#7 || Von Ähnlichkeiten und Unterschieden

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Den ganzen Tag sind wir unterwegs, laufen ohne Pause durch die sengende Hitze der Wüste.

Mir macht das nichts aus aber Kitty ist erschöpft.
Ich kann es erkennen, sehe es an ihren Bewegungen und weiß, dass sie versucht es zu kaschieren.
Wieso versteckt sie es?
Hat sie Angst, dass ich sie doch noch zurücklassen könnte?
Fürchtet sie tatsächlich allein zu sein?

"Weil es schon immer so war."

Wie oft wurde sie bereits zurückgelassen?
Wie oft wurde sie schon enttäuscht?
Wie tief sitzt dieser Schmerz in dem Mädchen?
So tief wie bei Sasori?
So tief wie bei mir, nachdem ich den Puppenmeister verloren habe?

"Brauchst du eine Pause?", frage ich leise ohne Kitty anzusehen.
"Nein.", antwortet sie schnell.
Zu schnell...

Sie ist ein schlechter Lügner.
Selbst ich, die nicht unbedingt jede Gefühlsregung erkennt, kann das Mädchen jedoch sofort durchschauen. Schon allein, weil ihre körperliche Verfassung eindeutig ist. Ich musste bereits mein Tempo reduzieren, damit sie mit mir Schritt halten kann.
Sie ist am Ende und es hat keinen Sinn das zu leugnen.

"Lüg mich nicht an.", sage ich streng.

Sofort erinnere ich mich an eine Unterhaltung mit Sasori. Er war wütend. Ich hatte ihn verletzt - emotional.

"Du weißt es genau."
"Nein, ich weiß es nicht..."
"Lüg mich nicht an!"

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass es nicht Zorn sondern Eifersucht war, was in seinen Augen funkelte.

"Tu ich nicht.", meint das Mädchen neben mir und ich bleibe aprubt stehen, wende mich ihr zu.
Auch sie macht Halt, begegnet meinem Blick ruhig während sie tief durchatmet.
"Du bist ein schlechter Lügner.", lasse ich Kitty wissen.
Beinahe schon ertappt senkt sie ihren Blick, zieht die Augenbrauen nachdenklich zusammen.
"Ich weiß..."

Kurz lege ich den Kopf schief bevor ich mich an Ort und Stelle in den Wüstensand sinken lasse. Für einen Moment betrachtet mich die Puppenspielerin blinzelnd, Verwunderung erscheint in ihren dunklen Augen, bevor sie sich mir gegenüber ebenfalls auf den Boden setzt. Ich schließe die Augen, atme tief durch und versuche so die furchtbare Ungeduld in meinem Körper zu bekämpfen, die sich jetzt bereits wieder bemerkbar macht.
Doch auch, wenn ich unbedingt weiter will, so muss ich wenigstens ein wenig auf den Menschen achten.
Egal wie nervtötend das ist.
Sasori hat es schließlich auch geschafft immer und immer wieder auf Deidara zu warten.

"Danke...", flüstert das Mädchen so leise, dass ich es kaum hören kann.

Ich reagiere nicht. Unbewegt sitze ich noch immer da und schweige, doch in meinem Inneren scheint sich etwas zu rühren.
Eine sanfte Wärme erfüllt meinen Körper. Ein schönes Gefühl, angenehm.
Nichts im Vergleich zu dem, was Sasori in mir auslösen konnte, dennoch genieße ich es sehr.

Es ist das erste Mal nach seinem Tod, dass ich mich für einen Moment wohl fühle.
Dass ich mich für einen Moment geborgen fühle, auch wenn dieser Augenblick so schnell vergeht wie er gekommen ist und die gewohnte Kälte beinahe sofort zurückkehrt.

Dennoch...

Ich hatte schon fast vergessen wie das ist etwas Gutes zu fühlen, etwas Angenehmes.
Etwas anderes als Schmerz und Trauer, Wut und Hass.
Etwas anderes als Kälte und Einsamkeit.
Und insgeheim danke ich dem Mädchen dafür.

Eine Weile ist es still und jeder von uns geht seinen eigenen Gedanken nach, während Kitty diese benötigte Pause wohl genießt.
Sie ist es auch, die schließlich die Stille bricht.

"Rabiya?"
Langsam öffne ich die Augen und begegne dem forschenden Blick der Puppenspielerin mir gegenüber, die mit ausgestreckten Beinen und nach hinten gelehntem Oberkörper auf dem Boden sitzt während sie sich mit ihren Armen abstützt. 
"Diese Rache ist dir wirklich wichtig, nicht wahr?", fährt sie leise fort.
"Wichtiger als alles andere."
"Du weißt aber schon... naja..."
Sie zögert, sucht nach Worten während sie nachdenklich auf ihrer Unterlippe kaut.
Ich lege den Kopf etwas schief, warte darauf, dass sie ihren Standpunkt deutlich darlegt.
Wieso muss sie überhaupt überlegen was sie sagt?
Versucht sie etwa mir nicht zu nah zu treten, mich nicht zu verletzen?
Wie lächerlich.
Wie menschlich.

"Egal wer dir genommen wurde: Rache bringt ihn nicht zurück.", erklärt sie schließlich ruhig und ich nicke.

Ich weiß, dass ich ihn endgültig verloren habe...
Ich weiß, dass ich ihn wohl nie wieder sehen werde...
Ich weiß, dass ich jämmerlich versagt habe...

Ich weiß es und dieses Wissen tut weh.

"Ich weiß."
"Und trotzdem willst du das tun? In ein Dorf eindringen und jemanden töten?"

Es wäre nicht das erste Mal, dass ich töte.
Doch es wäre das erste Mal, dass ich es selbst entscheide. Und diese Entscheidung ist richtig. Sie ist gerecht.

"Ja. Ich muss es tun. Zumindest das bin ich ihm schuldig."

Denn es ist meine Schuld, dass Sasori starb.
Wäre ich bei ihm gewesen, wäre ich nur etwas schneller gewesen, hätte ich ihn retten können. Er wäre noch am Leben, würde mir jetzt nicht so furchtbar fehlen. Wir könnten jetzt zusammen sein.
Nur er und ich.

Wäre, hätte, könnte, würde...

Nein, es ist zu spät. Der Mann ist tot und alles was bleibt bin ich und die Chance auf Rache.
Ich muss es tun.

"Du denkst du bist an diesem Tod Schuld... Hast du ihn etwa getötet?" 
"Nicht direkt. Vielmehr habe ich es nicht verhindert."

Kitty öffnet erneut den Mund um etwas zu erwidern, doch ich unterbreche sie forsch.
Ich will nicht mehr darüber reden.

"Genug. Es war meine Aufgabe als Marionette meinen Meister zu beschützen, aber ich habe versagt. Ich werde die Verantwortliche töten, meinen Meister rächen und du wirst mich nicht davon abhalten."

"Das will ich doch gar nicht. Ich versuche nur das alles zu verstehen."

Blinzelnd begegne ich ihrem Blick und lege den Kopf etwas schief.
Ein kleines Lächeln legt sich auf ihre Lippen, die dunklen Augen glänzen beinahe vor Aufregung. Kurz befeuchtet Kitty mit ihrer Zunge ihre Lippen und legt den Kopf in den Nacken, um an den Himmel zu blicken.
"Weißt du... Ich begebe mich in ganz schönen Ärger indem ich dich begleite. Suna-Gakure wird weder gut heißen, dass ich ohne Erlaubnis das Dorf verlassen habe noch, dass ich zulasse, dass eine lebendige Marionette jemanden aus einem verbündeten Dorf tötet. Man könnte mich als Shinobi entlassen, mich in das Gefängnis stecken oder gleich des Hochverrats beschuldigen und mich hinrichten.", erklärt das Mädchen ruhig bevor sie den Kopf wieder zu mir dreht.
"Ich tu das alles wegen dir, doch ich will wissen wie ernst es dir ist. Ist diese Rache wirklich etwas, das du unter allen Umständen erreichen musst? Ist sie das Risiko, das ich für dich eingehe, wirklich wert?"

Ich schweige, denke kurz über ihre Worte nach und lasse meinen Blick dabei zur Seite schweifen.
"Ich zwinge dich nicht mich zu begleiten. Ich brauche deine Hilfe nicht und meinetwegen kannst du ruhig gehen.", murmel ich leise, sehe zurück zu der Puppenspielerin, die mich noch immer ansieht ohne sich bewegt zu haben.

"Ich habe nicht gefragt ob du mich brauchst, sondern ob dein Ziel es wert ist alles zu riskieren. Eine ganz einfache Frage, Rabiya. Antworte mir.", fordert Kitty.
Ihre Stimme ist ernst, der Blick ihrer dunkelbraunen Augen streng während ihr Gesicht keine Regung zeigt.
Das abenteuerliche Glänzen von vorhin ist genauso verschwunden wie das Lächeln auf ihren Lippen und ich schlucke schwer.
Sie erinnert mich so sehr an Sasori, dass ich das Gefühl habe keine Luft mehr zu bekommen.

Ihr Blick, ihre Mimik, ihre Worte...

"Meinen Meister zu rächen ist jedes Risiko wert."

Kurz schließt das Mädchen die Augen bevor sie sich erhebt und den Wüstensand von ihrer Kleidung klopft.
"Na dann... Ich glaube die Pause war lang genug."

Püppchen, Püppchen - Die Rache [Wird überarbeitet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt