Wieder einmal möchte ich mit euch eine Geschichte aus dem Leben teilen, inspiriert von den Büchern Ausgegrenzt und Verurteilt von Gedankenmaler. Gedanken, die mich verleitet haben bewusster wahrzunehmen. Danke dir für deine wundervollen Texte.
Sie ist im Schwimmbad mit einem autistischen Kind.
Sie spürt wie das Kind begeistert in das Wasser eintaucht, wie es die Wasserspiele beobachtet, faziniert ist von den Bewegungen im Wasser immer wieder hinein und hinaus geht und ganz versinkt in sein genussvolles Erleben des Schwimmens, in seine andere Welt.
Sie spürt, wie er die Welt anders wahrnimmt, wie unwichtig ihm die anderen Badegäste, die anderen Kinder sind, die Menschen scheinen wie unsichtbar, einzig der Lärm scheint ihn manchmal zu berühren. Er mag es nicht, wenn es zu laut ist.
Auch sie, die ihn begleitet, ist unwichtig, das was zählt ist das Spüren der Wärme, die Wellen, Sprudel und Blubberblasen des Wassers.
Das einzige was zählt ist seine eigene Welt.Sie weiß, dass sie nicht wichtig ist, dass das "Geh weg" nicht persönlich gemeint ist, sondern nur soviel bedeutet, wie gib mir den Raum um meine Welt erleben zu können. Sie nimmt sich zurück, lässt Raum, um im passenden Augenblick nach vorne zu treten, ein leichter Blickkontakt und sie darf eintauchen, teilhaben an seiner Welt, darf mitmachen und lachen und plötzlich geschieht zwischen ihr und dem autistischen Kind Begegnung. Eine Hand wird hingestreckt und ein Hauch von "Komm ich zeige dir meine Welt" entsteht.
Sie weiß, wie wichtig Routine und der gleichbleibende Ablauf für ihn ist, wie die kleinste Veränderung seine Welt aus den Fugen geraten lässt und er schreien und verweigern muss. Sie weiß, dass dieses quengelnde Kind nicht unartig ist, sondern die Veränderung ihn aus der Fassung bringt und er ganz sanfte Führung braucht um sich wieder zurecht zu finden.
Aber sie ist es auch, die die Anderen wahrnimmt, die die Blicke spürt und die Gedanken hört. Was ist denn mit dem Kind los, warum reagiert es nicht, wenn man es anspricht? Was ist mit der Erwachsenen los, die kümmert sich ja gar nicht, geht nicht hin zu dem Kind? Sie nimmt wahr, dass sie das "Geh weg" hören und verwundert sind. Sie spürt das Unverständnis und die Verurtteilung, weil das Kind schreit und nicht erzogen ist.
Sie spürt die Unwissenheit der Menschen über die Welt der Autisten.
Und sie sehnt sich nach einer Zeit in der wir alle einfach so sein können wie wir sind.
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Lebensspuren
Short StoryWorte die aus dem Leben kommen die aus der Begegnung entstehen die aus der Berührung mit der Lebendigkeit in uns kommen die dem Herzen entspringen Dinge die gesagt werden möchten, Meinung die geäußert werden will Stellung die bezogen...