15 | She is everywhere

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Das Wochenende war ziemlich schnell vergangen und ehe ich mich versah, war es auch schon wieder Montag. Heute war meine Laune extrem schlecht, denn ich musste erstens wieder in die Schule und zweitens musste ich heute mit Tony sprechen, damit ich endlich Klarheit in die Sache gebracht haben würde. Wenn ich das überstanden hatte, konnte ich wieder durchatmen.
"Jill, morgen treffen wir uns mit Dad und deiner Schwester zum Eisessen im Park, nur damit du Bescheid weisst", rief mir meine Mum von der Küche aus zu.
"Morgen?", ich schnappte mir einen Apfel aus dem Obstkorb und steckte ihn in meine Tasche.
"Ja, nach der Schule am Nachmittag"
"Okay", Ich wollte gerade die Küche wieder verlassen, als mir noch etwas einfiel "Oh, Mum?"
"Ja?"
"Kann sein, dass ich am Mittwoch später nach Hause komme, weil ich noch so eine Art Englisch Nachhilfe habe", teilte ich ihr mit. Mum hörte kurz auf Gemüse zu schneiden und sah mich neugierig an: "Mit Miss Rose?" Ich nickte. "Oh, das ist aber nett von ihr ", Mum schnitt weiter. Ich kratzte mich nachdenklich am Kopf und murmelte etwas als Antwort, dann verließ ich das Haus und ging zur Bushaltestelle. Auf dem Weg zum Eingang der Schule begegnete mir zufälligerweise Tony, der heute ziemlich dunkel gekleidet war. Er fuhr sich eilig durch seine wuscheligen Haare, dann erblickte er mich und eilte zu mir. "Jill, Hey!", Tony hielt mit mir Schritt.
"Hey", antwortete ich etwas zäher. Wir bogen in den Schulhof ein, am Himmel hatten sich dunkle Wolken gebildet und ich vermutete, dass es bald regnen konnte. Wie passend. "Wie war der Ausflug?", fragte er sofort. Warum war er auf einmal so gut gelaunt?
Ich blieb stehen: "Tony. Ich will gleich zur Sache kommen. Du weißt ja, was ich dir am Telefon gesagt habe" Tony sagte nichts, er steckte nur wieder seine Hände in die Hosentasche. Seine typische Bewegung...Okay, jetzt oder nie. Ich fasste meinen Mut zusammen: "Ich hab' viel nachgedacht und ich weiß, dass ist jetzt etwas plötzlich, aber ich glaube ich weiß jetzt, dass ich noch nicht bereit für eine Beziehung bin..." Tonys Gesichtsausdruck war plötzlich emotionslos und er starrte an mir vorbei. Ich versuchte die richtigen Worte zu finden und klammerte mich fester an meine Tasche: "Es liegt nicht an dir, sondern an mir, okay? Versteh mich nicht falsch. Ich kann einfach gerade nicht und ich will dich nicht verletzen"
"Jill, bitte. ", er sah mich ganz plötzlich verzweifelt an, "Was soll das? Habe ich etwas getan?"
Ich schüttelte den Kopf, sofort kamen mir die Schuldgefühle: "Nein, wie gesagt. Es liegt nicht an dir. Tut mir leid."
"Warte, lass es uns doch wenigstens versuchen!", es fiel Tony sichtlich schwer die Sache ruhig anzugehen. Er wirkte so gekränkt.
"Tut mir so leid. Ich kann nicht.. Es ist aus", Ich biss mir so fest auf die Lippe, dass ich blutete. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen. Wie oft hatte ich ihn jetzt schon verletzt?
"Jill, überleg doch nochmal alles in Ruhe. Ich kann öfter etwas mit dir unternehmen...-"
"Nein!", Ich war selbst von meinem scharfen Ton überrascht und schüttelte sofort entschuldigend den Kopf und sagte dann etwas ruhiger "Es ist wirklich das beste, wenn wir nicht mehr zusammen sind" Ich wandte mich zum Gehen, doch Tony hielt mich plötzlich fest: "Das war's? Einfach so?"
Ich sah ihn erschrocken an: "Ich hab doch gesagt, dass ich einfach nicht bereit bin..."
Er ließ meine Hand wieder los und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an: "Okay, sag schon, wer ist der Typ!"
Verwirrt sah ich Tony an: "Was? Welcher Typ?"
"Hör auf mit dem Spielchen. Du hast jemand anderen, stimmt's? Es lief alles gut, bis er plötzlich gekommen ist, nicht wahr?", zischte er und sein plötzlicher Umschwung verunsicherte mich, doch ich ließ es mir nicht anmerken: "Was redest du? Ich hab niemand anderen!"
Er lachte böse: "Das kaufe ich dir nicht ab!"
"Ich weiß nicht, was du redest! Es ist die Wahrheit!"
Tony sah mich unbeeindruckt an, das war der Moment, indem ich wütend beschloss einfach wegzugehen. Das tat ich auch, doch als ich fast den Eingang erreicht hatte, wurde ich nochmal krampfhaft zurückgehalten. Jemand packte mich ziemlich fest. "Hey!", rief ich erschrocken. Natürlich war es Tony. "Lass los! Au! Du tust mir weh!", sofort wurde ich losgelassen und funkelte Tony böse an."Tut mir leid, Ich wollte dir nicht weh tun", entschuldigte er sich sofort.
"Spar' dir das!", feuerte ich giftig zurück und eilte die Treppen hinauf.
"Hey! Warte...!"
"Lass mich einfach in Ruhe Tony! Okay?!", das war der letzte Satz, den er von mir zu hören bekam, dann schmiss ich die Tür hinter mir zu und eilte die Treppen hinauf, so schnell ich konnte. Gott, ich wollte gerade einfach alleine sein!...Ich eilte zu den Mädchen-Toiletten für den Fall, dass Tony mir doch gefolgt war. Dort angekommen, setzte ich mich auf den Boden und versuchte mich erst einmal zu beruhigen. Ich wollte Tony nicht mehr sehen, dieser Tag war sowieso schon im Eimer. Das war ja grauenhaft! Tony war richtig anhänglich gewesen. Waren alle Jungs so anhänglich, wenn es ums Schluss machen ging? Hatte er mich wirklich so sehr geliebt?

Als ich mich wieder beruhigt hatte und mich versichert hatte, dass am Gang die Luft rein war, ging ich auf schnellstem Weg zum Klassenzimmer, wo Tony zum Glück nicht war. Dafür waren meine Freundinnen das nächste Hindernis. Lena kam sofort zu mir, als sie mich sah und begrüßte mich mit einem Grinsen: "Na, gut erholt übers Wochenende? Wie läuft's eigentlich mit dir und Tony?"

***

Am Dienstag nach der Schule trafen Mum und ich, wie am Vortag ausgemacht, Chelsea und Dad im Park, um Eis zu essen. Mum und Dad gingen irgendwo hin spazieren und Chelsea und ich setzten uns auf eine Bank und aßen unser Eis. Meine Lieblingssorten waren Schokolade und Erdbeere. Chelsea hasste Schokoladeeis, da es bei diesem Geschäft im Park so bitter schmeckte, deshalb nahm sie meistens hier Vanille.
"Ich hab's durchgezogen ", murmelte ich.
"Was denn?", sie überlegte kurz und bevor ich antworten konnte, sah sie mich überrascht an "Nicht dein Ernst, du hast jetzt nicht etwa Schluss gemacht mit Tony?"
Ich seufzte: "Ja, doch...Er hat mir auch irgendwie leid getan..."
Chelsea verzog den Mund: "Mann, ich weiß nicht, was du willst. Er war doch total lieb oder nicht?"
"Mhm...", murmelte ich nur und aß mein Eis weiter. Es war ganz schön heiß heute.
"War er auch bei diesen Ausflügen dabei?", fragte sie und ich schüttelte den Kopf: "Nein zum Glück nicht"
Sie stöhnte genervt: "Ich sag dir was, wenn du irgendwann kapierst, dass du dir da die Chance deines Lebens entgangen lassen hast, dann komm damit nicht zu mir!"
Ich lachte: "Keine Sorge, so weit kommt es erst gar nicht. Versprochen"
"Das sehen wir ja noch", meinte Chelsea nur und aß ihr Eis weiter.

Ich beobachtete die Leute weiterhin, die vorbeigingen, bis mir eine Frau auffiel. Sie erinnerte mich irgendwie an Miss Rose. Von hinten sah sie ihr ziemlich ähnlich: Diese schwarzen gelockten Haare, diese tolle Figur...Als sich jedoch die Gelegenheit bat und ich sie von vorne sah, stellte ich fest, dass es natürlich nicht Miss Rose war. Was sollte sie auch hier tun? Ich lachte mich insgeheim selbst aus, das ich schon überall glaubte, Miss Rose zu sehen. Wir saßen noch eine Weile dort, dann schlug Chelsea vor, Mum und Dad zu suchen und ich willigte ein. "Achja, davor wäre es noch super lieb, wenn du meinen Becher wegschmeißen würdest", grinste sie bescheiden.
"Dein Ernst?"
"Jaaa"
Ich verdrehte genervt die Augen: "Na schön. Heute hast Glück. Aber nur heute "
"Dankeschön!", flötete sie fröhlich, "Ich suche einstweilen Mum und Dad"
"Was auch immer", murmelte ich und machte mich auf den Weg.

Ich ging ein Stück weiter und fand überraschenderweise keinen einzigen Mülleimer. Was war das bitte für ein Park? Hier waren doch immer mehr Mülleimer gewesen...! Ich bereute es, Chelseas Aufgabe angenommen zu haben und ging noch ein Stück weiter in den Park, wo die Bäume zum Glück auch mehr Schatten brachten. Es war nicht viel los hier; Ich bemerkte einen Mann der gerade seine Geige einpackte und davonging. Ich hatte auch einmal Geige gespielt. Schon entdeckte ich in der Ferne am Rand des Weges einen Mülleimer. Während ich dorthin ging, fiel mir wieder eine Frau auf, die schwarzes welliges Haar hatte und mich sofort wieder an Miss Rose erinnerte. War ich denn verrückt geworden? Warum sah ich überall Miss Rose? Das war krank! Ich ging zielstrebig weiter, behielt die Frau unbewusst aber im Auge. Sie hatte eine weiße Strickjacke an, dazu trug sie weiße Absatzschuhe und hielt eine Mappe in der Hand. Sie schien zu telefonieren, aber genau konnte ich es nicht erkennen, da sie mit dem Rücken zu mir gedreht war. Ich warf den Becher in den Eimer und drehte mich wieder um, da bemerkte ich, wie plötzlich der Wind Zettel aus der Mappe der Frau fliegen ließ und sie sich erschrocken umdrehte. Ich reagierte schnell und fing ein paar Zettel, die in meine Richtung geflogen waren ein. "Ja, warte, bleib' kurz dran", ertönte hinter mir ihre Stimme. Als ich sie hörte, erhöhte sich schlagartig mein Puls. Täuschte ich mich, oder war das Miss Rose' Stimme? Mir machten diese Einbildungen langsam Angst. Als ich zu ihr ging, hatte sie bereits die übrigen Zettel eingesammelt und als sie sich zu mir umdrehte, erkannte ich wirklich Miss Rose' Gesicht, doch sie erkannte mich nicht, weil sie auf den Boden starrte und versuchte zu telefonieren. "Ja, das kann ich gerne übernehmen, ist kein Problem", sprach Miss Rose weiter, während ich ihr gebannt mit wackeligen Beinen die Zettel hinhielt: "Bitte sehr" Sie blickte kurz auf die Zettel, nicht auf mich: "Oh, danke! Das ist aber lieb von Ihnen" Dann nahm sie sie und telefonierte weiter. Mich verwirrte, dass sie mich so ansprach, doch dann fiel mir wieder ein, dass sie mich ja gar nicht erkannt hatte, in der Eile.

Okay, auch gut.

Ich ließ Miss Rose schnell hinter mir und suchte auf dem schnellsten Weg Chelsea und fand sie auch mit unseren Eltern beim Eingang des Parks. Ich wollte mich nicht länger hier aufhalten, zum Glück schlug Dad vor nach, Hause zu fahren.

Admiring her | girlxgirl Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt