehe ich mich in mein Zimmer.
Ich bin müde und ausgelaugt. Aber trotzdem kann ich noch lange nicht einschlafen. Ich liege wach in meinem Bett und denke an Jove wie er mir die Kette gegeben hat, an meine Mutter wie sie erschöpft vom Tag auf dem Markt nach Hause kommt, an Jove, an unseren allerersten Kuss im Wald, an meinen Bruder mit vor Freude glänzenden Augen, als ich ihm ein paar Kampftechniken beibringe und wieder an Jove wie er mich liebevoll anlächelt. Ich werde tief traurig. Nie wieder werde ich dieses Lächeln sehen! Nie, nie wieder!
Ich denke an den vielen Spaß, den ich mit meinen Freundinnen gehabt habe, wie wir über jede Kleinigkeit lachten, ich denke an den Rest meiner Familie, meine Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins, wie wir zusammen Weinachten gefeiert haben.
Dann muss ich wieder an Mom und Terro denken, wie sie mir tot traurig lebe wohl sagten, an die verquollenen Gesichter meiner Freunde, die vor Tränen kaum ein Wort zustande brachten und an meine angehörigen, denen es genauso ging. Was dazwischen aber immer wieder vor meinem inneren Auge erscheint ist Joves verzweifeltes Gesicht, als mein Name verkündet wird, zusammen mit seinem Schrei, der immer wieder in meinem Kopf wiederhallt.
Unruhig werfe ich mich in meinem Bett von der einen Seite auf die andere.
Ich frage mich was Jove wohl gedacht hat, als die Kameras meinen halb nackten Körper in Großaufnahme filmten. Ob er die Eröffnungsfeier überhaupt gesehen hat? Vielleicht wäre es einfach zu schrecklich für ihn gewesen. Ich würde es verstehen! Aber es wäre toll für mich, wenn er wenigstens das Interview sehen würde! Aber was rede ich denn da, natürlich sieht er alles! Oder doch nicht?
Ich denke an unseren letzten Kuss. Ich habe ihn so intensiv in Erinnerung, dass ich sogar noch seinen Geruch in der Nase habe, das Gefühl seiner Lippen auf den meinen und seiner Arme um meinen Körper.
Mit meinem Kissen im Arm und dem Gesicht darin versunken, als würde es Jove ein kleines bisschen ersetzen, schlafe ich endlich nach einer Ewigkeit ein.
Diese Nacht schlafe ich schlecht. Unruhig werfe ich mich herum und werde von Albträumen geschüttelt, in denen Jove mit mir in die Arena muss und grausam von einem Karriero (der aussieht, wie Präsident Snow) zerfleischt wird, während ich daneben stehe, und mich keinen Millimeter bewegen kann.
In einem anderen Traum sitze ich auf der Bühne, auf der das Interview stattfinden wird und bringe kein Wort heraus, während die Kapitol Bewohner und Zuschauer in den Distrikten mich auslachen.
Unten am Bühnenrand steht Jove und hält ein Mädchen im Arm. Er beugt sich zu ihr herunter und flüstert ihr etwas ins Ohr, woraufhin sie blöd kichert. Er schaut herablassend zu mir herauf und ruft: „Du dachtest doch nicht ernsthaft, dass ich auf dich warten würde! Wieso sollte ich darauf setzen, dass du zurückkommst? Es gibt noch so viele andere, und ich könnte sie alle haben, wieso sollte ich dann ausgerechnet auf dich warten?"
Die Bühne verschwindet und stattdessen stehen viele superschöne Mädchen hinter mir, die alle versuchen an Jove heranzukommen. Da hebt das Mädchen neben ihm den Kopf und grinst mich an, es ist das Mädchen aus Distrikt 10!
Schreiend wache ich auf. Ich bin schweißgebadet. Die Decke klebt an meinem Körper und ich liege neben dem Bett.
Ich packe sie und pfeffere sie zurück auf das große Bett. Dann lege ich mich wieder hin und versuche wieder einzuschlafen, aber ich muss immer wieder an die Träume denken, die ich gehabt habe.
Kann das Mädchen aus Distrikt 10 mir wirklich eine Konkurrenz sein? Sie kennt Jove ja nicht einmal, sie weiß wahrscheinlich auch gar nicht, dass ich einen Freund habe!
Wütend schlage ich auf mein Kissen ein. Wieso muss ich auch immer so einen Blödsinn träumen?
Gut... ich kann sie nicht leiden... sie hat mir die Show gestohlen, mit einer einfachen Bewegung, aber deshalb muss sie ja noch lange nicht gewinnen – was bedeuten würde, dass sie Jove nie zu Gesicht bekommen würde. Wer weiß? Vielleicht hat sie ja auch schon einen Freund?
Ich versuche wieder einzuschlafen, aber es gelingt mir nicht. Darum liege ich wach in meinem Bett, bis ich höre, wie die Avoxe beginnen den Frühstückstisch zu decken.
Daraufhin stehe ich auf, verschwinde ins Bad und stelle mich in die Dusche. Ein paar Peelings werden ausprobiert und ein Shampoo, das mich vom Geruch her ein wenig an die Seife von zu Hause erinnert.
Als ich aus dem Bad komme hängen schon ein paar Kleider an meinem Schrank. Ein Schlichtes Schwarzes Top und eine Lange, gemütliche und elastische Hose. Dazu ein paar Schuhe, die für das Training, das die nächsten Tage ansteht, perfekt sind.
Ich binde meine Haare zu meinem üblichen Knoten und gehe zum Frühstück.
Als ich ins Essenszimmer komme sitzt Carabean bereits am Tisch. Ich setze mich neben sie, da ich mir vorgenommen habe, mich bei ihr wieder beliebter zu machen, um vielleicht mehr Sponsorengeschenke als Fevaric in die Arena geschickt zu bekommen. Allerdings bedeutet das, dass ich von nun an auch zu Fevaric etwas netter sein muss, aber damit kann ich ein paar Tage auskommen.
„Guten Morgen!", sage ich also freundlich zu ihr. Sie sieht mich ein wenig überrascht an, als dächte sie etwas wie: Die kann bestimmt nur schlecht gelaunt sein! Ruft dann aber überheblich: „Guten Morgen Linnet! Hast du gut geschlafen? Also ich schlafe in diesen Betten immer vorzüglich! Ich frage mich, wie ihr das in eurem Distrikt nur aushaltet! Die sind doch so hart und unbequem! Ich musste einen Nacht in einen von ihnen verbringen, ich sage dir, ich habe kein Auge zugetan!"
„Ich habe super gut geschlafen, danke", sage ich um Carabean nicht zu kränken. (Ich hoffe meine Augenringe sind nicht zu schlimm!) „und was die Betten in meinem Distrikt angeht, das ist Gewöhnungs-Sache! Ich habe mein ganzes Leben lang in diesen Betten verbracht, ich kannte bis vor der Ernte nichts Besseres!" Mein Gott, ich rede mit meiner Managerin über Betten! „Könnte ich die Brötchen bekommen bitte?"
Sie reicht mir den Korb und ich beschmiere es mir dick mit einer Erdnusscreme. Gerade belade ich mir meinen Teller mit Rühreiern und Speck, da kommt Fevaric gähnend herein. Ich bin erleichtert, als ich sehe, dass er nicht dieselben Sachen anhat, wie ich.
Er setzt sich uns gegenüber hin und schiebt sich das letzte Brötchen laut schmatzend in den Mund. Ich verkneife mir einen Kommentar und frage Carabean stattdessen, was wir beim Training beachten sollen.
„Ach, probiert aus, was ihr besonders gut könnt und baut darauf auf! Eine Waffe solltet ihr auf jeden Fall beherrschen! Aber vergesst das Überlebenstraining nicht, also Feuer machen, Fallen stellen und so etwas!", meint sie.
Ich nicke zustimmend. Das klingt vernünftig!
Lyra Centaury
Sonnenstrahlen kitzeln auf meiner Haut. Warmer, minziger Atem haucht auf meine Schulter. Llucah schläft neben mir, gestern Abend schlich er sich zu mir und wir schliefen sanft umschlungen ein. Er sieht so friedlich aus und so mild. Jünger, wie damals als wir uns zum ersten Mal trafen.
Leuchtend rote Ziffern in der Wand gegenüber unserem Bett, teilen mir die Uhrzeit mit: 7:30 Uhr.
Der Schlaf auf dieser Matratze neben meinem Freund war reichhaltig, der vorherige Tag war aber ein langer und aufwühlender gewesen und die Müdigkeit packt mich wieder. Um Zehn wird das Training in der Trainingshalle beginnen, wo wir uns für die Arena wappnen können. Also werfe ich die gelbe Bettdecke zur Seite und husche über den Flur in die Dusche. Mal wieder habe ich nichts an.
Unsere Service-Typies, die, wie ich nun weiß, Avoxe genannt werden, bereiten das Frühstück zu.
Während das angenehme Wasser an mir herunter rinnt, drücke ich irgendwelche Knöpfe, um heraus zu finden was passiert, bis die Temperatur zu heiß und dann zu kalt ist.
Da ich es nicht wieder auf eine angenehme Wärme bekomme und plötzlich auch noch Unmengen an Schaum heraus sprudeln, gebe ich es auf.
Ohne mich auch nur in ein Handtuch zu wickeln, hüpfe ich zurück in mein Zimmer mit den Cremefarbenen Tapeten und den dunklen Möbeln. Jedes Detail harmoniert mit dem Raum. Vorsichtig küsse ich Llucah wach.
Wir ziehen unsere Trainingskleidung über und begeben uns zum Frühstück. Amiur sitzt schon am riesigen Tisch und verspeist Grießbrei mit Sahne auf Gebäck. Wir nehmen bei ihm Platz.
"Guten Morgen", kaut er mit vollem Mund. Den wünschen wir ihm auch.
Ramith, die ein wie immer ein langärmliges Oberteil trägt, gesellt sich zu uns. Fette Augenringe verraten, dass sie total übermüdet ist.
"Schön, dass ihr schon wach seid. Dann können wir nämlich gleich beginnen unsere weitere Taktik zu besprechen". Anscheinend hat sie letzte Nacht keinen Schlaf gefunden, denn sie klingt genervt und die gestrige Begeisterung ist gewichen.
"Wir wünschen dir auch einen wundervollen Morgen", meint Llucah sarkastisch.
Sie stößt einen verächtlichen Laut aus, und beißt in eine Frucht.
"Dann lass mal hören", locke ich sie freundlich aus ihrer Reserve.
Sie kommt ohne jegliche Umschweife zum Punkt: "Beim Training haltet ihr so gut es möglich ist eure Stärken geheim. Keiner gibt mit ihnen an. Verstanden? Geht an Stationen, die eher unbeliebt sind, wo euch keiner beachtet."
"Aber Ramith, wir müssen dringend ausgiebig trainieren. Mit Kämpfen haben wir keinerlei Erfahrung. In der Arena wären wir aufgeschmissen!"
"Llucah, rede mir doch nicht in meine Entscheidungen hinein. Glaub mir ich weiß was ich tue. Ich habe schon dreiundzwanzig Jahre lang die Tribute aus eurem Distrikt unterstützt."
"Warum hat außer dir denn keiner mehr gewonnen?"
Warnend stoße ich unter dem Tisch mit meinem Knie gegen seines.
"Sag mal! Damals hatte ich keinen Mentor, der mir geholfen hat. Ich musste mir alleine eine Strategie ausdenken. Ich musste mir alleine helfen und allein dadurch. Also sei froh, dass ich mich um euch kümmere und eine Taktik zusammenstelle."
Wenn man diese Frau so gereizt und hitzig erlebt, fühlt man sich wie ein Geisteskranker, denkt man daran, wie sie gestern war.
Zu allem Überfluss muss Llucah ihr mitten ins Gesicht sagen: "Unter diesen Umständen hätte ich lieber auf einen Mentor verzichtet, wenn der darauf bedacht ist mich schon am Füllhorn untergehen zu sehen."
Jetzt war es genug.
"Mensch, was seid ihr denn alle so gereizt. Llucah es reicht. Streu doch nicht auch noch Salz in die Wunde."
Es war ein Versuch von mir Llucah, auch Ramith, milder zu stimmen, das ging aber gewaltig nach hinten los.
Die Gesichtszüge der farbigen, sonst so überschwänglichen, Frau entgleisen. Mit offenem Mund und aufgerissenen Augen starrt sie mich an.
Eisernes Schweigen. Was habe ich falsches gesagt?
Ihre Hände klammern sich zitternd um das Besteck und ihre dunklen Knöchel treten weiß hervor. Tut mir Leid, will ich sagen doch sie springt auf, stößt den Stuhl um und stürmt davon. Ich bin drauf und dran ihr hinterher zu sprinten, bin jedoch unfähig mich zu rühren. Nebel staut sich in meinem Hirn.
Selbst Amiur der sonst über alles Bescheid weiß, ist nicht in der Lage irgendwas zu sagen.
Lange Zeit widmen wir uns nur still unserem Essen und Llucahs Blick ist schuldbewusst und geknirscht. Auch Llucah kenne ich gar nicht so aufbrausend. Es kommt mir als wäre mein Leben ausgetauscht worden. Alles ist anders. Es macht mir einfach Angst, die Menschen, welche ich schon lange kenne, zu sehen als wären sie Fremde. Gerade kennengelernt. Hallo wer bist du? - Hey, ich bin Llucah! Kennen wir uns?
Um das Thema zu wechseln, fragt Llucah Amiur was er denn von Verbündeten in der Arena hielte und er macht mir weiß, ich solle mich ran halten, weil sonst alle schon einem Bündnis zugehören. Ich solle mich einfach ein wenig bemühen. Und er spricht mein flegelhaftes Verhalten gegenüber Machado und Folha an. Dass er davon kaum Ahnung hat und das normalerweise Ramiths Themengebiet, ist verschweigt er.
Linnet Silene
Nach dem Frühstück müssen wir bis kurz vor zehn Uhr warten. Dann treffen wir uns am Aufzug.
Die Fahrt nach unten in die riesige Halle, in der das Training stattfindet, dauert trotz der Strecke nicht lange.
Im zehnten Stock müssen wir kurz anhalten, denn die beiden Tribute aus eben diesem Distrikt steigen zu uns. Ausgerechnet die!
Ich bleibe an meinem Platz in der Mitte des Fahrstuhls stehen und ignoriere die Beiden einfach.
Wir setzen uns wieder in Bewegung und das Mädchen klammert sich an den Wänden fest, als hätte sie Angst, dass wir gleich abstürzen!
Ich sehe sie verächtlich an. Was für ein Weichei! Sie ähnelt kein bisschen der jungen Kämpferin, die ich bei der Ernte gesehen habe. Diese hier ist einfach nur der größte Angsthase, der mir je unter gekommen ist! Gut mir ist auch nicht ganz wohl in diesem Ding, aber gleich solch eine Panik zu bekommen ist wirklich übertrieben!
Als wir an der Wohnung von Distrikt sieben vorbeifahren ruckelt der Fahrstuhl plötzlich ein bisschen und das Mädchen stolpert gegen mich und klammert sich an meinem Arm fest.
Das ist zu viel für mich, ich stoße ihr fest meinen Ellenbogen in die Seite, sie sackt keuchend auf den Boden des Fahrstuhls zusammen. Sofort steht ihr Mittribut zwischen ihr und mir. Er stößt mich hart zurück. Darauf bin ich nicht vorbereitet gewesen und so werde ich an die Wand geschleudert und falle hin, doch ich rappele mich sofort wieder auf.
„Was soll das!?", ruft er. „Sie hat dir nichts getan!" Der Typ beugt sich fürsorglich über das Mädchen. Und murmelt irgendetwas, woraufhin sie nickt.
Ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch. „Was interessiert dich das, wie es der da (ich nicke in die Richtung des Mädchens, das sich wieder ein kleines bisschen aufrichtet) geht?"
„Die da ist meine Freundin! Okay? Deshalb musst du zuerst an mir vorbei, um an sie heran zu kommen!"
„Oh wie süß! Und warum bitteschön kümmerst du dich nicht um sie, wenn sie doch ach so große Angst vor Fahrstühlen hat, dass sie sich sogar an wildfremden Leuten festhalten muss, um nicht gleich los zu flennen?", antworte ich gereizt. Die beiden gehen mir jetzt schon auf die Nerven. Ich nehme mir vor, sie gleich nach Fevaric umzubringen, wenn wir in der Arena sind.
In diesem Moment öffnen sich die Türen, wir sind ich der Trainingshalle angekommen.
Ich stürme als erste aus dem Fahrstuhl.
Wir sind sehr Zeitig aufgebrochen und so sind wir mit die ersten.
Mir wird ein Stofffetzen mit einer riesigen zwölf darauf, auf den Rücken geheftet. Ich setze mich zu den anderen zwei Tributen, die schon da sind (die aus 6 laut ihren Nummern). Neben ihnen steht eine schlaksige Blondine mit kurzen Haaren, die Cheftrainerin Alana. Der Typ aus zehn lotst seine Freundin auf zwei Plätze möglichst weit weg von mir, was mir nur grade recht kommt.
Nach und nach trudeln die anderen Tribute ein. Die Karrieros sind wieder Muskulös und kräftig, wie in den letzten Jahren.
Alana beginnt das Training pünktlich um Zehn, als alle Tribute da sind.
„Zu allererst die wichtigste Regel: Ihr kämpft hier nicht mit den anderen Tributen! Wenn ihr Zweikämpfe üben wollt, dann stehen euch Trainer aus dem Kapitol zur Verfügung!
Dann solltet ihr auch das Überlebenstraining beachten, denn wenn ihr nichts zu Trinken habt, bringt euch auch die stärkste Waffe nichts, sie bringt euch genauso wenig, wenn ihr erfriert, weil ihr kein Feuer machen könnt!
Meistens sterben in den Hungerspielen 10 Prozent der Tribute an Infektionen, 20 Prozent an Wassermangel! Eure Natürliche Umgebung in der Arena kann noch tödlicher sein, als die anderen Tribute, oder die wilden Tiere!
Denkt daran! Und jetzt los!" Sie Pfeift und wir verteilen uns an die Stationen.
Lyra Centaury
"Du weißt ja, wie ich zu Fahrstühlen stehe. Aber das ist normal. Mach dir keinen Kopf", versichere ich meinem Freund – beinahe genervt – der mich sonst verhätscheln würde.
Die Fahrstuhltüren öffnen sich und wir steigen zu einem Mädchen. Es ist Linnet Silene. Als sich der Raum in Bewegung setzt, packt mich wieder diese komische Panik und ich bekomme Platzangst.
An den Wänden sind keine Halterungen an denen ich mich festhalten und sicherer fühlen würde. Nur kaltes Metall an denen ich schwitzige Handabdrücke hinterlasse.
Linnet macht sich hoffentlich nicht über mich lustig. Kennt man in Distrikt 12 Fahrstühle? Auf einmal ruckelt der Fahrstuhl leicht. Nein, wir stürzen ab!
Von allen Sinnen klammere ich mich an dem Arm von Silene fest.
Was das für Ängste sind, kann ich nicht sagen. Sie sind da obwohl ich nun weiß, dass ich in dieser hochwertigen Technik sicher bin. Das muss aber noch lange nicht bedeuten, dass ich mich auch so fühle.
Bevor ich mitkriege was passiert liege ich mit einem stechenden Schmerz in der Magengrube auf dem Boden. Mit meinem Kopf habe ich die Wand gestreift.
Ein dumpfer Schlag und Llucahs brüllende Stimme.
Er beugt sich zu mir, streichelt mir über meine Haare.
"Geht es dir gut? Alles in Ordnung? Ist wirklich alles okay?"
Ich nicke eifrig. Es ist nichts passiert. Um ihm das zu demonstrieren stehe ich auf.
Llucah und Linnet werfen sich noch giftige Wörter an den Kopf, bis die Türen sich öffnen und wir in der Trainingshalle halten. Linnet stürmt hinaus.
Sofort verschwindet Linnet gleich als aller Erste zu der Fallenstation. Wir folgen ihr und lassen uns einen komplizierten Knoten vorführen. Offenbar findet Linnet diese Station unnötig und verlässt sie. Ich habe mir vorgenommen, wenn ich mich schon verbünden soll, dann mit jemandem mit dem ich will. Linnet hat mich zwar auf zauberhafteste Weise mit ihrem spitzen Ellenbogen bekannt gemacht, was ich nicht für toll heiße, allerdings schließt sie das noch absolut nicht von der Auswahl aus.
Unsere Distrikte waren sich immer schon gute Verbündete. Natürlich nicht alljährlich, aber warum es nicht probieren? Auf jeden Fall werde ich mich bei Machado und Folha entschuldigen und ihnen mein Bündnis anbieten. Llucah brauche ich so und so nicht danach zu fragen. Nun sitzt Linnet vor dem Leiter der Kräuterstation, drei Stationen weiter und hört sich mit mürrischem Blick einen Vortrag an.
Fest entschlossen sie ein wenig auszukundschaften und herauszufinden, ob mir ihre Stärken irgendeinen Nutzen bringen, ziehe ich Llucah mit und geselle mich zu ihr.
"Hallo. Wie sieht es eigentlich in deinem Distrikt so aus? Ist es schön dort?", versuche ich eine Konversation aufzubauen. Noch sind wir keine Gegner, erst in der Arena. Und nicht einmal da müssten wir es sein, wenn wir uns zusammen tun. Sie atmet einmal tief durch, schaut mich genervt an und lässt uns stehen. Sie steuert die Feuerstation an. "Komm schon", zische ich meinem Freund zu.
"Was willst du denn damit bezwecken?"
"Ich will ihre Stärken erfahren. Und dann will ich sie als Verbündete."
"Aber wieso? Sie hat dir wehgetan."
"Ach Llucah, sie hat mir doch nicht wehgetan. Mir geht's gut, ok? Behandle mich nicht immer wie ein Mädchen."
Es wundert mich, dass er nicht einmal kichert: "Du bist ein Mädchen."
"Mag sein, aber hör einfach auf dir immer Sorgen zu machen und mich zu bevormunden. Du hast doch Amiur gehört. Wir sollen uns Verbündete suchen."
"Dann nimm die aus Distrikt 7. Die sind weniger gewalttätig. Woher kommt überhaupt der plötzliche Sinneswandel? Vor der Parade wolltest du nicht einmal Machado und seine Mit-Tributin ansehen. Und Zuhause hast du mir auch erzählt weshalb du keine Verbündeten willst."
"Ich habe halt darüber nachgedacht."
Er scheint nicht überzeugt, kommt aber mit. Als Schutz oder so.
Linnet versucht ein Feuer zu entflammen, doch ihr will der Funke einfach nicht überspringen. Früher, wenn ich die Ziegen auf die Wiese brachte, machte ich mir ein Feuer und schaute ihnen beim Grasen zu. Mittlerweile könnte ich das schon im Schlaf.
"Ich habe schon oft Feuer gemacht. Ich weiß ein paar Tricks. Kann ich dir helfen?"
Vielleicht bemerkt sie ja auch meine nützlichen Fähigkeiten, und ich brauche sie gar nicht mehr zu fragen, wie sie zu einer Allianz steht. Sie schaut auf. Böse funkeln mich ihre braunen Augen an. Sie richtet sich auf bis wir fast auf Augenhöhe sind.
Und spuckt mir mitten ins Gesicht. "JA!", schreit sie, "indem du mich endlich in Ruhe lässt!"
Llucah springt tollwütig auf sie zu und packt sie am T-Shirt: "Wenn du sie noch einmal anspuckst ... "
"Was ist dann, hä?! Schlägst du mich dann zusammen?!"
Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter und besänftige ihn. Llucah lässt von ihr ab.
Auf ihrer Hacke macht das Mädchen kehrt und stolziert davon.
Ich werde ihr solange hinterher laufen, bis sie normal mit mir spricht. Und da habe ich Durchhaltevermögen. Eine Menge! Dass sie mich so angepöbelt hat, verstärkt Ramiths Strategie, mich wie einen Schwächling da stehen zu lassen.
Dieses Mal lasse ich sie sie sein und widme mich meinen eigenen Angelegenheiten.
Llucah und ich bestreiten nacheinander einen Parcours.
Nach einer Weile, kommt das 12-Mädchen. Doch ich glaube, sie scheint uns nicht zu bemerken. Nur weil sie kommt, werde ich hier aber nicht abhauen. Ganz im Gegenteil. Außerdem ist das hier kein Kinderkram. Von klein an mussten wir erwachsen sein. Für Kinderkram sind wir zu alt.
Wir laufen ungehindert weiter über die Hindernisse.
Ich könnte noch länger aber irgendwann ruft Llucah mich zu sich: "Welche Station jetzt? Wir sollten uns nicht zu lange an einer aufhalten. Sonst fallen wir womöglich noch auf. Das gefällt Ramith bestimmt nicht."
"Widersetzen wir uns ihr einfach. Du hast absolut Recht. Ihre Strategie ist genauso nichtsnutzig und sinnlos, wie ein Kapitolianer auf einem Bauernhof. Es gibt nicht einmal einen triftigen Grund dafür. Wir brauchen Training. Unser Abkommen - welches nicht einmal eins ist - ist hinfällig, schätze ich. Lässt sie uns unvorbereitet in die Arena, begeht sie regelrecht Mord. Die Karrieros sind unberechenbar, deshalb sollten wir so bald wie möglich anfangen zu rechnen."
"Einverstanden."
Wir schließen uns kurz, welche der unzähligen Waffen wir als erstes in Angriff nehmen wollen. "Ich möchte zum Messerwerfen, kommst du nun mit, dann -", jäh erfasst mich eine Wucht von hinten, es ertönt Gelächter. Mein Gesicht prallt gegen etwas Steinhartes. Laut quietsche ich und rutsche grob irgendwo runter.
In meiner Wange breitet sich ein Gefühl von Taubheit aus und hinterlässt ein dumpfes Pochen. Meine Orientierung ist gleich Null und mein Bewusstsein ist nur zu einem Zehntel aktiv.
Schwarze Gestalten, die dem Tod ähneln, spuken vor meinem Auge. Urplötzlich verschwimmt das Bild und höhere Unschärfe als zuvor bereitet mir stärkere Kopfschmerzen. Blumen, die den Duft von Zimt und Männerschweiß versprühen, tanzen vor meiner Nase Salsa. Sie sind so rhythmisch und galant, dass es mich ankackt. Vergebens versuche ich sie mit meinen Pferdehufen zu verscheuchen und kreische verbissen: "IHR SEID DOCH ALLE FLASCHEN!"
Meine aggressiven und abwertenden Worte scheinen diese zwielichtigen Pflanzen zu verärgern und still und heimlich verwandeln sie sich in Milchkannen, die herum flachsen, wie kindische Babys.
Ein flauer Wind weht mir meine Haare vom Kopf, jene sich an den Schopf von Llucahs jüngerer Schwester Ira heften.
Adrie, seine drei Jahre ältere Schwester, die ich auf den Tod nicht ausstehen kann, taucht aus dem Nichts auf, setzt mich auf das Dach des Kapitols und meint höhnisch, sie würde mich erst wieder runter holen, wenn ich artig bin.
Kein blassen Schimmer, was hier abgeht, aber das ist nicht mehr normal.
Dass auch noch ein Schwein mit rotbraunen Haaren sich über mich beugt, bringt das Fass zum überlaufen und mich aus meinem sowieso schon lädierten Konzept.
Das Tier schnauft und rotzt mir in mein Gesicht.
"Du Schwein!", blöke ich es entgeistert an, "Ich bringe dich zum Schlachter, wenn du dich nicht mit mir ordentlich unterhältst! Schlachter!! Schlachter!!!"
Das Bild verändert sich.
Ein alter Mann mit weißem Haar und Augen, die die einer Schlange sein könnten, befindet sich in meiner Sicht. Mein empfindlicher Geruchssinn wird von einem grotesken Mief nach Eisen und Rost beklemmt.
Eindeutig ist mir diese Person schon einmal begegnet. Dieses Gesicht ruft in mir einen Würgereiz hervor. Rosenduft steigt mir in die Nase, umgibt mein Geruchswahrnehmungsorgan sinnlich. Auf das Herz des Mannes wird ein Pfeil gezielt, die Sehne des Bogens ist gespannt. Rigoros und ohne Rücksicht auf meinen nachhängenden Begriff, rieselt es wie ein Rinnsal durch meine Gedanken.
Durch einen Windstoß weht eine Flagge heran, rot-weiß gestreift. Sie beginnt eine mir unbekannte Melodie zu trällern und hält sich den blauen Zipfel an die Stelle, wo bei einem Menschen das Herz säße.
Schrecklich knatschige Dudelsackmusik begleitet sie. Von Hinten nähert sich rasch ein Hurrikan, von den Seiten ein großes Feuer und eine riesige Flutwelle. Diese irreale Vision, wie die Flagge von den Katastrophen heimgesucht wird, ist total irrational, andererseits weitaus realer als der andere Scheiß, den ich in meiner labilen Lage erleiden musste. Vielleicht werde ich jetzt schon geisteskrank bevor ich die Arena betrete. Was für ein Jammer.
Grelles Licht blendet mich als ich schlagartig meine Lider öffne. Nun weiß ich wieder genau was geschehen war, naja so richtig auch nicht. Das einzige was ich weiß ist, dass ich gegen irgendeinen Gegenstand geflogen bin.
Zu meiner Seite hockt ein weiß gekleideter Mann, er packt meinen Arm.
"Nein!", schreie ich als mir bewusst wird was er will, "Nehmen sie die Spritze weg! Ich brauche keine Spritze! Lassen sie mich los!"
Geschickt wende ich mich aus seinem Griff und springe auf. Der Typ kommt dennoch näher, und mit voller Kraft trete ich ihm in seine heiligsten Körperteile.
Unbeeindruckt wendet er sich ab.
"Geht es dir gut? Du blutest. Setzt dich auf. Was ist passiert? Was war los?", betüdelt mich Llucah, und ich entgegne: "Das müsstest du doch am besten wissen. Ich konnte nichts sehen."
"Ich rede davon als du ohnmächtig warst."
"Alles gut. Ich war nicht ohnmächtig, ich habe bloß total krankes Zeug geträumt."
"Du hast rumgeschrien."
Er sucht meinen Blickkontakt.
"Was hab ich denn geschrien?"
"'Ihr seid doch alles Flaschen' und 'Schlachter! Schlachter!' hast du geschrien und keiner wusste was das bedeuten sollte und ich war besorgt, also hab ich den Arzt gerufen."
"Es ist alles in Ordnung! Mir geht es gut, ich brauche keinen Arzt, danke", murre ich, trotzdem werde ich rot, weil wahrscheinlich jeder gehört hat was ich für abstrakte Irrungen habe.
Und noch röter, weil mein Freund der Meinung ist mich verlegen machen zu müssen indem er sich das T-Shirt auszieht, um es mir an meine Stirn zu halten.
Ich schiebe es von mir weg, doch als ich das Blut sehe, was sich hinein gesaugt hat, wende ich nichts mehr ein und nehme Llucahs Hilfe diesmal sogar freiwillig an.
Linnet hätte sich gegen mich geworfen, erklärt er mir, sie guckte noch kurz und ist dann abgehauen.
"Ganz ehrlich, das lass ich mir nicht bieten. Ich frage sie jetzt, warum sie das gemacht hat. Hat denn nicht einer der Trainer etwas dagegen eingewendet?"
"Es hat kaum einer gesehen."
"Super, das nennt man kein Kämpfen mit den anderen Tributen. Das ich nicht lache. Ich geh jetzt zu ihr."
"Nein. Nicht alleine! Sag mir, was das bringen soll? Du willst die doch nicht noch immer als Verbündete. Das Mädel ist doch irre im Kopf."
"Das einzige was ich jetzt will, ist wissen warum sie es auf mich abgesehen hat. Zu den anderen ist sie verhältnismäßig nett, mit Ausnahme von mir und dir, wo wir doch am vernünftigsten hier sind."
"Gut stell die zur Rede, aber ich komme mit."
"Nein, kommt nicht in Frage. Das ist ein Gespräch unter Frauen", auf hundertachtzig hochgefahren, lasse ich Llucah stehen und schreite schnellen Schrittes zu Linnet. Als ich sie finde, trainiert sie gerade.
Bevor sie sich wehren kann, schleife ich sie in eine Ecke. Wir starren uns erwartungsvoll an, ihre Augenbrauen zusammen gezogen. Hoffentlich ist sie verwundert darüber, dass ich immer noch nicht aufgegeben habe. Ihr immer wieder nachlaufe.
"Was willst du von mir?", schnauzt sie.
"Falsche Frage. Richtige Frage: Was willst du von mir?"
"Gar nichts. Du sollst mich in Ruhe lassen. Ich habe kein Bock mit dir zu reden!"
"Tust du doch gerade."
Beleidigt schaut sie weg. Nein, bloß beschämt über ihre eigene Dummheit.
"Was sollte das eben? Gibt es einen Grund mich zu rammen? Nur weil wir Konkurrentinnen sind?"
"Verpiss dich!", gibt sie mir deutlich mit zusammen gebissenen Zähnen zu verstehen und verpisst sich dann selber.
Na das war ja äußerst produktiv! Muss ich zugeben!
Gut gemacht! Lob, Lob, Lob!
Aber da Eigenlob ja bekanntlich stinkt, finde ich mich wieder zu meinem Freund. Ich muss lachen, weil Linnets Wut einfach zum Lachen ist. Man muss sich ja nicht lieben und um den Hals fallen, doch sich von Anfang an zu hassen ist noch übertriebener. Trotzdem bin ich noch immer genervt von der Fürsorge meines Freundes. Er war schon immer fürsorglich, aber im Moment bringt es mich auf die Palme.
Das Mittagessen wird angekündigt und wir schlendern Hand in Hand zu dem Tisch an dem die gesamte Versammlung speist. Wobei die Karrieros meistens ihren eigenen Tisch bilden an dem nur die Dazugehörigen sitzen dürfen. Als wenn ich mich freiwillig dazusetzen würde!
Auch die anderen verteilen sich in Grüppchen und vertilgen ihr Gericht.
Köstlich wie immer zergeht das Essen auf meiner Zunge. Himmlisch und sättigend.
Aus meinem Augenwinkel sehe ich rotbraune Haare. Linnet hockt missmutig in einer Ecke.
Da ich ihn gerade nicht wirklich dabei haben will, ziehe ich meine Hand aus dem Griff meines Mannes und gehe voran. Natürlich zu Linnet. Mit meinem Teller schief in der Hand und das Essen fast runter rutschend, ziehe ich einen Stuhl heran, und nehme wie selbstverständlich Platz.
Rückblick: Durchhaltevermögen!
Llucah folgt mir wie ein Hund. Und Distrikt 12, wieder ohne das Problem mit mir aus zu diskutieren, rennt sie davon. Ich vergesse, glaube ich, des Öfteren, dass ich nun nicht mehr zu Hause bin, sie mich nichts angeht und dass sowieso alle verfeindet sind.
Wenn ich mich aber nicht irre, dann ... ich traue meinen Ohren nicht, sie weint. Eine einsame Träne rinnt ihre Wange hinunter. Warum weint sie denn nun? Ist das Essen so ekelhaft? Oder so psychisch angeschlagen von meiner Standpauke? Oder doch schlimmer? Sind es Llucah und ich, das Liebespaar? An wen wird sie erinnert wenn sie uns Arm in Arm, Hand in Hand erblickt? Ich meine, sie ist auch ein Mädchen, auch wenn ich sie nicht kenne und sie aus einem anderen Distrikt stammt, bemerke ich dennoch was sich in ihrem Verhalten für Gefühle widerspiegeln. Gefühle, die auch ich verspüre. Sehnsucht.
Nach der Familie oder dem Freund, was weiß ich. Ich würde sie fragen und trösten, wenn sie mich ließe. Ich würde ihr sagen, dass es mir genauso geht und dass sie nicht alleine ist, aber ich weiß im Vorfeld schon, dass das auf Ablehnung treffen wird.
"Pass auf!"
Ich erwache aus meinen Tagträumen und rette meine Sauce noch bevor sie auf Llucahs Hose tropft.
"Hab' gerad' nicht aufgepasst."
"Lass sie doch einfach. Es ist total Nerven aufreibend, dass wir ihr die ganze Zeit auflauern müssen und sie uns dann immer wieder zurückweist. Dieses dumme Mädchen geht mir so was von am Arsch vorbei. Wir sind alle Tribute. Sie hasst uns ich hasse sie, ist doch alles im Gleichgewicht. Da muss man doch nichts umstoßen, nur damit man danach von einer Lawine begraben wird. Wir müssen sie bald sowieso töten, da gibt es kein Wenn und Aber, wenn wir hier raus wollen."
"Wenn du hier raus willst."
Ich erhebe mich. Diese Sache hier tut unserer Beziehung nicht so gut und ich beschließe heute erst einmal ohne meinen Freund zu trainieren. Seit wir hier sind habe ich so ein beklemmendes, eingeengtes Gefühl. Llucah, so viel er auch versucht, macht es einfach nicht besser. Egal was er macht, eine Gereiztheit kommt jedes Mal auf, wenn wir zusammen sind. Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir auf, dass ich es
Mit diesem Gedanken kochen meine Sehnsucht und mein Wunsch nach Friede wie in meinem Zuhause noch höher. Seine Einstellung zu den anderen Tributen stößt bei mir auf Missfallen, denn ich kann es einfach nicht akzeptieren, dass wir darauf gedrillt werden uns alle zu hassen und zu verschmähen. Wir sollen uns umbringen, aber genau das will ich nicht! Ich will nicht töten, aber anscheinend wird es von mir erwartet, sogar von Llucah. Vielleicht meinte er es gar nicht so, aber ich bin echt sauer auf ihn. 'Wir müssen sie bald sowieso töten, da gibt es kein Wenn und Aber, wenn wir hier raus wollen.' Nein! Müssen wir nicht! Muss ich nicht! Wenn das der Preis ist, zu einem Monster zu werden, dass ich da herauskomme, dann ist es mir das nicht wert.
Aber wieder wird mir das Leben schwer gemacht.
Mir kam gerade eine nicht - wie soll man sagen - ausgeschlossene Idee, die mir zwar mein Herz ausreißen wird, aber früher oder später würde es sowieso dazu kommen. Wäre es kaltherzig und selbstsüchtig von mir, oder einfach bloß nichts Geringeres als ein humaner Schutzmechanismus? Würde mich das nicht schon vor der Arena in den Ruin stürzen? Ich kenne die Antwort. Ich muss trotzdem überlegen diese Alternative in Erwägung zu ziehen. Entweder entscheide ich mich nun für den Weg der selbstsüchtig ist, aber beinhaltet, dass ich womöglich am Leben bleibe. Oder der, welcher mich umkommen lässt, doch aber an der Liebe festhält.
Wofür ich mich auch entscheide, es wird immer der falsche Weg sein. Ich könnte Llucah unterstützen, dass er eine reelle Chance hat, wieder nach Hause zurück zu kehren. Für ihn und seine Familie würde ich mein Leben opfern. Allerdings stelle ich mir die Frage, ob er damit glücklich wäre, wenn ich ihm nicht mehr seine Hand drücke, wenn er darüber trauert, dass er nun gewonnen hat und nicht ich. Schuldgefühle würden ihn heimsuchen und plagen.
Die andere Möglichkeit stellt die Tatsache dar, selbst versuchen zu gewinnen. Ich beende unsere Beziehung, werde mich von ihm lossagen. Es würde mir helfen ihn zu vergessen. Mir würde sein Tot immer noch mein Herz zerfetzen, wenn ich aber immer noch seine Freundin wäre würde ich sofort mit ihm sterben. In einem Atemstoß. Jedoch würde ich ihn auch dann verletzten. Wie ein Teufelskreis.
Jetzt bin ich verwirrt. Ich hätte nie auf diese beschissene Idee kommen dürfen. Meine Gefühle für Llucah sind unverändert, das Kapitol soll aber keine Chance bekommen, unsere Beziehung zu zerstören. Deswegen beende ich sie lieber selbst, andererseits sollen diese Spiele mich nicht dazu treiben, dass ich so weit gehe. Aber alles zu beenden, würde Llucah auch zugute kommen. Wenn er mit mir abgeschlossen hat, könnte er gewinnen ohne Schuldgefühle.
Gerade jetzt brauche ich Rat. Doch wer kann ihn mir geben?
Das Training zieht sich und ich bin nicht bei der Sache. Mir bereitet dieser Druck Kopfschmerzen.
Spontan verlasse ich den Raum und mache mich auf, in mein Apartment.
Vielleicht sollten wir beide nicht versuchen hier jemals wieder heraus zu kommen.
Keiner könnte ohne den Anderen sich seiner Heimkehr beglückwünschen oder sich gar daran erfreuen. Wir sind eins, reißt man uns entzwei, lebt man nur zur Hälfte.
Zusammen lassen wir uns als die beiden Ersten abmetzeln. Das Leid der Kinder, ihre verbluteten Körper und die verstümmelte Seele der noch Lebenden, könnten uns nicht mehr erreichen. Dazu passt sogar Ramiths verquere Taktik.
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Sou... das wars auch schon wieder für heute ^^
Natürlich würden wir uns (wie immer) echt mega über ein Review freuen, das motiviert echt!
Und sei es nur ein kleines "Das ist scheiße" xD Wir wüssten halt echt gern, wie ihr unsere Geschichte so findet ;)
Lg Lin
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Die Tribute von Panem - Das erste Jubeljubiläum
FanfictionDrei Tribute - drei Schicksale. In Panem beginnen die 25. Hungerspiele, das allererste Jubel-Jubiläum! Die Spiele sind grausamer, das Kapitol gnadenloser, es kann nur einer gewinnen! Und Lyra, Linnet und Shadow stecken mitten drin.