Chapter 5

450 28 7
                                    

Nicolas machte die Tür auf und ich trat etwas nervös in den Raum. Vor uns befand sich ein großer Tisch mit sehr viel Essen, mehr als drei Personen jemals essen könnten. Wenn ich schätzen würde, würde ich sagen, dass es für meine ganze Klasse reichte, so viel war es.
Es gab wirklich alles zu Essen, Hähnchen, Suppe, Kartoffelpüree, viel Gemüse, Hamburger und so weiter.
Logan saß ganz am Ende des großen Tisches und sah aus dem Fenster. Dabei sah er viel entspannter und friedlicher aus als vorhin.
Als er bemerkte, dass wir im Zimmer standen, sah er uns an und deutete auf den Stuhl direkt vor mir, also ganz am anderen Ende des Tisches. Nicolas zog mir den Stuhl raus und ich setzte mich hin. Er verbeugte sich kurz und war dann schon aus dem Zimmer verschwunden.
"Isst er nicht mit uns?", fragte ich Logan und sah zur Tür, wodurch Nicolas eben gegangen war.
"Natürlich nicht", meinte Logan ganz selbstverständlich. "Er ist ein Angestellter dieses Hauses. Sie werden später essen."
"Kommen dann heute noch mehr Leute zum Essen?", wollte ich wissen und sah zum ganzen Essen.
"Nein", meinte er und sah mich an, als hätte ich was total absurdes gesagt.
"Und das ganze Essen ist also..."
"Ganz genau, für dich und für mich. Ich wusste nicht, was du magst, deshalb habe ich mehrere Gerichte machen lassen", erklärte Logan und ich sah ungläubig auf das Essen. Das alles sollte nur für uns beiden sein? War das nicht etwas verschwenderisch, wenn wir es nicht aufaßen? "Keine Fragen mehr. Jetzt wird gegessen", teilte er mir mit. Er musste wohl bemerkt haben, dass ich noch Fragen hatte.
Logan fing an zu essen und ich machte es ihm nach. Während wir aßen redete niemand und die Stille war wirklich bedrückend. Immer wieder schielte ich zu ihm rüber, um zu gucken, ob es ihm genau so ging wie mir, aber er aß ganz gemütlich weiter. Ich wollte unbedingt etwas sagen, um die quälende Stille zu brechen, aber ich wusste nicht wie ich das machen sollte. Auch hatte ich Angst vor seiner Reaktion. Wäre er doch so wie beim unseren ersten Treffen, dann wäre bestimmt alles viel leichter.
"Magst du das Essen nicht?", fragte er mich nach einer Weile und ich war überrascht, dass er mit mir gesprochen hatte. In den letzten Minuten war ich so sehr damit beschäftigt gewesen darüber nachzudenken, wie ich die Stille brechen konnte, dass ich kaum was gegessen hatte.
"Doch, das Essen ist großartig", antwortete ich schnell. Logan schien mir nicht ganz zu glauben und warf kurz einen skeptischen Blick auf meinen Teller, gab sich aber mit der Antwort zu frieden und sagte nichts weiter.
Jetzt wollte ich die Chance nutzen, um mit ihn zu reden. Da er mit dem Essen angefangen hatte konnte ich ihm fragen, was sein Lieblingsessen war und vielleicht darüber reden.
"Ähm, was isst du so am liebsten?", wollte ich wissen und sah ihn gespannt an. Er war etwas über meine Frage überrascht, antwortete mir aber trotzdem.
"Ich habe kein Lieblingsessen", meinte Logan knapp.
"Oh, wirklich nicht?", gab ich von mir. Warum musste ein Gespräch nie verlaufen, wie man es gerne hätte? Fieberhaft überlegte ich, was ich noch fragen könnte.
"Lieblingsfilm vielleicht?", machte ich weiter.
"Ich habe auch keinen Lieblingsfilm, aber ich gucke gerne Marvel-Filme." Zum Glück war es dieses Mal eine ausführlichere Antwort.
"Die sind wirklich cool." Ich sah ihn eine Weile an und hoffte, dass er mich nach meinen Lieblingsfilm fragen würde, aber das tat er nicht. "Mein Lieblingsfilm ist Die Kinder von Monsieur Mattheu", teilte ich ihm mit. Als ich den Namen ansprach schien er so, als würde er nichts damit anfangen können. "Wenn du ihn nicht kennst können wir den mal zusammen gucken." Logan nickte nur und aß weiter.
Zumindest hatte ich ein kleinen Fortschritt gemacht. Ich weiß jetzt, dass er kein Lieblingsessen hatte und Marvel-Filme mag. Wenn ich jetzt so überlegte wusste ich überhaupt nichts von ihm außer das. Als wir uns das erste Mal kennengelernt hatten, hatte er mir etwas vorgespielt. Da hatte er gesagt, dass er in einem Familienunternehmen arbeitetet was ihm seinen Fall Dämonenjäger bedeutete. Ich wusste noch nicht mal sein Alter.
"Logan", sagte ich, um seine Aufmerksamkeit wieder zu bekommen. "Wie alt bist du eigentlich?"
"Zwanzig", antwortete er und ich nickte. Also war er drei Jahre älter als ich.
"Und wann hast du Geburtstag?", hakte ich weiter nach.
"April." Ich sah ihn an und wartete darauf, dass da noch mehr kam, aber da kam nichts.
"Und der Tag?"
"Ist nicht wichtig." Seine Stimme klang jetzt viel kälter als vorhin und ich wusste sofort, dass ich es nicht wieder ansprechen sollte.
Da ich nichts Riskieren wollte fragte ich lieber nicht weiter nach. Irgendwann anders würde sich die Gelegenheit bieten, aber ich hoffte, dass er auch nach mit Fragen würde. Bis jetzt hatte ich ihn immer gefragt. War er denn kein bisschen neugierig, was für eine Person ich war?
"Ich fragte dich nichts aus, weil ich schon alles über dich weiß", meinte Logan plötzlich uns ich riss meine Augen auf. Woher wusste er, dass ich das gedacht hatte? Konnte er etwa Gedanken lesen?
"Und nein, ich kann keine Gedanken lesen. Es steht dir ins Gesicht geschrieben", teilte er mit mit. War es wirklich so offensichtlich?
"Wie kannst du alles über mich wissen?", hakte ich skeptisch nach. Wir kannten uns erst seit zwei Tagen.
"Unser erstes Treffen war kein Zufall, wie ich es dir schon deutlich gemacht habe. Ich habe mich vorher informiert und habe das geplant", erklärte Logan mir.
"Also hast du dich mir mit Absicht in den Weg gestellt!", stellte ich fest.
"Ja, das habe ich doch eben gerade gesagt", erwiderte er.
"Und woher willst du alles über mich wissen?", wollte ich wissen.
"Glaubst du mir nicht?" Ich schüttelte den Kopf und er seufzte. "Du bist siebzehn Jahre alt, hast am fünften August Geburtstag. Deine Einzige Freundin im Waisenhaus ist Page Wester. Deine Eltern sind verstorben als du noch klein warst und du hast einen Bruder John, der dich später auch verlassen hat..."
"Das stimmst nicht!", unterbrach ich ihn. "John hat mich nicht verlassen. Er ist nur eine lange Weile weg, um eine Chance zu ergreifen, die ihm angeboten wurde. Er wird zu mir zurück kommen."
"Er wird nicht zurück kommen, deswegen hast du auch zugestimmt für mich zu arbeiten. Weil du weißt, dass er nicht zurück kommen wird. Du hast vor ihn zu suchen", sagte Logan kalt. Ich sagte nichts weiter. Er hatte recht, ich wollte meinen Bruder suchen.
Plötzlich fiel mir wieder etwas anderes ein.
"Warum hast du mich eigentlich ausgewählt? Gibt es noch mehr von... meiner Art?", wollte ich wissen.
"Ja, es gibt noch mehr Halbdämonen, aber sie werden immer weniger", sagte er, beantwortete aber meine erste Frage nicht.
"Und warum hast du mich ausgewählt?", wiederholte ich meine Frage.
"Weil du passt", meinte Logan schulterzuckend und ich runzelte die Stirn. Er war wirklich kompliziert. Man musste bei ihm alles nach fragen.
"Passen? Wofür?"
Logan sah mich für einen Moment an, als ob er überlegen würde, ob er mir es sagt oder nicht und legte danach sein Besteck aus der Hand. Ich legte auch meins weg und schenkte ihm meine volle Aufmerksamkeit. Es schien etwas sehr wichtiges zu sein, wenn er mich so ansah. Gespannt lehnte ich mich weiter nach vorne, um ihn zu zeigen, dass ich ihn zuhörte.
"Du bist hier nicht nur, weil du für mich arbeiten sollst. Ich möchte, dass du meine Verlobte bist. Nein, du wirst meine Verlobte sein", korrigierte er sich selbst.
Für einen Moment war alles still und wieder brauchte ich etwas Zeit, um seine Worte zu verarbeiten. Zuerst meinte er, dass ich eine Halbdämonin bin und er win Dämonenjäger. Jetzt wollte er mir noch sagen, dass ich seine verlobte bin? Das waren zu viele Informationen für einen Tag.
Weitere Sekunden vergingen und musste seine Worte immer noch verarbeiten. Ich. Seine Verlobte. ICH. SEINE VERLOBTE! Hatte er das gerade wirklich gesagt?
"I-ich soll d-deine Ver...", stotterte ich noch ungläubig und konnte das Wort noch nicht mal aussprechen. Erst jetzt, als ich wirklich realisiert hatte, was er gesagt hatte, verfiel ich in eine Schockstarre.
Das konnte er nicht ernst meinen. Wir kannten uns erst seit zwei Tagen. Wie konnte er einfach so sagen, dass ich seine verlobte bin? Ich habe noch nicht einmal zugestimmt.
"Ja, ganz genau. In einer Woche wird es eine große Feier bei uns geben und dort werde ich dich den anderen präsentieren", teilte Logan mir mit. Den anderen. Ich fragte mich, ob es noch mehr Dämonenjäger gab und wie viele es waren. Außerdem hatte ich noch nicht mal zugestimmt seine Verlobte zu sein. So wie er es gesagt hatte, stand die Feier schon seit einer langen Zeit fest.
"Warte! Ich habe noch nicht mal zugestimmt", sagte ich schnell. Wahrscheinlich bildete ich es mir nur ein, aber für eine Millisekunde veränderte sich sein sonst so kalter Gesichtsausdruck zu etwas, was ich nicht richtig deuten konnte.
"Ich brauche deine Zustimmung auch nicht", meinte er selbstverständlich und so kalt wie immer. "Du hast auch keine andere Wahl als zuzustimmen. Immerhin willst du doch deinen Bruder finden, oder nicht."
Ja, ich wollte meinen Bruder finden, aber dafür musste ich dich nicht seine Verlobte sein. Das ging fiel zu weit.
"Ja, schon, aber m...." Bevor ich zu Ende sprechen konnte, wurde ich von ihm unterbrochen.
"Gut, denn ab morgen bekommst du spezial-Unterricht."
"Spezial-Unterricht?", hakte ich verwirrt nach.
"Ja, um dich für das adelige Leben vorzubereiten. Immerhin bist du jetzt meine Verlobte", sagte Logan. Ich starrte ihn an. Seit wann waren Dämonenjäger adelig? Ich wusste gar nicht, dass so etwas in unserer Zeit noch existierte.
"Und woraus besteht dieser Unterricht?", wollte ich wissen. Irgendwie stellte ich es mir wie beim Barbiefilm Barbie und die Prinzessinnen-Akademie.
"Na ja, du wirst lernen, wie man sich unter Adeligen benimmt, wie man auf Bällen tanzt, die Geschichte. Halt alles was wichtig ist", zählte Logan auf und ich nickte einfach nur.
Für die nächsten Minuten aßen wir einfach nur noch und sprachen nicht miteinander.
Mein Kopf tat leicht weh und nachdem wir mit dem Essen fertig waren, ging ich sofort in mein Zimmer zurück und schmiss mich auf mein Bett. Das Kleid war echt ungemütlich geworden und ich machte mich bettfertig.
Als ich damit fertig war, setzte ich mich im Schneidersitz aufs Bett und umarmte mein Kissen.
Stück für Stück ging ich den gestrigen und heutigen Tag ab. Zuerst verlief alles normal bis ich Logan getroffen hatte, der an dem Tag noch voll nett war. Heute kam Nicolas ins Waisenhaus und meinte, dass er mich adoptieren würde, was aber nur für die Papiere war, denn eigendlich ist er der Butler von Logan O'Shea, das Oberhaupt der adeligen O'Shea Dämonenjäger-Familie. Und genau er hatte entschieden, dass ich, eine Halbdämonin, seine Verlobte war.
Das konnte alles nicht war sein. Meine Kopfschmerzen verstärkten sich etwas und mit kam der ganze Tag wie ein Traum vor. Zwar hatte Logan zu mir gesagt, dass es kein Traum
war, aber man konnte sich nie sicher sein. Ich konnte aus eigener Erfahrung sagen, dass er ein guter Lügner war.
Dämonenjäger. Dämonen. Halbdämonen. Verlobte. Ich war wirklich verrückt geworden.
Mit einem lauten Schrei prügelte ich auf mein Kissen hinein. In mir fühlte sich alles so schwer und erdrückend an. Diese ganzen neuen Informationen, als hätten sie sich nacheinander aufgestaut und nicht verarbeiten lassen.
Nachdem ich für eine Weile in mein Kissen geschlagen hatte, ließ ich mein Kopf darein fallen. Sofort kam wieder dieses erdrückende Gefühl und ich setzte mich gerade hin, nahm das Kissen und schlug es mir immer wieder gegen mein Kopf. Wieder schrie ich kurz auf und ließ mich zurückfallen.
Alles kam mir so irreal vor. Ich stand auf und lief zu dem großen Spiegel hinüber, um mich anzusehen. Logans Erklärung für meine Augenfarbe war so unlogisch logisch. In der Vergangenheit hatte ich schon öfters nachgeforscht, aber es gab auch keine Erklärung dafür.
Seifzend ging ich zurück zum Bett und legte mich wieder hin. Ich kam zu dem Schluss, dass es kein Sinn ergab.
Außerdem machte nichts wirklich Sinn. Dämonenjäger, sowas gab es doch nicht und erst recht keine Dämonen. Aber wenn man jetzt annimmt, dass es so etwas gibst, dann verstehe ich trotzdem nicht, warum ein Dämonenjäger eine Halbdämonin als Verlobte haben möchte.
Mein Kopf fühlte sich an, als wäre er kurz vorm explodieren. Das beste und einzige, was ich gun konnte war zu schlafen und zu hoffen, dass alles wieder normal wird, sobald ich am nächsten Tag aufwachte.

SoullessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt