Chapter 1

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"Alice! Wenn du dich nicht beeilst, schaffst du es nicht mehr zu frühstücken", rief Page und klopfte an meiner Tür.
"Ja, ich komme schon", rief ich zurück und legte mir noch schnell die zweite Kontaktlinse rein. Ich blinzelte einige Male und sah mich fertig im Spiegel an.
Meine langen roten Haare hatte ich heute zusammen geflochten und über meine Schulter gelegt. Wie immer hatte ich meine braunen Kontaktlinsen drin, damit sie meine eigentliche Augenfarbe verdeckten. Seit meiner Geburt hatte ich lilablaue Augen, aber ich wusste immer noch nicht warum. Fast alle hatten mich immer angestarrt und einige hatten sich nicht getraut mir in die Augen zu schauen, weil sie Angst vor mir hatten.
Als ich noch klein war hatte ich es nicht verstanden, erst recht hatte ich nicht verstanden, warum ich Dinge sehen konnte, die niemand anderes sah. Ich war damals genau so stur wie heute gewesen und hatte es jedem erklären wollen. Immer hin wusste ich, was ich gesehen hatte. Alle lachten mich entweder aus, oder hielten sich fern von mir. Nachdem die Eltern der Kinder das auch wussten, hatten sie jedem verboten mit mir zu reden und am Ende wurde ich aus dem Kindergarten geschmissen. In der Middel School ging es so weiter, bis mein Bruder, John, mir gesagt hatte, dass ich es niemanden erzählen dürfte.
John hatte deutlich früher die Erkenntnis gehabt und hatte sich dementsprechend auch benommen. Er war auch derjenige, der mir damals meine ersten Kontaktlinsen gekauft hatte.
Mum und Dad waren gestorben, als wir noch klein waren und somit hatte ich nur noch John. Wir lebten seit dem Tag im Kinderheim und führten dort ein normales Leben. Es war schwer jemand zu finden, der zwei Kinder auf einmal adoptieren würde und deswegen blieben wir hier.
Irgendwann war John dann auch von mir gegangen und ich war alleine. Er hatte gesagt, dass es seine Chance wäre und das ein einmaliges Angebot war. Ab diesen Tag an hatte ich niemanden mehr an meiner Seite.
Ich nahm meine Tasche von meinem Schreibtisch und verließ mein Zimmer. Wie immer schloss ich es nich ab, bevor ich in den gemeinsamen Speisesaal ging.
"Endlich bist du auch mal da. Ich habe die dein Frühstück schon an den Tisch gebracht", gab Page mir bescheid und schon mich zum Tisch rüber.
Bei ihr hatte ich so eine Art extra Service. Sie würde nie jemandem anderen das Essen an den Tisch bringen, aber bei mir war es eine Ausnahme. Sie hatte meinen Bruder in der Schule kennengelernt und sich in ihn verliebt, was auch der Grund war, warum sie jetzt im Kinderheim arbeitete. Als er gegangen war, hatte er ihr gesagt, dass sie besonders auf mich aufpassen sollte und sie hat ihr Wort die letzten fünf Jahre gehalten. Ich war mir sicher, dass sie immer noch nicht über ihn hinweg war und innerlich hoffte, dass er zurück kommen würde, nicht wegen ihr, sondern wegen mir.
"Danke", sagte ich und setzte mich. Während ich aß, hörte ich dem Radio zu, das hinter mir am Fenster war. Es gehörte zu meiner Routine morgens Radio zu hören. In letzter Zeit gab es aber nicht wie sonst immer Musik, sondern Warnmeldungen über einen Massenmörder. Alles hatte ungefähr vor einigen Monaten angefangen, als ein toter Mann im Wald gefunden wurde. Danach wurden es immer mehr und das hatte noch nicht aufgehört. Die Polizei suchte schon die ganze Zeit nach dem Mörder, aber bis jetzt hatten sie keine Spur.
"Ich frage mich, wann die Polizei endlich den Mörder schnappt. Das kann so doch nicht weitergehen", beschwerte sich Page neben mir. "Es werden täglich Menschen getötet, irgendwann muss die Polizei doch eine Spur haben, der sie folgen können."
"Außer es gibt keine Spur", sagte ich. "Der Täter ist einfach zu gut."
"Es klingt ja fast so, als wärst du auf der Seite dieses Mörder", meinte Page.
"Das ist eine Tatsache. Sonst hätte die Polizei doch schon etwas gefunden", machte ich klar.
"Du musst gut auf dich aufpassen, wenn du zur Schule gehst, wer weiß, was passieren kann", warnte mich Page. "Ich wüsste gar nicht, was ich tun sollte, wenn dir etwas passiert."
"Page, bis jetzt wurden nur Männer getötet. Ich denke kaum, dass ich ihn Gefahr bin", hielt ich dagegen. Manchmal behandelte sie mich wie ein Kleinkind. Mit siebzehn war ich schon alt genug, um auf mich selber aufzupassen.
Nachdem ich fertig gegessen hatte, nahm ich das Geschirr und brachte es in die Küche. Wieder zurück an meinem Platz, schnappte ich mir meine Tasche und ging nach draußen, wo ich auf dem Bus wartete.
Ich beobachtete die ganzen Menschen, die an mir vorbei gingen. Unter den Menschen gab es auch die Schattenwesen, so hatte ich sie immer genannt, als ich klein war. Für andere sahen sie aus, wie normale Menschen, aber ich konnte konnte einen dunklen Schatten um ihren Körper sehen. Ihre Augen war eine Mischung aus Lila und Blau, so wie meine, nur sahen deren Augen aus, als würden sie glühen.
Auch dieses Merkmal konnten die Menschen nicht erkennen. Für sie hatten diese Schattenmenschen normale Augenfarben wie jeder andere. Ab und zu sah ich auch ein Tier, dass die selben Merkmale hatte.
Einige von ihnen bemerkten mich, wie ich sie anguckte und sie starrten mich auch an, während sie vorbei gingen.
In mir drin regte sich etwas und ich bekam wieder das Gefühl, dass es anders war als sonst immer. Dieses Gefühl war schon seit einigen Monaten da, aber ich konnte keinen Unterschied entdecken. Konzentrier sah ich mir alles an. Das Kinderheim, die Bushaltestelle, die Menschen, die Schattenwesen, alles sah aus, wie immer. Dennoch wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmte.
Wenige Zeit später kam auch schon der Schulbus und ich stieg hinein. Beim Kinderheim war immer die erste Station und somit hatte ich freie Wahl. Wie an jedem anderen Tag entschied ich mich für den letzten Platz am Fenster. Ich setzte mich hin und sah aus dem Fenster, wie die Schattenwesen und Menschen an mir vorbei gingen. Das Gefühl, dass irgendetwas anders war, ließ mich einfach nicht los. Die Bustür ging zu und wir fuhren los. Erst im letzten Moment, als wir an den Schattenwesen vorbeifuhren, wusste ich, was anders war. Seine Augen waren nicht lila und blau, sondern rot.
Auch nachdem der Bus schon Meter weit entfernt war, starrte ich immer noch aus dem Fenster. Mein ganzes Leben lang hatte sie sowas noch nie gesehen. Ich fragte mich, ob sie gefährlich, oder harmlos waren, wie die anderen. Die Frage, ob es vielleicht noch mehr von denen gab, schwirrte mir die ganze Zeit durch den Kopf.
Nach und nach kamen immer mehr Schüler in den Bus und ich verhielt mich ganz normal, als hätte ich dieses Schattenwesen nichts gesehen. Viel zu lange schon wurde ich für verrückt gehalten und jetzt hatte ich endlich geschafft ein normales Leben zu führen. Nur wegen so einer Sache wollte ich nicht, dass alles wieder zerstört wurde.
Nach einigen Minuten kamen wir an meiner Schule an und ich stieg aus. Dann begann mein ganz normaler Schultag.
Mit der Zeit hatte ich mich mit vielen in der Schule angefreundet und mich so beliebter gemacht. Alle in der Schule dachten, dass ich ein ganz normales Mädchen war, dass sich eher in ihrer kleinen Welt aufhält. Um mein Geheimnis zu bewahren, damit sie mich nicht für verrückt hielten, hatte ich eine gewisse Distanz zwischen den anderen und mir geschaffen. Ich wünschte, dass ich das nicht müsste, aber eine andere Wahl hatte ich nicht. Das musste ich schon sehr früh lernen.
In der letzten Stunde konnte ich mich überhaupt nicht mehr konzentrieren und schweifte in meine Gedankenwelt. Vor mir stellte ich mir einen Jungen vor, der strahlend blondes Haar hatte und bernsteinfarbene Augen. Er lächelte mich an und hielt mir seine Hand hin.
Mum hatte mir als ich klein war gesagt, dass eines Tages mein Prinz kommen wird, der Haare wie Gold hatte und bernsteinfarbene Augen, die heller funkeln als jeder Stern. Früher hatte ich daran geglaubt, aber jetzt natürlich nicht mehr. Trotzdem war es schön sich die Person vorzustellen, nur um kurz der langweiligen Mathestunde zu entkommen.
Nach gefühlten Stunden klingelte es endlich zum Schluss und ich beeilte mich, um aus der Schule zu kommen.
"Alice, du hast deinen Zettel vergessen", rief mir jemand hinterher und ich blieb stehen. Marie holte mich auf und überreichte mir meinen Zettel.
"Danke", sagte ich und nahm den entgegen.
"Kein Ursache. Bis Morgen." Marie winkte mir noch zu, bevor sie hinüber zum Parkplatz ging.
Ich öffnete meine Tasche, um den Zettel wegzustecken und auf einmal kam ein starker Wind, der mir den Zettel aus der Hand riss. Sofort rannte ich dem nach und versuchte danach zu greifen. Während ich nur auf den Zettel achtete, sah ich nicht wo ich hin lief. Bevor ich es kommen sah, schnappte sich jemand den Zettel. Ich schaffte es nicht mehr, rechtzeitig zu bremsen und knallte gegen die Person. Es musste definitiv ein Mann sein.
Schnell machte ich einige Schritte zurück und sah die Person an. Ich hatte Recht mit meiner Vermutung, dass es ein Junge war, nur hätte ich nicht gedacht, dass er so gut aussah. Und wenn ich richtig lag, war er nur etwas älter als ich. Was mich aber besonders faszinierte war, dass er genau so aussah, wie mein Traumjunge. Die blonden Haare und bernsteinfarbenen Augen.
Ich blinzelte paar Mal, weil ich dachte, dass ich grade in Wirklichkeit im Unterricht sitze und Träume, aber er stand immer noch vor mir.
"Entschuldigung", sagte ich schnell.
Er grinste mich belustigt an und hielt mir mein Zettel hin. "Du musst dich nicht entschuldigen. Ich bin um ehrlich zu sein froh, dass jemand so hübsches in mich hinein gelaufen ist."
"Es tut mir trotzdem sehr leid", wiederholte ich und nahm den Zettel an. "Äh... ich gehe dann mal." Unsicher lächelte ich ihn kurz an und ging an ihm vorbei.
"Warte", rief er und ich blieb stehen. Neugierig drehte ich mich wieder um und sah, wie er auf mich zu kam. "Ich bin Logan, und du heißt?"
"Alice, ich heiße Alice", antwortete ich ihm und konnte es nicht fassen, dass er mich kennenlernen wollte.
Für einige Sekunden standen wir einfach nur da uns sahen uns an. Logan grinste die ganze Zeit und ich konnte nicht anders, als auch zu grinsen.
"Warum grinst du so?", fragte ich und lachte.
"Ich freue mich nur grade dich kennengelernt zu haben", beantwortete er meine Frage ehrlich.
Ich konnte nicht anders als zu denken, dass Mum vielleicht recht hatte. Vielleicht war Logan mein Prinz, von dem sie mir erzählt hatte. Das Aussehen passte genau zur Beschreibung und jetzt konnte ich schon sagen, dass ich ihn irgendwie mochte. Nur fragte ich mich, woher Mum das wissen konnte. Möglicherweise war es nur ein Zufall. Sowas konnte niemand im Voraus wissen.
"Hast du vielleicht etwas Zeit?", fragte Logan. "Ich würde dich gerne besser kennen lernen."
"Klar, warum nicht", stimmte ich sofort zu.
Gemeinsam liefen wir einfach durch die Stadt und unterhielten uns.
"Ist das eben deine Schule gewesen?", wollte Logan wissen.
"Ja, ist sie. Was ist mit dir?" Er war auf jeden Fall schon aus der Schule raus. Also war er entweder ein Student, oder er arbeitete schon.
"Ich arbeite im Familien unternehmen", antwortete er mir.
"Du musst wohl sehr beschäftigt sein", sagte ich.
"Ja, deswegen bin ich auch froh, dich getroffen zu haben."
Plötzlich sah ich wieder die roten Augen und blieb erstarrt stehen. Das Schattenwesen vor uns hatte wie alle anderen auch einen Schatten um seinen Körper, nur die roten Augen stachen heraus. Er sah mich an und ich befürchtete schon, dass gleich etwas passieren würde, doch wie bei jedem anderen Schattenwesen sah er mich nur an und ignorierte mich danach wieder.
"Alice, was ist los?", fragte Logan etwas besorgt neben mir und berührte mich am Arm. Erst durch seine Berührung konnte ich mich von dem Schattenwesen lösen und sah Logan an. "Kennst du den Mann? Du hast ihn die ganze Zeit angestarrt."
"Nein", sagte ich schnell. "Ich habe ihn mit jemanden verwechselt." Logan nickte, aber sah nicht ganz überzeugt aus. Ich hoffe er hält mich jetzt nicht für eine Verrückte.
Wir redeten noch weitere Stunden und erst als es dunkel wurde, fuhr ich mit dem Bus nach Hause. Bevor ich in den Bus stieg, hatten wir noch unsere Handynummer ausgetauscht und wir schrieben die ganze Zeit  während der Bus fahrt.
"Alice, wo warst du?" Page kam sofort angerannt und sah mich besorgt an.
"Ich wollte noch nicht direkt zurück und bin Spazieren gegangen", antwortete ich und ging an ihr vorbei.
"Warum hast du nicht bescheid gesagt? Weißt du, wie viele Sorgen ich mir gemacht habe?"
Ich seufzte. "Es tut mir leid, aber ich wusste nicht, dass man vorher bescheid sagen muss, wenn man weg bleibt."
"Du hast recht, aber bei dir ist es anders. Du gehts nie irgendwo anders hin nach der Schule und bleibst auch sonst immer hier, wenn du nicht raus musst."
Lächelnd nahm ich Pages Hand. "Es tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen", versprach ich ihr. Sie war die einzige im Kinderheim, die ich wirklich mochte, auch wenn ich es nicht oft zeigte, und sie war die einzige, die sich um mich sorgt. Am Anfang war es vielleicht nur, weil sie es meinem Bruder versprochen hatte, aber ich war mir sicher, dass ich ihr etwas bedeutete.
"Gut. Hast du Hunger? Ich habe die etwas bei Seite gestellt", sagte Page und ließ das Thema fallen.
"Ja, ich packte nur kurz meine Sachen weg."
Einige der Kinder im Kinderheim sahen mich kurz neugierig an, da sie meine Gewohnheiten auch konnten und es heute es Ausnahme war. Ich ignorierte sie wie immer und ging rauf in mein Zimmer.
Eigentlich sollte ich mein Zimmer mit jemanden Teilen, aber dann hatten sie sich einfach entschieden mich in das kleinste Zimmer hatten, zu stecken und da kein anders Bett rein passte, war ich alleine. Alle im Kinderheim hatten es schon längst aufgegeben mich dazu zu bringen mich mit den an anderen anzufreunden.
Seufzend legte ich mich auf mein Bett und dachte an Logan. Er war anders, als die anderen, das konnte ich definitiv sagen. Etwas an ihm hatte ich bei noch niemanden gesehen.
Mit einer Hand griff ich in den Bezug meines Kopfkissens und holte eine Kette heraus. Sie war aus silber und ein kleiner Stein hing an der Kette, der genau die selbe Farbe hatte, wie meine Augen. Seit ich klein war hatte ich die Kette gehabt und John hatte genau so eine. Er hatte mir mal gesagt, dass es ein Geschenk unserer Mutter war.
Wo auch immer John war, ich hoffte, dass es ihm gut ging und er genau so glücklich war wie ich jetzt.

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Hallo und herzlich Willkommen zu meinem neuen Buch! Ich hoffe eich hat dieses erste Kapitel gefallen, auch wenn da nicht so viel passiert ist! Es würde mich trotzdem freuen, wenn ihr dran bleiben würdet und Alice durch das Abenteuer begleiten würdet.:)

Eure Story245

SoullessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt