~ Kapitel 2 ~

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*Hermines Sicht*

Ich schaute in den Himmel. Oh Mist! Schon so dunkel! Mir war nicht aufgefallen, dass es schon dämmerte und es erstaunlich kalt geworden war. Schnell stand ich auf und joggte den Weg nach Hogwarts zurück.

Schwer atmend und meine Kondition verfluchend, erreichte ich das Schloss und lief schnell zu meinem Gemeinschaftsraum. Beziehungsweise hatte ich das vor, ich stürmte gerade um die Ecke, als ich gegen jemanden stieß und auf den Boden plumpste.

"Autsch!", stöhnte ich und rieb mir meine schmerzende Stirn. "Granger?", fragte mich eine, mir nur allzu bekannte, tiefe Stimme. Was für ein verdammtes Klischee.

Das wäre die perfekte Gelegenheit, ihn zu fragen... Mich würde mich brennend interessieren, warum er auf den verletzenden Ausdruck "Schlammblut" verzichtet hatte, aber bei dem Reinblüter kann man auf so eine direkte Frage doch nur eine sarkastische Antwort erwarten. Selbst wenn ich mit meiner Vermutung ins Schwarze treffen würde, nein, zugeben würde er es nie und nimmer.

Was würde er eigentlich zugeben?

Dass ihm sein ehemaliges, extrem eingebildetes und hochnäsiges Verhalten Leid tat? Träum weiter, Hermine. Das war wahrscheinlich nur meine Wunschvorstellung, sein Ego war gigantisch groß und ich bezweifle, dass er sich Fehler überhaupt eingestehen konnte oder dass ich irgendwann gar den Ansatz einer Entschuldigung erwarten konnte.

Eigentlich sollte es mich auch gar nicht interessieren, ob er sich positiv verändern wollte oder nicht, ich lebte mein Leben, er seins und im besten Fall gingen wir uns beide aus dem Weg. So würden wir uns wenigstens nicht ständig über den Weg laufen. Die zwei Male heuten waren mir schon überaus unangenehm.

"Lass mich doch einfach in Ruhe...", meinte ich mit einem unbeabsichtigten, stark feindseligen Ton und bereute es im nächsten Moment schon wieder. Ich hatte meine Emotionen noch nie hundertprozentig unter Kontrolle. Aufgrund meiner vorherigen Gedankengänge habe ich einfach wieder angenommen, dass er ein schlechter Mensch war.

Bis zu einem gewissen Grad stimmte das natürlich auch, schließlich habe ich das sozusagen am eigenen Körper mitbekommen.

Er schaute mich einfach nur an und ich versuchte vergeblich seinen Blick zu deuten. Wütend? Genervt? Hatte er überhaupt das Recht wütend zu sein? Nein, hatte er nicht. Wir sind uns nur ein paar Mal zufälligerweise über den Weg gelaufen. Peinliche Stille entstand zwischen uns bis er nach einer gefühlten Ewigkeit das Wort ergriff.

"Ich soll dich in Ruhe lassen? Wer kommt mir denn hier immer in die Quere?", kam über seine Lippen und er warf mir einen verächtlichen Blick zu. Wenigstens das konnte er noch, seine Augen sagen mir auch schon viel, da muss er mich ja noch nicht einmal beleidigen.

Bevor ich ihm klarmachen konnte, dass das definitiv nicht von mir beabsichtigt war, rutschte mir auch schon ein neugieriges "Ist alles in Ordnung mit dir?" heraus. Ich gab mir eine innerliche Ohrfeige. Selbst bei einer Person, die mich ständig herablassend behandelte und noch nie auch nur ansatzweise freundlich zu mir war, konnte ich es nicht lassen zu versuchen hinter die Fassaden dieser zu schauen.

"Selbst wenn, was interessiert's dich, Granger?", fragte er und schaute mir forsch in die Augen. Ich merkte förmlich wie ein Wärmestrom durch mich zog.

Warum schaut er mich denn jetzt so eingehend an? Als ob ihn so etwas noch nie jemand gefragt hätte. Natürlich hat er das nicht von mir erwartet, eben weil er genau weiß, wie er mich die letzten Jahre behandelt hat. Vielleicht ist er auf die Weise sogar angreifbar?

Ich beschloss, ihn das ab jetzt öfter zu fragen, nur um zu sehen, ob es ihn fortwährend aus der Bahn wirf, wenn jemand Interesse an seinem Wohlbefinden äußert. Oh, er schaut mich ja immer noch an.

Diese tiefen, grauen Aug-... gibt es überhaupt tiefe Augen? Mein Körper spielte verrückt und das nur aufgrund eines etwas längerem Blickkontakt. Warum sind mir seine Augen eigentlich noch nie aufgefallen? Dumme Frage, warum hätten sie das tun sollen, Malfoy meidete mich stets.

Ich hatte das Gefühl, dass er mich mit seinen Blick durchbohrte, es war als könnte er meine Gedanken lesen. Ich wollte ihm antworten, ihm eine Antwort geben, aber ich konnte nicht anders als dümmlich zurückzustarren. Wo ist mein Selbstbewusstsein, wenn ich es mal brauche?

Malfoy merkte wohl, dass ich ihm durchgehend in die Augen blickte, ja wahrscheinlich sogar gaffte und fragte mich mit einem süffisanten Grinsen, was denn los wäre.

Aus meiner Trance gerissen bemerkte ich, dass ich wir uns, aufgrund unseres Zusammenstoßes, fast mit den Beinen berührten und auch die generelle Nähe fiel mir erst jetzt auf. Wieso hab ich das nicht früher mitbekommen? Und warum ist er nicht sofort wieder auf seine übliche Distanz gegangen?

Etwas geschockt stand ich auf und drehte mich um. Nichts sagen, nichts sagen, einfach weggehen. Ich konnte seine Blicke in meinem Rücken spüren, könnte sich aber auch um Einbildung handeln. Nach dem was gerade passiert war, traute ich meinem Körper nicht mehr. Mieser Verräter. Konnte man das eben Geschehene gelungen nennen? Nein, nicht wirklich, abe rich habe trotzdem erfahren, dass es ihm offensichtlich unangenehm ist über seine Gefühle zu reden. Ich wollte nur sein Benehmen nachvollziehen, aber jetzt denkt er wahrscheinlich auch noch, dass ich mir sonst was überlegt habe, weil ich so lange in seine dämlichen Augen gestarrt habe. Ja, Entschuldigung, ich bin ein Mädchen und meine Hormone spielen verrückt!

Immer alles auf die Hormone schieben klappt tatsächlich erstaunlich oft. Und trotzdem stellte ich mir die Frage, mit ihm los war. Eine konkrete Antwort wollte ich immer noch. Sollte ich nicht eher mich fragen, was mit mir los war? Ich hab so etwas ähnliches noch nie gespürt, diesen Bann, diesen tranceartigen Zustand, in dem ich zu keiner Reaktion imstande war... Lag das wirklich nur an den Hormonen oder meinem Selbstbewusstsein, das einen Abgang macht in Situationen, in denen ich es eigentlich dringend brauchen würde.

Ich schob den Vorfall meiner Müdigkeit zu, welche, zusammen mit meiner minimalen Verpeiltheit zu erst recht keinem guten Ergebnis führt.

Morgen war der letzte Schultag und ich wollte nicht wieder all zu müde sein, weshalb ich mich schnell bettfertig machte. Die Ferien würde ich, wie jedes Jahr, in Hogwarts verbringen ohne Ron und Harry, aber ich könnte ja jederzeit in die Bibliothek gehen und dort für die Prüfungen, die mir ständig im Kopf schwebten, lernen.

Mit diesem Gedanken schlief ich ein. Wenn ich aber gewusst hätte, wer die Ferien ebenfalls in Hogwarts verbringen würde, wäre ich sicher nicht so beruhigt eingeschlafen.

Dramione ~ Vom Feind zum Freund Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt