Elyas M'Barek FF 6♥

1.8K 58 5
                                    

Es war Samstag Vormittag und Amelie saß draußen auf der Terrasse. Es war so heiß, als würde die Luft brennen. Sie las ein Buch, um sich ein wenig abzulenken. Sie nahm einen großen Schluck von der kühlen Limonade. Das tat gut. Es war, als würde der kalte, zitronige Geschmack alle ihre Sorgen, die sie in den letzten Wochen gehabt hatte, einfach wegspülen. Irgendwo zwitscherte ein Vogel, sie schaute sich um und vermutete, dass er in der großen Eiche saß. Wie gern würde sie ein Vogel sein. Einfach weg fliegen, wenn es Probleme gab. Alles zurück lassen, was unangenehm war. Und was ihr wehtat.

Sie beschloss, sich ein wenig unter die Leute zu begeben. Was lag da näher, als an so einem schönen Tag ins Freibad zu gehen? Andere, normale Leute gingen ins Freibad. Warum also sie nicht? Sie stand auf und ging rein, um ihre Sachen zu packen. Ein paar Menschen um sich zu haben, würde bestimmt kein Nachteil sein. Und da sie zur Zeit keinen Kontakt zu Rosa hatte, würde sie dort vielleicht ein paar neue Leute kennenlernen. Hoffentlich.

Die Schlange vor dem Freibad war elend lang. Als Amelie endlich drankam, hatte sie bereits eine halbe Stunde angestanden, mitten in der prallen Sonne. Es war ihr vorgekommen, als könnte sie förmlich spüren, wie die Sonnenstrahlen ihre zarte, blasse Haut verbrannten.

Sie kaufte sich ein Tagesticket, ging dann zügig zu den Umkleidekabinen und zog sich ihren Lieblingsbikini an, in dem sie einigermaßen attraktiv aussah. Man konnte ja nie wissen.

Als zu den Duschen ging, merkte sie, dass das Freibad ziemlich voll war. Kein Wunder, bei dem Wetter! Überall sprangen, schwammen oder planschten fröhlich gelaunte Menschen. Wie eklig, diese ganze Fröhlichkeit. Amelie ging zum größten Becken. Da es dort keine Rutschen gab, war dieser Bereich des Bades fast leer. Nur ein paar ältere Menschen schwammen genüsslich hin und her. Sie beobachtete die langsamen, gleichmäßigen Bewegungen der Leute und ließ sich von ihrer Gelassenheit anstecken.

Sie tippelte vorsichtig zum Beckenrand, legte ihr Handtuch ab und stieg dann die Stufen zum kühlen Wasser hinunter. Sie freute sich immer auf diesen Moment, wenn das kalte Wasser auf ihre heiße, ausgelaugte Haut traf. Der Moment war wie eine Aufladung von Energie. Sie sog die Kraft des Wassers in sich auf. Wasser konnte unglaubliche Macht haben. Amelie wünschte sich, sie hätte ebenfalls solche Macht. Sie wünschte sich, sie könnte einfach eine riesige Welle emporkommen lassen, und alles würde unter ihr begraben werden. Schwupps. Einfach alles weg.

Ihr fiel auf, dass sie sich oft mit der Natur und seinen Eigenschaften und Existenzen verglich. Der Vogel, das Wasser... Sie war einfach ein naturnaher Mensch.

Nachdem sie eine Weile geschwommen war, schwamm sie zum Beckenrand und hielt sich am Geländer fest. Sie zog sich hoch und stieg die Stufen hinauf.

Das Schwimmen hatte ihre Gedanken geklärt und hatte ihr die Kontrolle über sie, ihre Gefühle und ihre Taten wiedergebracht. Bis jetzt hatte es noch keine Kommunikation mit der Menschheit um sie herum gegeben, doch das störte Amelie nicht im Geringsten.

Sie hatte zwar vorgehabt, neue Kontakte zu knüpfen, doch so konnte sie ungestört ein paar Momente für sich auskosten.

Sie nahm ihr Handtuch, welches mitten in der Sonne gelegen hatte. Es war angenehm warm und gab ihr das Gefühl von Geborgenheit, welches sie so sehr vermisst hatte.

Als sie mit dem Abtrocknen fertig war, wusste sie erst mal nicht, was sie jetzt tun sollte. Immerhin hatte sie eine Tageskarte gebucht! Aber davon hatte sie gerade mal ein bis zwei Stunden genutzt. Sie grübelte und guckte dabei in der Gegend herum. Was machten die anderen? Sie beobachtete, wie eine Frau die Rutsche herunterrutschte. Nein. Sie hatte gerade überhaupt keine Lust auf eine Rutschtour. Hmm, vielleicht sollte sie auch die Sauna ausprobieren? Wahrscheinlich könnte sie dort nochmal abschalten und würde sich danach wie neu geboren fühlen... Ja, das war genau das, was sie jetzt brauchte.

Also nahm sie ihr Handtuch mit, ging rüber zur Sauna und schaute erst mal von außen durch die Fensterscheiben. Allerdings war alles so beschlagen, sie konnte fast nichts erkennen. Außer, dass anscheinend nur eine einzige Person in der Sauna entspannte, konnte sie nichts weiter herausfinden.

Etwas gehemmt griff sie nach dem Türknauf und zog dran. Nichts passierte. Amelie musste innerlich schmunzeln. Sie drückte vorsichtig gegen die Tür und blickte gespannt durch den kleinen Schlitz. In der Sauna war jedoch alles vernebelt, sodass ihr die Sicht fast völlig genommen wurde. Egal. Worauf wartete sie? Sie schob die Tür ganz auf und trat ein. Dann schloss sie die Tür hinter sich und schaute in den Raum. Es war heiß und ziemlich stickig in der Sauna, doch das störte sie nicht. Sie war Saunagänge schon gewohnt.

Es war wirklich nur eine Person anwesend. Amelie suchte sich einen Platz etwas weiter weg aus. Sie ging rüber und setzte sich auf ihr Handtuch. Dann schielte sie rüber zu dem oder der anderen, Amelie vermutete, dass es ein Mann war. Es kam keine Reaktion von ihrem Gegenüber. Also beschloss sie, das 'Kontakte knüpfen' einfach auf später zu verschieben. Sie holte tief Luft und machte die Augen zu. Dann sog sie die heiße Luft ein und entspannte sich.

Nach gefühlten 15 Minuten wurde es Amelie zu viel. Zwar war die Hitze im Raum zurückgegangen, doch sie fühlte sich leicht beobachtete von ihrem Mitmenschen. Sie wusste nicht, ob es so war, doch sie spürte durchweg seine Blicke auf ihrer Haut.

Sie öffnete die Augen und strich sich mit der Hand über das verschwitzte Gesicht. Sie würde jetzt einfach aufstehen und gehen. Am besten beachtete sie den Schatten in der Ecke gar nicht. Amelie erhob sich schwerfällig, der Saunagang hatte ihr doch mehr zugesetzt, als sie gedacht hatte. Dann zog sie ihr durchnässtes Handtuch von der Bank und bewegte sich auf den Ausgang zu. Sollte sie nicht doch einen Blick riskieren und ihr Gewissen ausschalten? Sie hielt kurz inne, dann drehte sie sich ganz vorsichtig um. All ihre Sinne waren angespannt und sie hielt unbewusst die Luft an. Nur noch ein kleines Stück, dann würde sie ihn sehne können. 3... 2... 1... Ihre Augen kniffen sich zusammen. Zuerst erblickte sie seinen durchtrainierten und über alles schönen Körper. Kein einziger Makel war erkennbar, alles stimmte einfach. Dann wurde sie sich bewusst, was sie da gerade tat! Der Mensch, den sie da gerade anstarrte und begutachtete, musste doch unweigerlich mitbekommen, dass er gerade mehr als nur das Objekt ihrer Aufmerksamkeit war! Erschrocken wagte sie hastig einen Blick auf sein Gesicht, drehte sich dann blitzschnell um und riss die Tür auf. Nur weg hier. Was war denn los mit ihr!

Sie machte ein paar verwirrte Schritte... und blieb stehen. Halt. Was hatten ihre Augen da drinnen gerade gesehen? Irgend etwas meldete sich in ihr. Etwas bekanntes... Eine Erinnerung. Eine Erinnerung an... jemanden! D-das konnte doch nicht sein!

Amelie war sich sicher: Sie hatte gerade über 15 Minuten m-mit E... Elyas in der Sauna verbracht!

Elyas M'Barek FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt