Erwachen

8 0 0
                                    

  Linnet Silene

„Linnet! Alles in Ordnung mit dir?", dringt eine Stimme zu mir durch. Sie ist mir wenig bekannt. Vielleicht die Stimme eines Toten, der mich in seinem Reich begrüßt? Aber wo ist Jove? Warum ist er nicht da? War er nicht eben noch neben mir? Ich sehe ihn nicht. Ich sehe gar nichts!
„Linnet?"
Wieder diese Stimme aus der Dunkelheit. Wem gehört sie?!
„Tut dir etwas weh?"
Ähm... wieso sollte mir etwas weh-?
AUA! Was ist das? Warum Schmerzt mein Kopf denn jetzt so? Ich dachte, wenn man tot ist, hat man keine Schmerzen mehr!
Ich stöhne auf. Da hab ich mich wohl gründlich getäuscht!
„Linnet!", die Stimme klingt nun näher, hallt aber höllisch in meinem Kopf und bringt ihn beinahe zum Bersten. Am liebsten würde ich aufschreien, doch meine Stimme gehorcht mir nicht.
Moment mal. Ich habe einen Kopf, sonst könnte dieser nicht wehtun! Und das würde bedeuten, dass ich Augen habe, die es zu öffnen gilt.
Deshalb ist es hier so dunkel – weil Ich Dummkopf meine Augen zu habe!
Meine Lieder flattern.
Es ist dunkler, als erwartet, doch heller, als in der Dunkelheit.
Langsam erkennen meine Augen die Umrisse eines Blätterdachs über mir. Sehr schön! Wald. Ich liebe Wald!
Zwischen den Ästen scheint ein zur hälfte gefüllter Mond hindurch. Sein Licht ist nicht hell, doch brennt es mir in den Augen. Neben mir sitzt eine Person.
„Linnet, wie schön, dass du wieder bei Bewusstsein bist!", sagt sie. Es ist dieselbe Stimme, wie die, die in der Dunkelheit schon mit mir geredet hat und ihr Klang dröhnt nicht minder in meinen Ohren.
Die Person beugt sich über mich. Sie kommt mir bekannt vor!
Es ist – „Gin! Hat er dich also auch erledigt!", murmele ich.
Sie sieht mich verständnislos an.
„Wieso?"
„Weil du hier bist!", antworte ich. „Und könntest du bitte flüstern? Irgendwie tut jedes Geräusch weh!", füge ich noch hinzu.
„Ähm... Linnet, ich bin nicht tot!", sagt sie flüsternd.
Nun ist es an mir verständnislos zu gucken.
„Aber ... der Junge..."
In diesem Moment ertönt ein Schuss. Er hallt schlimmer nach, als Gins Stimme. Ich stöhne auf.
„Na endlich! Wurde aber auch Zeit!", meint sie.
„Hä? Was ist passiert? Warum bin ich nicht tot?"
„Wolltest du so gern tot sein?", fragt sie mit einem sarkastischen Unterton. „Also da könnte ich dir ja sonst helfen!" Sie grinst.
„Nein!", protestiere ich.
„Als der Junge mich zur Seite geschubst hat, wusste ich sofort, dass er in mir keine Gefahr sah. Liegt wahrscheinlich an meiner niedrigen Punktzahl! Er hatte es auf dich abgesehen!", beginnt sie zu erzählen. „Ich habe mich sofort wieder aufgerappelt und das Messer geworfen. Der Typ ist vornüber gefallen, glücklicherweise hat dich die Klinge nicht getroffen, aber der Griff des Schwertes scheint mit ziemlicher Kraft deine Schläfe getroffen zu haben! Jedenfalls warst du dann für einige Minuten weg. Ich dachte schon, du wärst tot!"
Daher also die irren Kopfschmerzen!
„Danke Gin!", bedanke ich mich. Ohne ihre Hilfe wäre ich jetzt wirklich tot!
Allerdings habe ich nun ein deutliches Problem, denn als ich versuche mich aufzusetzen stellt sich mein Kopf quer und die Welt beginnt sich um mich herum zu drehen, während ein irrer Schmerz durch meinen Schädel jagt, der mich sofort wieder auf den Boden zwingt.
Ich stöhne auf. Mit solchen Kopfschmerzen bin ich leichte Beute für die anderen. Ich kann mich kaum bewegen, geschweige denn fliehen, oder mich verteidigen! Zu allem Überfluss wird mir nun auch noch spei übel!
Vermutlich habe ich eine Gehirnerschütterung. Na super! Kann ich jetzt auch so was von gut gebrauchen!
Ich hatte so etwas schon einmal. Damals war ich noch kleiner und bin von einem Baum gefallen, von dem ich versucht habe Äpfel zu pflücken.
Immerhin weiß ich so, was ich tun muss, allerdings ist das Heilmittel in der Arena nicht sonderlich förderlich. Ausruhen, keine Anstrengungen und so viel Schlafen, wie nur möglich!
Lustig!!
Wo, bitteschön, kann ich mich ausruhen, tagelang, ohne angegriffen zu werden!?
Gut, der Baumstamm wäre eine Möglichkeit, allerdings könnte den Spielemachern einfallen einen Waldbrand zu legen, oder Mutationen zu schicken! Mit einem einzelnen Tribut würde Gin zur Not ja noch fertig werden, aber die Karrieros wären schon unpraktisch!
Zum Glück habe ich so viel Nahrung vom Füllhorn mitgenommen und wir sind nicht allzu weit vom Fluss entfernt!
Ich versuche trotz des Schmerzes und der Übelkeit aufzustehen, doch es klappt nicht, ich will doch nur in das nun freie Versteck!
Als ich erneut drohe wieder umzukippen packt Gin mich unter den Achseln und stützt mich, als ich mich langsam in Richtung des Baumstammes begebe. Ich versuche nicht zu sehr Grimassen zu schneiden, doch es gelingt mir kaum.
Als wir endlich die paar Meter hinter uns haben bin ich unendlich erleichtert. In dem Baumstamm ist es angenehm dunkel, kaum Licht, das in meinen Augen schmerzt, der Wald ist ruhig, kein Geräusch, das in meinen Ohren hallt.
Nur diese Kopfschmerzen, die mich wünschen lassen, ich wäre wirklich gestorben. Und diese Übelkeit!
Ich musste mich auf dem Weg zum Versteck übergeben.
Der Geschmack hängt immer noch in meinem Mund. Wäre mir nicht schon schlecht, dann würde mir nun schlecht werden.
Gin bleibt den Rest der Nacht am Eingang sitzen und hält Wache. Ich merke es kaum, ich kann zwar nicht wirklich schlafen, doch bin ich viel zu sehr mit meinen Kopfschmerzen beschäftigt, als dass ich auf etwas anderes hätte achten können.


Lyra Centaury

Ein schriller nerviger Piepton in kurzen Abständen belagert mein Gehirn. Es treibt mich an den Rand des Wahnsinns. Es muss endlich aufhören! AUFHÖREN! Mein hyperventilierender Atem schrammt an meinem Rachen vorbei. Nun endlich bin ich erleichtert. Der Piepton ist verschwunden. Jetzt kann ich in Ruhe sterben. Ich fühle mich so aufgeblasen, wie ein Luftballon. Ist das so beim Sterben? Spürt man auch kalte, eisige Finger an seinen Armen? Hat die Schlange mich nun erwischt oder nicht? Wieder ein Biss, diesmal aber nur ganz sanft, an meinem Handgelenk. Ich falle in mich zusammen wie ein staubiger Mehlsack. Kalte Dinge klatschen in mein Gesicht. Abermals und abermals. Als ich die Augen öffne - was ich nur glauben kann, dass ich es tue - ist alles so dunkel als wären sie geschlossen, zumindest für den ersten Moment. Nachdem sich meine Pupillen sich scharf gestellt haben sehe ich über mir eine Person. Sobald ich begreife, schlage ich um mich. Aber eine Stimme, die ich kenne besänftigt mich: "Lyra, bleib ruhig. Bleib ruhig. Ich bin's. Ich töte dich nicht."
Die Stimme klingt wie ein Wabern in meinen Ohren. Merkwürdig verzerrt.
"Lluuucah?", meine Stimme klingt wie besoffen, "Liiinnet?"
"Tut mir leid. Machado. Aus Distrikt sieben."
"Machaaado? Weeer? Wiesooo töödest duuu mich niiich'? Tribude töden sich! Bin leeichde Beudeee. Bin faaast tot."
"Ich will mich mit dir verbünden. Und du bist nicht fast tot! Nicht solange ich hier bin!", antwortet er gelassen.
"Reeed' kein dummes Zeuch! Die Schlange. Hat mich angegriff'n. Mistvieh! Scheiße!"
Der Kerl sagt wieder was: "Hast du gehört? Du bist nicht tot. Du lebst! Du bist am Leben! Und wenn du willst bin ich dein Verbündeter."
Ich verfalle in ein beunruhigendes Gekicher.
"Na gut", gnaffele ich, "aber töde mich nich', ok?"
"Nein. Aber hör auf zu lachen, oder willst du dass man uns hört!?"
"Quatsch! Will ich nich'!", langsam scheine ich wieder zu mir zu kommen und normal zu sprechen.
"Machado, du bist es!", entgegne ich überrascht, als er mir half mich aufzusetzen.
"Ja, scheint so. Machado aus Distrikt sieben, das bin ich", schmunzelt er. Verblüfft schaue ich umher.
"Wo sind wir?", frage ich.
"Im Füllhorn ."
"Im Füllhorn? Direkt im Füllhorn!? Bist du des Wahnsinns!? Wenn jemand kommt sitzen wir in der Falle!", ich bin aufgebracht, da ich mich nur schmerzlichst daran erinnere, wie der Kerl aus Distrikt drei auf mich zukam und ich hier eingesperrt war. Von dem Gemetzel liegt auch noch alles verstreut. Keine Leichen liegen herum, aber alles was diese hier verrichtet haben. Blut eingeschlossen. Sogar die Stelle, wo der Kopf von dem Jungen abgeschleudert wurde, kann man noch haargenau identifizieren. Vor der Stelle vor der ich stehe. Ich versuche nicht mehr hinzugucken.
"Ja, es ging nicht anders. Ich musste dir zuerst das Leben retten!"
"Das hast du?"
"Ja", er schaut mich nachdenklich und bedrückt an.
"Was ist passiert?"
"Also, also, ich saß im Füllhorn, wühlte nach Sachen, plötzlich hörte ich ein panisches Quietschen und Schritte. Ich war voller Angst, weil ich dachte, dass ich nun kämpfen müsste. Doch du kamst den Hügel hinunter und bist direkt vor dem Füllhorn zusammen gebrochen, die Schlange hinter dir. Ich hab dich sofort erkannt und habe der Schlange den Kopf abgehackt", er zeigt auf eine seltsame Silhouette in der noch immer währenden Nacht, "Dann habe ich gesehen, dass du Schlangenbisse am Bein und an der Hand hast, die rasant anschwollen. Die Stellen waren dunkel blau und sie pumpten sich immer doller auf. Es war Gift und ich dachte du platzt im nächsten Augenblick. Ich hatte keine Ahnung was ich anstellen sollte. Es waren erst Sekunden vergangen, da kam schon ein Fallschirm herunter, der-"
"Ein Fallschirm? Was für ein Fallschirm?", unterbreche ich ihn.
"Na ein Sponsorengeschenk."
Ich traue meinen Ohren nicht. Ein Sponsorengeschenk.
"Was war drin? Was war das für ein Geschenk?", ich will alles wissen.
"Es war eine Spritze, eine silberne. Mit einem Gegengift. Auf dem Zettel stand 'Pulsader. R. O'Mara.'. Hier", er drückt mir einen kleinen blauen Zettel in die Hand. Das Geschenk war von Ramith um mich zu retten. Danke! Den Zettel stecke ich in meine Hosentasche.
"Natürlich habe ich die Anweisung gleich befolgt ind es wäre fast zu spät. Deine Wunden waren schon so aufgeblasen wie ein Baumstamm dick ist. Du hast die ganze Zeit gezappelt und um dich geschlagen. Doch das hat das Gegengift schneller in die Blutlaufbahn geschickt. Deshalb hat sich alles sehr schnell abgeflacht, also deine Wunden."
Mein Blick fällt auf meine Hand. Ich drehe sie im Mondlicht um meine Verletzung zu begutachten. Zwei Löcher. mein Handrücken noch immer rot angeschwollen und etwas blutig. Mein Bein erweist sich als schlimmer. Ein ringelförmiger Abdruck ziert mein Bein vom Fuß bis zum Knie. Gebissen hat das Vieh in meine Oberschenkel, der rötlicher ist als meine Hand. Blut klebt daran.
Machado erzählt inzwischen weiter: "Dann hab ich dich hier rein gezerrt. Ich hatte Angst noch jemand könnte kommen. Und dann hab ich versucht dich aus der Bewusstlosigkeit zu kriegen. Und jetzt bist du wach. Du bist ganz schön hartnäckig, junge Dame. Du warst fast nicht wach zu bekommen", schelmisch grinst er mich an. Schon ist er wieder bester Laune.
Ich lächele nicht: "Es kann aber auf keinen Fall eine normale Schlange gewesen sein. Es liegt nicht in der Natur des Tieres, sein Opfer so lange nach zu jagen. Ich danke dir jedenfalls Machado, aus Distrikt sieben. Vielen Dank! Und ich bemühe mich eine gute Verbündete zu sein". Er lächelt.
"Lass uns so viele Sachen vom Füllhorn nehmen, wie wir brauchen und dann verschwinden. Ich brauche -", zum vierten Mal musste ich erbrechen. Und diesmal war sogar Blut dabei.
"Lyra, ist alles in Ordnung?", fragt Machado besorgt.
"Ich weiß nicht. Es geht schon wieder. Kommt gerade öfter vor. Bevor das Biest mich angefallen hat, habe ich schon dreimal gekotzt. Kein Schimmer warum. Ist aber auch egal. Ich brauche eine geeignete Waffe", wechsele ich das Thema.
Machado forstet sich, natürlich leise und ich halte Wache, durch das ganze Füllhorn. Findet Proviant, findet clevere Utensilien, findet Rucksäcke, in die wir die Schlange stopfen, und finden Waffen. Schwerter, Speere, Panzerfäuste, Macheten, Messer, Äxte, Dreizacke und viel mehr. Ich halte Wache, da ich nicht viel laufen kann, obwohl das Gegengift auch die Schmerzen abgeschwächt hat, als mein neuer Verbündeter mit vollbeladenen Händen zu mir kommt alles zu Boden fallen lässt, "Hier gefällt dir bestimmt etwas von", sagt und weiter sucht. Das Licht spiegelt sich auf den Geräten. Mit Fingerspitzen schaue ich mir jedes einzelne Exemplar genau an, probiere es mit ein paar Bewegungen aus. Auf jeden Fall habe ich schon mal ein Messer in meinen Gürtel gesteckt. Mit Speeren kann ich nicht sehr gut umgehen. Panzerfäuste sind viel zu schwer und nehmen zu viel Raum. Ich benötige etwas Kleines. So etwas wie das. Nur weiß ich nicht was das ist. Ein langes dünnes Rohr mir einem trichterförmigen Aufsatz, der auf den Mund passt. Es dämmert mir. Unter einem Rucksack erkenne ich einen Köcher voller missgebildeter Pfeile, die absolut nicht für einen Bogen gedacht sind. Ich robbe hin und schnappe sie mir. Sie sind dünn und relativ kurz, ungefähr wie meine Hand. Ich stecke die Pfeile und das lange Rohr, wovon ich denke dass es ein Blasrohr ist, in einen Rucksack sowie eine Machete. Zuviel Kram können wir auch nicht mitschleppen, das stört und ist auf Dauer lästig. Mit zugedrehtem Rücken sitze ich zu meinem Alliierten. Für mich gibt es nicht die Möglichkeit, dass er versuchen könnte mich auszutricksen. Warum auch immer. Immer vertraue ich den Menschen blind. Fast immer.
Unsere Sucherei dauerte keine zehn Minuten nach reinem Zeitgefühl. Jeder mit einem Rucksack beladen, vollgestopft mit Essen, Trinkflaschen, einer Salbe, Seilen, zwei Schlafsäcken und Waffen, machen wir uns auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung aus der ich kam.
Wir marschieren und meine Beine schmerzen. Schon wieder ist die andere Wunde aufgerissen. Mein Schnitt am Nacken ist kaum zu bemerken. Zwischendurch halte ich immer wieder an um zu brechen. Als ich ihm sage, dass ich mich ausruhen müsse, verstecken wir uns und unsere Sachen in dichten Büschen aus Dornengestrüpp. Nachdem wir etwas von unserem Proviant verschlungen haben, bietet er sich an wache zu halten, so wickele ich mich in meinen Schlafsack und versuche zu schlafen.
"Es tut mir leid, Machado", flüstere ich in die vollkommende Stille hinein.
"Was tut dir Leid, Lyra-Maus?"
Warum erhalte ich immer solch komischen Spitznamen? "Es tut mir leid. Bei der Parade. Ich wollte nicht mit dir reden. Ich hatte Angst, dass du irgendetwas willst und ich wollte keine Bindung zu einem den ich vielleicht töten muss. Zu gar keinem Tributen außer Llucah."
"Und Linnet", meint er und ich wundere mich, dass er absolut die Wahrheit sprach, "Man kriegt vieles mit, weißt du. Eigentlich seid ihr beneidenswert, Llucah und du", seufzt er, "Naja, eigentlich, wäre es nicht -"
"Warum wolltest du dich eigentlich mit mir verbünden?", werfe ich dazwischen. Der hat Taktgefühl wie ein Topf beim rumstehen!
"Dasselbe könnte ich dich fragen. Und deine Antwort wäre: Intuition. So wie meine. Weiß nicht. Ich dachte mir, wenn ich jemanden gebrauchen könnte, dann dich."
Das reicht mir als Antwort denn ich selber wüsste ich auch keine Bessere. Sogleich sinke ich in einen tiefen Schlaf.

Als ich erwache habe ich ein Brennen in meiner Kehle und Hunger. Es ist mittlerweile hell geworden und Machado ist immer noch dabei unser Lager zu bewachen.
"Soll ich dich ablösen?", frage ich. Er dreht sich zu mir um.
"Aber nur eine Stunde. Dann müssen wir weiter!", befiehlt er obwohl ich genau in seinem blasses Gesicht lesen kann, dass er sich lieber eine Nacht lang ausgeruht hätte. Ich willige ein. Wir tauschen Stellung; ich setze mich an eine wunderbare Stelle wo ich zwischen den Sträuchern hindurch lucken kann, er legt sich in meinen Schlafsack.
"Ich frage mich wo die Karrieros sind. Früher in den Spielen hatten sie fast immer das Füllhorn für sich eingenommen. Aber sie waren nicht da ... . Aber das sind ja auch keine normalen Spiele", schließe ich.
"Sie kundschaften bestimmt die Gegend aus und töten jeden, der ihnen über den Weg läuft. Amüsieren sich prächtig."
"Ja ... das mag wohl sein" Eine Pause herrscht und ich dachte seine Aufmerksamkeit wäre abgesunken und er eingeschlafen, allerdings erwähnt er beiläufig, ich redete im Schlaf.
"Ja? Was sage ich denn?", frage ich ohne mich ihm zuzuwenden, eine ausgedorrte Dorne beobachtend.
Machado erzählt, als würde er erzählen wie er ein Brot gekauft hat: "Naja, so einiges. Eigentlich auch nicht sehr viel Aufschlussreiches. Nur flüstertest du Llucahs Namen. Und sagtest so etwas wie 'der Unschlagbarkeit verbunden' oder so. War zu müde um es mir zu merken."
"Der Unendlichkeit gebunden. Das hab ich wirklich gesagt?"
"Ja", antwortet er auf meine Frage, die eher im rhetorischen Sinne gemeint war, "Was soll das bedeuten? Ist das so 'ne Art Code oder so?"
"Was!? Quatsch. Es bedeutet ... ach eigentlich nichts. Nichts was relevant wäre."
Oder wahr wäre.
Weiter sagen wir nichts. Ich bin peinlich berührt, dass so etwas ein Kerl mitbekommen hat, der mich nicht kennt, den ich nicht kenne, den ich gar nicht kennenlernen möchte, den ich gar nicht weiter kennenlernen werde. Es ist sehr gut Verbündete zu haben, aber im Moment weiß ich nicht was ich genau davon halten soll, zu groß ist die Angst zu viele Bindungen zu zerbrechen. Ich muss mich davor retten bevor es zu spät ist. Mir ein Boot schnappen um mich nicht von den Fluten verschlingen zu lassen, die mich ersticken und verderben wollen. Ich könnte jetzt aufstehen und gehen, doch ich merke, dass dieser Gedanke zu spät kommt. Ich bin bereits verschlungen. Und ich bin ihm was schuldig dafür, dass er mich am Leben erhalten hat. Mir auszumalen in diesem Augenblick aufzustehen, das Proviant mir unter den Nagel zu reißen, und Machado schutzlos und unwissend liegen zu lassen, schmerzt schon jetzt. Deshalb verwerfe ich die Idee und verbleibe an dem Platz an dem ich auch die nächste Stunde (und etwas länger) wachen werde.

"Ein jemand klammert sich an jedes Nächste, um sich zu halten, um nicht einsam mit den Armen um sich selbst geschlungen in den Abgrund zu fallen."

Nach etwas mehr als der Zeit, die er eingefordert hat (ungefähr drei Stunden), wecke ich ihn und wir machten uns auf um einen neuen Lagerplatz zu finden.
Dem Sonnenstand zu urteilen ist es Mittag. Schon wieder ertönte eine Kanone. Das geht ganz schön rasch. Und nun darf ich wieder bis heute Abend warten, bis ich weiß wer es ist.



Die Tribute von Panem - Das erste JubeljubiläumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt