Chapter 3

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Wir fuhren immer weiter und irgendwann konnte man nichts mehr als Wald sehen. Ich war mir sicher, dass wir nicht mehr in der Stadt waren, sondern ganz weit davon entfernt. Um ehrlich zu sein hatte ich gar nicht erwartet, dass so jemand wie Nicolas mitten im nirgendwo wohnt, eher mitten in der Stadt in seinem modernen Haus oder Apartment, da Page meinte, dass er ziemlich reich wäre. Ich hatte zumindest irgendetwas in dieser Art erhofft, nachdem ich mein ganzes Leben im Waisenhaus verbracht hatte.
Nach unserem Gespräch hatte ich sofort eingewilligt, denn Nicolas meinte, dass er mir das erst erzählen könnte, wenn wir bei ihm wären. Er hatte gesagt, dass er etwas über mich wüsste, warum ich diese Augen hatte und ich musste es einfach wissen. Mein ganzes Leben lang hatte ich nach einer Antwort gesucht und jetzt war da jemand, der mit alle Fragen beantworten konnte. Diese Chance würde ich nicht verpassen.
Kurz danach wurden die Papiere unterschrieben und ich war mit ihm mitgegangen. Als wir aus dem Waisenhaus gegangen waren, hatte ich gar nicht verstanden, warum die ganzen anderen Kinder draußen waren, bis ich die riesige Limousine gesehen hatte, die am Straßenrand stand. Es stellte sich heraus, dass es Nicolas' war und ich konnte nicht anders als wie alle anderen Kinder zu staunen.
Und nun war ich hier. Während der Fahrt hatte  ich alles probiert, was hier für mich fertiggemacht wurde. Es gab unzählig viele Süßigkeiten und ich fühlte mich wie im Himmel.
Nach ungefähr einer Stunde Fahrt blieben wir vor einem sehr, sehr, sehr großem Haus stehen. Man konnte es schon als Schloss bezeichnen und nur mit einen kurzen Blick auf den Garten wusste ich, dass ich mich dort locker verlaufen könnte.
Mir wurde die Tür geöffnet und ich stieg staunend aus. Es war alles genau so wie in einem Märchen. Die Limousine war die Kutsch, die Villa war das Schloss und jetzt fehlte da nur noch mein Traumprinz, der gerade aus dem Haus kam. Blonde Haare, bernsteinfarbene Augen, perfekt gekleidet und strahlte mich an.
"Logan?", fragte ich verwirrt.
"Hi, Alice. Hattest du eine angenehme Fahrt?", erkundigte er sich. Seine Stimme war kälter als sonst und ich nickte einfach nur. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass er direkt vor mir stand.
"Das ist..." Es gab einfach keine Worte dafür. "Das ist niemals ein Zufall", sagte ich aus Spaß.
"Ist es auch nicht." Was? Ich starrte Logan an und blinzelte paar Mal, bis ich verstanden hatte, was er gerade eben gesagt hatte. Das war kein Zufall? Für einige Sekunden wartete ich darauf, dass er sagt, dass es nur ein Scherz war, aber es kam nichts.
"Oh... äh, du meinst das ernst", hakte ich noch mal nach, nur um sicher zu gehen, dass ich wirklich kein Zeichen verpasst hatte. Das alles war gerade nämlich ziemlich verwirrend für mich.
"Ja, es gibt keine Zufälle." Für einen Moment konnte ich etwas düsteres in seinen Augen erkennen, was mich überraschte. Ich wusste nicht wieso, aber ich hätte nicht gedacht, dass er so eine dunkle Seite hatte. Jetzt schon schien er mir kälter als ich ihm beim ersten Mal gesehen hatte.
"Ach und Nicolas, könntest du schon mal ihre Sachen im ihr Zimmer tragen?", sagte er dieses Mal zu Nicolas.
"Natürlich mein Herr." Nicolas verbeugte sich kurz und fing an meine ganzen Sachen ins Gebäude zu tragen.
Mein Herr? Jetzt war ich völlig raus. Was geht hier vor? Das war bestimmt nur ein Traum und ich würde in wenigen Sekunden aufwachen. Um das ein bisschen zu beschleunigen kniff ich mich am Arm, aber ich wachte nicht auf, also klatschte ich mir meine beiden Hände gegen meine Wangen.
"Was machst du da?", fragte Logan und sah mich verwirrt an.
"Ich versuche mich aufzuwecken", antwortete ich ihm und klatschte mir weiterhin gegen meine Wangen.
"Das ist kein Traum." Und zum ersten Mal heute konnte ich so etwas wie ein kleines Lächeln bei ihm sehen. "Komm, wir haben noch vieles zu besprechen." Logan legte eine Hand auf mein Kreuz und führte mich rein in seine alte Villa. Innen drin konnte man sich alles wie ein alte Schloss vorstellen. Alles glänzte und sah extrem teuer aus. Ich würde mit definitiv ein paar Stunden nehmen müssen, um mir alles angucken zu können und alle Geheimnisse dieses Hauses kennenzulernen. Aber nicht nur dafür, denn ich konnte schon sehen, wie ich mich verlaufen würde und nicht mehr wusste, wo ich war. Manchmal hatte ich wirklich Probleme damit mir Wege zu merken.
Wir gingen durch einen langen Flur, bis es durch eine Tür zu einer Art Wohnzimmer ging.
Nicolas kam dann auch wieder und Logan und ich setzten uns auf das Sofa. Als Nicolas sich nicht hinsetzte sah ich ihn fragend an.
"Warum setzt du dich denn nicht hin?", fragte ich ihn.
"Nein, danke Miss", sagte Nicolas und ich runzelte die Stirn. Seit wann nannte er mich Miss? Er hatte mich adoptiert, also war ich sowas wie seine Tochter. Diese Anrede passte gar nicht zu einer Vater-Tochter-Beziehung.
Als ich gerade fragen wollte, warum er mich so ansprach, ging Logan dazwischen.
"Das ist Nicolas, den kennst du ja schon. Er ist der Butler der Familie", stellte er mich meinen Adoptivvater vor. Butler? "Nach den Papieren seid ihr Vater und Tochter, aber nicht im richtigen Leben. Und jetzt kann ich nich richtig vorstellen. Mein Name ist Logan O'Shear. Meine Familie gehört zu einer sehr angesehenen Familie." Für eine Moment sah er mich an, als würde ich wissen müssen, wer er war, aber ich hatte keine Ahnung, deswegen überging ich das einfach.
"Und warum bin ich hier?", verlangte ich zu wissen. "Außerdem wurde mir gesagt, dass ich erfahren werde, warum ich diese Augen habe." Mit einer Hand deutete ich auf meine Augen, wo ich dieses Mal keine Kontaktlinsen drin hatte.
"Das kommt jetzt." Da wir jetzt zum spannenden Teil kamen, lehnte ich mich vor, um auch wirklich alles mitzukriegen. "Du kannst Dinge sehen, stimmst?"
Ich sah ihn eine Weile an, um sicher zu gehen, dass ich die Frage richtig verstanden hatte. Dinge. Wenn er damit die Personen meinen, die diesen schwarzen Schatten um sich hatte und die leuchten blauen Augen hatten, dann ja.
"Wenn es da ist, was ich glaube, dann ja", antwortete ich ihm.
"Auch wenn sie wie normale Menschen aussehen, sie sind Dämonen", meinte Logan und ich hätte beinahe losgelacht, hätte er mich nicht so ernst angesehen. Eine Weile blieb es total still und ich erwartete, dass er irgendwann sagen würde, dass das nur ein Scherz war, aber es kam nichts.
"D-Dämonen? Das meinst du dich nicht ernst oder?" Fassungslos sah ich ihn an. "Du willst doch nicht etwa sagen, dass ich auch eine Dämonin bin."
"Nein, natürlich nicht. Du bist eine Halbdämonin, deswegen kannst du auch Dämonen sehen." Okay, jetzt war ich raus. Das alles war ein schlechter Scherz. Dämonen gab es nicht. Und ich war auf keinen Fall eine Halbdämonin. Es musste eine andere Erklärung für all das geben. Ich stand vom Sofa auf und wollte gehen, aber plötzlich spürte ich etwas kaltes und scharfes an meinem Hals. Langsam drehte ich mich um und erkannte, dass es ein Schwert war, welches er mir an den Hals hielt. Die Flache Seite der Waffe berührte meine Haut und trotz der Kälte des Schwertes spürte ich, wie ich anfing zu schwitzen. Mein ganzer Körper zitterte und in mir breitete sich Panik aus.
"Es ist wahr! Und ich brauchte dich", sagte Logan mit fester Stimme und sah mir direkt in die Augen. Ich konnte sehen, dass er es ernst meinte, aber da das Schwert gerade gefährlich nah an meiner Kehle war, hatte ich gar keine andere Wahl als das zu glauben.
"Warum mich?", hakte ich mit leicht zitternder Stimme nach.
"Du hast bestimmt von den vielen Mordfällen in letzter Zeit gehört. Ich komme von einer Dämonjägerfamilie und ich bin mir sicher, dass es die Dämonen waren, aber leider kann ich keine Dämonen sehen. Dann kommst du ins Spiel. Du wirst mir helfen herauszufinden, wieso die Dämonen das tun."
"Und wenn ich das nicht tue?", fragte ich vorsichtig.
"Ich sehe keinen Grund, warum du das nicht tuen solltest. Hier hast du ein gutes Leben, du bekommst alles war du willst. Im Gegenzug musst du nur einige Mal mit mir raus gehen, das warst." Das alles klang viel zu gut um wahr zu sein. Ich würde ein angenehmes Leben führen und bräuchte dafür nur mit ihm nach 'Dämonen' suchen. Es war besser als mein Leben im Waisenhaus. Er hatte recht, es gab wirklich keinen Grund um abzulehnen.
Ich wusste nicht wieso, aber das erinnerte mich ganz stark an John. Er hatte mir gesagt, dass er ein einmaliges Angebot erhalten hatte und das seine Chance war. Vielleicht wurde er auch von Dämonenjägern mitgenommen. Vielleicht konnte ich ihn ja finden, wenn ich hier bleibe.
"Ich bleibe!", sagte ich fest. Ich würde alles tun, um John ein einziges Mal wiederzusehen.
Jetzt erst entfernte Logan das Schwert und ich atmete erleichtert aus. Meine Beine fühlten sich an, als würden sie gleich nachgeben wollen, aber ich zwang mich stehen zu bleiben.
"Nicolas, bringen Sie sie bitte in ihr Zimmer", befahl er seinem Butler und dieser nickte. Nicolas deutete mir ihm zu folgen und ich machte das auch. Eigentlich wollte ich noch weitere Fragen stellen, aber es waren erst einmal genug Informationen, die ich zu verarbeiten hatte.
Während ich Nicolas folgte, versuchte ich mir den Weg zu merken, aber nach wenigen Metern gab ich auf. Wir mussten so oft abbiegen, dass ich mir vorkam wie im Labyrinth. Irgendwann blieben wir vor einer großen weißen Tür stehen und Nicolas hielt mir die Tür auf.
Als ich das Zimmer sah, vergaß ich fast die Unterhaltung von eben. Es war wunderschön und sah aus wie ein Prinzessinnen-Zimmer. Ein großes Bett, große Fenster begehbarer Kleiderschrank, eigenes Badezimmer, ein großer Schminktisch, eine Sitzecke und ein großer Ganzkörperspiegel.
"Das ist von nun an Ihr Zimmer, ich hoffe Sie sind zufrieden damit. Mein Meister hat sehr viel Zeit investiert das Zimmer für sie einzurichten", sagte Nicolas, was mich etwas überraschte. Logan hatte es selber eingerichtet?
"Warum sollte er so etwas tun?", fragte ich und setzte mich auf mein neues Bett.
"Du wirst es bald erfahren, außerdem ist er kein schlechter Mensch. Ihm ist nur schlimmes widerfahren", meinte der Butler und sah mich mit seinem warmen Blick an.
"Wenn er kein schlechter Mensch ist, warum hat er mir sein Schwert an meinem Hals gehalten?!"
"Keine Sorge, er wird es nicht wieder tun. Das war nur ein Test. Wie gesagt, er hatte eine sehr schlimme Kindheit und er kann niemanden vertrauen", erwiderte er. Jetzt wurde ich neugierig. Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass Logan eine schlimme Kindheit hatte. Hier hatte er doch alles was er brauchte.
"Was ist passiert?", fragte ich Nicolas.
"Als er dreizehn war, wurde seine Familie von Dämonen angegriffen. Dabei hat er seine Eltern verloren und alle anderen im seiner Familie. Nur noch einige Angestellte, mich eingeschlossen, sind noch übrig. Meister Logan ist der einzige in seiner Familie und auch somit das Oberhaupt. Er musste vieles durchmachen, denn es ist nicht leicht als Kind auf sich alleine gestellt zu sein. Die anderen Dämonenjäger haben auf ihm hinab gesehen und er musste sich das Ansehen, dass sie damals hatten neu erarbeiten."
Ich starrte Nicolas an. Logan musste es wirklich sehr schlimm gehabt haben und seine Kindheit musste eine Qual gewesen sein. Meine Eltern waren auch früh verstorben, aber ich hatte John und Page. Sie hatten auf mich aufgepasst und mir eine, jetzt in Rückblick, sehr angenehme Kindheit gegeben. Wenn man von der Tatsache absah, dass man mich für Verrückt gehalten hatte.
"Manchmal kann er etwas kalt und gemein sein, aber lass dich davon nicht abschrecken. Logan ist ein guter Mensch. Auch wenn er manchmal für andere einfach Entscheidung trifft", wurde noch hinzugefügt. "Miss, Sie haben jetzt bis zum Abendessen Zeit, um sich alles anzugucken. Sie werden dann um Punkt 18 Uhr am Esstisch erwartet."
"Danke", sagte ich, war im Gedanken aber immer nich bei Logan. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie sehr er gelitten haben musste. Nicolas verließ es das Zimmer und ließ mich alleine im großen Zimmer zurück

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