16 - Mach dich locker, Tommo

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte waren die Jungen in meinem Zimmer bereits weg. Ich war nicht traurig darüber, ich wollte sowieso niemanden sehen. Schwerfällig stand ich auf und streckte mich, zog mir frische Kleidung an und ging in das kleine Bad um meine Zähne zu putzen. 
Ein Blick in den Spiegel zeigte mir dass ich dass ich absolut nicht auf der Höhe war. Ich sah müde aus, hatte tiefe Augenringe. Und der Spiegel log nicht, tatsächlich ging es mir noch schlechter als gestern. Die Nacht war die Hölle gewesen, ich war absolut erschöpft. Ich nahm mein Handy und seufzte enttäuscht. Ich hatte gehofft Harry hatte seine Meinung geändert, hatte eingesehen dass das alles Quatsch war, doch ganz offensichtlich war das nicht der Fall. Ich hatte einige Anrufe von Niall, ich beschloss es zu ignorieren. 
Mit hängenden Schultern lief ich nach unten und wollte gerade raus auf die Straße laufen, als Ro mich aufhielt. "Schlechte Nacht gehabt?" 
Ich sah auf und blickte zu ihm. Er lächelte mich an, spielte wieder mit dem Piercing an seiner Lippe. "Wie geht's?" fragte er und ich runzelte leicht die Stirn. "Ganz gut." antwortete ich leise und er nickte, sah skeptisch aus. "Wir haben 'ne kleine Feier heute. Willste kommen?"

Ich sah ihn einen Moment an und schüttelte dann den Kopf. Er nickte. "Schade. Siehst so aus als brauchste Ablenkung." bemerkte er und ich sah zu ihm. Das Einzige was ich brauchte war Harry.
"Nächstes Mal." sagte ich und er nickte mir zu, ich sah ihm an dass er mir nicht glaubte. Ich nickte ebenfalls und ging hinaus auf die Straße. Das erste was ich sah während ich mich umschaute war ein Kiosk auf der anderen Straßenseite. Ich überlegte nicht lang, überquerte die Straße und ging hinein. Die Gänge waren so schmal dass man kaum laufen konnte, doch ich bahnte mir meinen Weg zur Kasse.
Keine fünf Minuten später kam ich mit einer Schachtel Marlboro und einem Feuerzeug wieder heraus, setzte mich vor dem Hostel auf eine der Bänke und zündete mir eine Zigarette an. Ich hatte ewig nicht geraucht. Ich wusste nicht einmal wieso ich jetzt rauchte. Ich nahm einen tiefen Zug und nahm mein Handy. Es wäre dumm aufzugeben. Es war schließlich Harry. Ich öffnete seinen Kontakt und mein Finger schwebte über dem Anrufsymbol. 
Seine Worte kamen mir wieder in Erinnerung und ich schluckte. Es hatte vielleicht doch keinen Sinn. Er war klar und deutlich gewesen. 
Und wieder einmal realisierte ich was überhaupt geschehen war. Dass ich Harry verloren hatte. Er wollte mich nicht mehr. Erneut war mir nach Weinen zumute und so tat ich es auch. Mitten in London, auf offener Straße. Ich war tief gesunken. 

"Ist es so schlimm?" hörte ich Rob's Stimme und zuckte leicht zusammen, sah neben mich. Er saß neben mir auf der Bank, musterte mich. Schnell wischte ich die Tränen weg und nickte. "Schlimmer." antwortete ich mit kratziger Stimme. Rob nickte leicht, zog an seiner Zigarette und ich tat es ihm gleich. 
"Erzähl's mir." forderte er mich auf und ich sah überrascht zu ihm. Er sah meinen Blick und lächelte. "Wärst nicht der Erste. Also los. Ich steh' dir kostenfrei zur Verfügung." 
Einen Moment überlegte ich, ehe ich tief durch atmete und schlussendlich begann ihm alles zu erzählen. 
Rob hörte mir zu. Er verurteilte mich nicht und was am Wichtigsten war: Er glaubte mir. 
Es war alles was ich gebraucht hatte. Jemanden der mir glaubte. 

***

Und so kam es dass ich mich abends doch auf seiner Party wieder fand. Die Gäste waren so gut wie alles Mitarbeiter aus dem Hotel und Jenny, die ich wieder erkannte aus dem Hotel. Sie hatte mich gesehen und mich sofort freundlich angelächelt. "Ich wusste doch dass du hier unter kommst!" hatte sie gesagt und mich kurz umarmt. Es stellte sich heraus dass Jenny Rob's Schwester war. Ich hielt das für eine interessanten Mischung. Jenny war so konservativ in ihrem Auftreten. Und Rob war ... nun ja. Er war Rob. Tattoos, Piercings, lockerer Umgangston. Er war das komplette Gegenteil von konservativ. 
Alle waren sehr nett, nur waren sie sehr wild. Als ich Marijuana roch sah ich erschrocken zu Rob. Er sah meinen Blick und lachte. "Mach dich locker, Tommo. Hier macht jeder was er will!" rief er über die Leute Musik hinweg und trank einen Schluck von seinem Vodka Cola, zog an seiner Zigarette. Ich musterte ihn und die anderen. Ich hatte nicht gewusst dass hier Drogen im Spiel waren und fühlte mich ein wenig unwohl, wollte jedoch auch nicht gehen. Ich hatte für einen Moment den ganzen Scheiß vergessen während ich hier war. Ich trank einen Schluck von meinem Bier und blieb sitzen. 
Ich sah zu Lou, einer jungen blonden Frau die gerade mit einem Mann tanzte und herzlich lachte dabei. Sie hatte sich lange mit mir unterhalten über die Arbeit und ich mochte sie. Als wir fertig gesprochen hatten, hatte sie mir durch die Haare gefahren mit den Fingerspitzen und gelächelt. "Ich hoffe du bist bald nicht mehr so traurig." Hatte sie gesagt und war dann verschwunden zu den anderen. 
Ich hatte ihr perplex nach geschaut. Wir hatten mit keiner Silbe darüber gesprochen. War es so offensichtlich? Wahrscheinlich musste ich ihre Hoffnung zerstören. Ohne Harry sah es nicht danach aus dass ich glücklich sein konnte. 

Er war mein Leben und ich fühlte mich noch viel schlimmer als damals, als Zac's Geheimnis an's Licht gekommen war und meine Welt zerstört war. Mit Harry fühlte es sich wesentlich schlimmer an. Ich liebte Harry von ganzem Herzen. Wieder spürte ich den Schmerz und legte mir die Hand auf mein Herz. Ich wusste dass es nicht half, aber es linderte ein wenig und ich konnte meine Atmung besser kontrollieren. Vermutlich musste ich aussehen wie ein Psychopath. 

Rob ließ sich neben mich fallen und hielt mir etwas hin, dass sich nach genauerem Betrachten als Joint identifizierte. Sofort schüttelte ich den Kopf und sah ihn an.
"Sicher?" fragte er und zog daran. Ich nickte leicht. Er lächelte mich an und klopfte mir auf die Schulter. "Überleg es dir. Ich weiß wie es dir im Moment geht und vielleicht bringt dich das auf andere Gedanken. So kannst du mal abschalten." 
Ich musterte den Joint einen Moment und zog es nur für eine Sekunde in Erwägung. Vielleicht hatte Rob ja Recht und es lenkte mich ab, ließ mich vergessen. Wieder schüttelte ich den Kopf. 
Rob lächelt und widmete seine Aufmerksamkeit einem jungen Mann der neben ihm saß. Und ich beschloss bei meinem Bier zu bleiben. 
Marijuana zu rauchen war mit Sicherheit keine gute Idee und ich war mir dessen bewusst. Ich hatte nie in Erwägung gezogen Drogen zu konsumieren, ich konnte doch damit jetzt nicht anfangen. Die kleine Stimme in meinem Kopf, die mir sagte es zu testen, ignorierte ich geflissentlich, schaute auf die Flasche Bier in meiner Hand. 
Alkohol half auch.

Fuck Me, Love Me ∆ L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt