Amelie lag in ihrem Bett. Sie hatte Kopfschmerzen, es fühlte sich so an, als ob ihr Schädel gleich zerplatzen würde. Sie stellte sich vor, wie sich das Blut ausbreitete. Wie es ihre weiße Bettwäsche rot färbte. Wie es auf den Parkettboden tropfte und sich dort eine große, fette Lache bildete.
Wütend schüttelte sie den Kopf, bereute es jedoch eine Sekunde später. Ein höllischer Schmerz zuckte auf und sie sah kleine, goldene Sternchen vor ihrem Auge auf und ab tanzen.
Sie schloss erschöpft ihre Augen, drehte sich im Bett auf die linke Seite und kuschelte sich in ihre flauschige Decke. Sie verdrängte den stechenden Schmerz.
Verzweifelt versuchte sie an etwas anderes als gestern zu denken, doch es war unmöglich. Ständig tauchte Elyas Gesicht vor ihrem inneren Auge auf, wie er sie angesehen hatte, bevor sie sich geküsst und die Nacht zusammen verbracht hatten. Es war so schön gewesen, so beständig. Nur sie und er. Zusammen allein. Auf diese Nacht hatte sie insgeheim hingefiebert, hatte ungeduldig gewartet, die ganze Zeit durch. Doch nie im Leben war ihr in den Sinn gekommen, dass eine einzige Nacht so perfekt werden konnte. In jeder Hinsicht. Alles war einfach perfekt gewesen. Sie hatte sich so geborgen, so beschützt in seinen Armen gefühlt. Nichts konnte diesen Moment zerstören und doch war er so zerbrechlich gewesen.
Nach fünf Minuten, in denen Amelie weiterhin versucht hatte, einzuschlafen, brach ihre Barriere zusammen. Sie spürte wie ihre Haut von heißer Trauer benetzt wurde. Rinnsale der Erkenntnis flossen an ihren Wangen hinunter. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass ihre gestrige Entscheidung falsch gewesen war. Dass diese Entscheidung vorausichtlich vernichtende Folgen hatte. Dass alles Wunderbare hier ein Ende haben konnte.
Sie schluchzte leise, schrie lautlos alle Wut raus, die sich in ihr aufgestaut hatte. Sie war so wütend auf Elyas. Die Glut loderte auf, Flammen brachen sich ihren Weg an die Oberfläche. Sie hasste Elyas. Sie hasste ihn, sie hasste allles und jeden, sie... sie... sie hasste sich. Ja. Sie verspürte einen unglaublichen Hass auf sich, der nicht zu bändigen war. Amelie wurde sich bewusst, dass nicht Elyas an ihrem Elend Schuld war. Auch nicht ihre Umwelt, oder irgendwelche äußerlich anderen Einflüsse. Nein. Sie war ganz allein an ihrem Leid Schuld. Und zwar nur sie. Sie hatte diese paranoide Angst vor Veränderungen. Sie hatte kein Sonnenlicht in ihr dunkles Herz gelassen – und sie hatte Elyas mehr als ein Mal abgewiesen. Fast schon von sich gestoßen. Verbannt.
Amelie hielt sich schützend die Hände vors Gesicht, als könnten ihre schwarzen Gedanken ihre Haut verätzen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Elyas hatte sich kein einziges Mal gemeldet, hatte nicht angerufen, keine SMS an sie geschickt. Wahrscheinlich war er es einfach Leid, ihr hinterher zu laufen. Sie ständig ertragen zu müssen, sie und ihre kranken Anfälle. Was war sie nur für ein widerwärtiger Mensch! Selbst Rosa hatte sie gewarnt, hatte ihr nur helfen wollen, endlich wieder zu leben. Und was machte sie? Sie zog sich wie ein angegriffenes Tier in eine Ecke zurück und baute um sich herum eine Festung auf.
Amelie beschloss, dass ihr altes Ich verschwinden musste. Sie musste es beseitigen, unauffällig zerstückeln und weit weg in einem tiefen, dunklen Erdloch verscharren.
Sie wischte sich schnell die Beweise ihrer Schwäche weg, riss die Decke zur Seite und setzte sich auf. Sie ignorierte das Pochen in ihrem Kopf, ignorierte den erneuten Reigen der kleinen Himmelssterne vor ihrem Auge und wankte benommen in die Küche. Bevor sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, musste ein raffinierter Plan geschmiedet werden. Musste alles, was sie daran hindern konnte, eliminiert werden.
Sie nahm eine Kopfschmerztablette und schluckte sie zusammen mit etwas Wasser hinunter.
'Jetzt hol ich mir mein Leben wieder.'
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Elyas M'Barek FF
FanfictionAmelie hat panische Angst, verletzt zu werden. Seit Justin sie nach einem One-Night-Stand sitzen lassen hat, traut sie sich nicht mehr, eine neue Beziehung oder einen Flirt einzugehen. Ihr Vertrauen in die männliche Spezies ist erloschen. Doch dann...