Mir wurden von Chrysopras zwei Fragen gestellt und ich dachte mir, sie wären ein eigenes Kapitel wert.
Was bedeutet für Sie das Leben?
Was bedeutet für Sie der Tod?Das sind zwei so essentielle Fragen. Wie beantworte ich sie? Am Besten mit einer Geschichte aus dem Leben, entstanden beim Betrachten eines Fotoalbums.
Das erste Foto zeigt ein Baby bei seiner Geburt. Es wurde vor einiger Zeit geboren, noch nicht so lange her, doch zu einer Zeit in der das Wissen um Kinder noch anders war. Damals glaubte man, dass Säuglinge keine Schmerzen verspürten und von der Bedeutung der Mutter - Kind Beziehung wusste man auch noch nicht soviel. So kam es, dass dieses Mädchen, zu früh geboren, seine ersten vier Lebenswochen in der Frühgeborenenstation des Krankenhauses verbrachte und die Mutter nicht zu ihm durfte. So wie es damals üblich war.
Das erste Bild zeigt das Baby am dem Tag als es nach Hause kam. Sie liegt in ihrem Bettchen und ihre Augen sind abgewandt. Ihr Blick wirkt starr und verloren. Es ist nicht einmal Schmerz spürbar nur, ein "So ist es einfach", Resignation und Stillstand. Obwohl ihr ihre Mutter die Hände entgegen streckt scheint sie diese und ihren liebevollen Blick nicht zu sehen. Nichts, was um sie herum geschieht nimmt sie wahr und so kann sie die Zuneigung die ihr entgegengebracht wird auch nicht erfahren. Alles was dieser kleine Mensch bis jetzt erlebte war allein in seinem Bettchen zu liegen, versunken in ihre eigene Welt in der Dunkelheit ihrer Seele. Das macht mich traurig. Die Erkenntnis, dass das alles ist, was sie bis dahin erfahren durfte, dass sie das Licht des Lebens noch nicht spüren konnte, nicht wusste was Liebe und Geborgenheit ist, lässt mir das Herz brechen.
Das zweite Bild zeigt dieses Mädchen im Alter von zwei Jahren. Sie steht mitten in einer Blumenwiese, ihre Augen sind den Eltern zugewandt. Ihr Blick zeigt Neugierde und Entdeckerfreude und es ist ihre Aufregung spürbar, die neue Welt der Blumen und kleinen Tiere auf der Wiese zu erforschen, sich immer weiter hinaus zu wagen in die Welt und zu Staunen über die Schönheit die sie umgibt. Im Hintergrund die Sicherheit und Geborgenheit der Eltern, die sie hinaustragen in das Wunder das Lebens. Da wird sie für mich spürbar, die unsagbare Lebenskraft in ihr, die sie von dem Baby hierher geführt hat.
Was macht sie? Sie analysiert nicht, stellt nichts in Frage, verirrt sich nicht in ihren Gedanken, verliert sich nicht in der Dunkelheit und versinkt nicht in ihrem Schmerz.Sie ist einfach.
Sie lässt sich führen von dieser unbändigen Kraft zurück ins Leben, zurück in die Lebendigkeit.
Da wird mir klar, dass dieser kleine Mensch in seinem Sein schon diesen Urkräften begegnet ist, dem Verweilen in der Dunkelheit, dem Stillstand und der Resignation, dem TOD, und der lebendigen Kraft in sich, der Hingabe und Lebensfreude, dem LEBEN. Mir wird klar, dass dieses Mädchen in ihrem einfachen Sein perfekt beherrscht zu leben.
Als Erwachsene kann sie genau auf diese Erfahrung zurückgreifen und sich von ihrer Lebenskraft immer wieder durch die Dunkelheit zurück ins Leben führen lassen, vom Tod zum Leben.
So beantworte ich die zwei Fragen:
Was bedeutet mir das Leben?
Das Leben
ist für mich das Kostbarste, Wertvollste, Wundersamste
das wir in den Händen halten. Ein Wunder wie es in seiner Kraft immer wieder hervorbricht und mich zum Staunen bringt, in jeder einzelnen Begegnung, in jedem einzelnen Moment, jeder Erfahrung ob hell oder dunkel macht es mich so reich, lässt mich lernen und wachsen, Trauer und Glück erfahren, Schmerz durchstehen und unglaubliche Liebe spüren. Sie ist ein Abenteuer spannend und überwältigend zugleich, das Schönste, das Wichtigste, das Teuerste, das es für mich gibt.Was bedeutet mir der Tod?
Mich nicht diesem Leben hin zu geben
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Lebensspuren
Kısa HikayeWorte die aus dem Leben kommen die aus der Begegnung entstehen die aus der Berührung mit der Lebendigkeit in uns kommen die dem Herzen entspringen Dinge die gesagt werden möchten, Meinung die geäußert werden will Stellung die bezogen...