24 Die Therapie

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Ich verbrachte viele Tage in einer Art Dämmerschlaf. Und immer, wenn ich zu erwachen drohte, floh ich in eine Welt, in der ich lange Zeit gelebt hatte.

Eine Welt, in der es niemanden gab außer mir und Klara.

Ich hatte mich an etwas erinnert. An etwas, von dem ich nicht wollte, dass es wahr war. Und so trieb ich viele Tage in dieser Welt und ließ keinen an mich heran.

Nicht einmal Theo, der es mit allen Mitteln versuchte. Er malte blaue Bilder für mich. Und ich saß einfach da und schaute Klara an, die den Blick stur geradeaus aus dem Fenster gerichtet hatte. Es regnete. Wie so oft im Frühling. Unten im Garten sprossen die ersten Blumen, von denen sie mir erzählte.

Doch Theo malte. Er malte blaue Bilder. Und dann malte er rote Bilder. Ich glaube, er wollte mich ärgern. Irgendwas bei mir bewirken, doch es bewirkte nichts.

Gar nichts.

Mir war es egal. Egal, das er versuchte in meine Welt zu gelangen, in dem er sie mit seinem Rot durcheinander brachte. Mir war egal, dass ich mit Bruno in Dr. Franklins Büro gehen musste, wo ich neben Klara am Fenster stand und auf die Straße starrte. Den Autos zusah, wie sie kamen und gingen.

Und es war mir auch egal, dass ich blieb wo ich war.

"So kommen wir nicht weiter, Herr Brenner. Irgendwie müssen wir doch zu ihr durchdringen.", richtete Dr. Franklin eines Tages das Wort an Theo, der mich diesmal wieder in ihr Büro begleitet hatte.

"Ich habe bereits alles versucht Dr. Franklin. Alles, was mir eingefallen ist.", er klang frustriert, "Alles, was mir möglich war. Ich habe versucht auf sie einzureden, versucht, mit Klara zu reden. Versucht ihre blauen Bilder bunt zu machen, doch es ist, als wäre sie gar nicht da!"

Mein Finger strich an der Scheibe entlang, so wie Klaras Zunge. Mit der Stirn lehnte ich dagegen und sah den Sonnenstrahlen zu, wie sie hin und wieder durch die Wolkendecke brachen und die Bäume unten an der Straße mit ihrem Licht zum Leuchten brachten.

"Wenn ich nur wüsste, was sie beim letzten Mal dazu bewegt hat, aus sich heraus zu kommen. Vielleicht können wir dort wieder ansetzten.", schlug Theo vor und ich hörte die Ärztin einen nachdenklichen Laut von sich geben.

"Ich glaube mich zu erinnern, dass ich ihr eine Blume mitgebracht habe.", sagte sie schließlich, "Eine blaue. Und dann habe ich ihr die Stifte gegeben. Aber ich denke nicht, dass das den Durchbruch gebracht hat. Stifte hat sie ja jetzt immer. Und wie sie mir erzählten, rührt sie die nicht einmal mehr an."

"Nein. Sie malt nicht mehr. Und sie redet nicht mehr. Nicht einmal mit Klara. Und auch die Blume...Ich weiß, dass sie es nicht für gut heißen werden, doch...", er seufzte, "...ich bringe ihr jede Woche eine neue."

"Eine blaue?", konnte ich Dr. Franklins Stimme vernehmen. Dann Theos: "Nicht immer. Manchmal auch eine rote."

"Warum rot? Oder bringen sie ihr auch weiße oder lilane mit?", fragte die Ärztin nach.

Ich hörte ein Geräusch, dass ich mit einem Achselzucken in Verbindung brachte, gefolgt von Theos Antwort. Er klang verlegen. "Ich mag rot.", sagte er schlicht.

"Sehen sie mich nicht so an Dr. Ich sagte ja schon, dass sie das nicht für gut halten werden. Und vielleicht hatten sie recht, mit dem, was sie gesagt haben, aber es ist nicht so, wie sie denken."

Theo seufzte und wurde dann von Dr. Franklin unterbrochen.

"Herr Brenner, ich glaube ihnen, wenn sie mir sagen, dass sie Beruf und Privatleben trennen können, doch vergessen sie nicht, dass Frau Miller bei weitem nicht so gefestigt ist, wie ich mir das nach über zwei Jahren Therapie und noch längeren Klinikaufenthalten, wünschen würde. Sie haben selbst erlebt, wie schnell ihre Stimmung kippen kann.", erklärte sie sachlich.

✔Zwischen den SternenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt