#8 || Von Liebe und Freundschaft

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Wir erreichen das Ende der Wüste, als die Sonne erneut am Horizont versinkt. Vor uns liegt nun der Forst des Feuerreiches.
Nicht mehr lang...
Bald sind wir am Ziel...

"Wir übernachten hier.", sage ich und sehe mich um.
Die wenigen Bäume stehen aufgrund des trockenen Bodens noch nicht all zu dicht zusammen, sodass ich die Gegend gut im Auge behalten kann während das Mädchen schläft.
"Nicht nötig. Ich bin noch nicht müde.", lässt mich Kitty wissen und ich betrachte sie eingehend.
"Wirklich. Nicht gelogen.", sagt sie mit einem schiefen Lächeln und ich nicke langsam während wir weitergehen und die Vegetation um uns herum langsam dichter wird.
Tiefer im Wald wird es schwerer werden die Situation zu überblicken, doch ich glaube kaum, dass wir groß Gefahr erwarten dürften.
Kaum jemand weiß, dass ich existiere und noch weniger haben auch nur eine leiseste Ahnung von meinen Plänen. Die Puppenspielerin bei mir ist, soweit ich ihren Aussagen entnehmen kann, ein registrierter Shinobi aus dem Windreich, die wohl kaum von Verbündeten attackiert werden wird. Die einzige Gefahr stellen also wilde Tiere und Banditen dar, welche beide jedoch ohne größere Probleme aus dem Weg geräumt werden können.
Es wird eine unkomplizierte Reise bis zum Dorf Konoha-Gakure, dessen bin ich mir ziemlich sicher.
Auch, wenn ich nicht geplant hatte jemanden bei mir zu haben. Soweit ich das beurteilen kann wird die Puppenspielerin die einzige Überraschung auf meiner Reise gewesen sein.

"Wie war er so?"
Kitty's Stimme neben mir reißt mich aus meinen Gedanken und ich werfe ihr einen kurzen Seitenblick zu.
"Wovon redest du?"
"Dein Meister, den du rächen willst. Wie war er?"
Für einen Moment weiß ich nicht was ich darauf antworten soll, verlangsame meine Schritte ein wenig und denke nach.
Sasori.
Wie war er?
Großartig, fantastisch, talentiert, geschickt, die Liebe meines Daseins...
Das und noch einiges mehr kommt mir sofort in den Sinn, doch nicht über meine Lippen.
Ich weiß nicht wie ich in Worte fassen soll, was er für mich bedeutet hat - es noch immer tut.
Ich weiß nicht wie ich ausdrücken soll, was er für mich war oder wie er war.

"Unbeschreiblich.", flüstere ich leise.
Das scheint Kitty jedoch nicht zufrieden zu stellen, denn sie seufzt leise und verdreht die Augen.
"Wie wäre es mit Details, Rabiya?"

Wieder denke ich nach und obwohl die Erinnerung an den Rotschopf schmerzt, so sehe ich deutlich sein Gesicht vor mir, höre seine ruhige Stimme und spüre den sanften Druck seiner Lippen auf meinen.
Ohne es bewusst wahr zu nehmen schleicht sich die leichte Andeutung eines Lächelns auf mein Gesicht während mein Herzschlag sich etwas zu beschleunigen scheint.

"Er war...", beginne ich leise, atme tief durch und schüttle leicht den Kopf.
"Er war unglaublich klug und begabt. Sein Wissen über das Puppenhandwerk war größer als ich es je bei jemand anderem vorgefunden habe. Marionetten waren sein Leben, seine Leidenschaft, seine Liebe."

Erneut halte ich inne und suche nach Worten, während Bruchstücke unserer gemeinsamen Zeit in mein Gedächtnis gerufen werden und dort wie ein Film ablaufen.
Schöne Momente, nicht ganz so gute Augenblicke...

"Er war sehr ungeduldig. Er hasste es zu warten, egal um was es ging. Doch für seine Kunst - seine Puppen - nahm er sich immer alle Zeit der Welt. Er arbeitete unglaublich genau und sehr gewissenhaft. Er wollte alles perfekt machen, selbst perfekt sein."
"Hat er dich geschaffen?"
"Nein. Aber er hat mich fühlen lassen und mich geprägt. Er ist der Grund weshalb ich bin wie ich bin. Er allein hat mich wirklich zum Leben erweckt auch, wenn ich vorher schon existiert habe. Er hat mir gezeigt was es bedeutet sich wirklich mit jemandem verbunden zu fühlen, jemandem zu vertrauen und als er starb -"
Ich mache mitten im Satz Halt als der Schmerz in meiner Brust diese fast zu zerreißen droht.

"Er war auf einmal weg und ich so einsam.", flüstere ich leise.

"Du hast ihn geliebt.", stellt Kitty ruhig fest und dennoch kann ich einen leicht verwirrten und ungläubigen Unterton in ihren Worten mitschwingen hören.
Ich erwidere nichts darauf, halte meinen Blick nur stur nach vorne gerichtet und vermeide es sie anzusehen.

Wieso tu ich das überhaupt?
Wieso rede ich mit dem Mädchen?
Ich kenne sie nicht, kann ihr nicht trauen.
Trotzdem lasse ich zu, dass sie mich begleitet.
Ich lasse zu, dass sie an meinem Schmerz teilnimmt, versuche mich ihr gegenüber zu erklären.

Wieso?

"Ich weiß wie es ist, jemanden wichtigen zu verlieren. Es ist nicht ganz dasselbe aber mein Vater verschwand als ich ein Kind war. Ich weiß nicht wieso und ich weiß nicht wohin. Er war einfach weg und ich... Es war schwer für mich zu akzeptieren, dass er einfach gegangen ist und mich im Stich gelassen hat.", erklärt das Mädchen neben mir.
"Nein, es ist nicht dasselbe.", murmle ich und Kitty beginnt leise zu lachen.
Gespielt, wahrscheinlich um ihren Schmerz zu verstecken.
So, wie es Menschen nur allzu oft tun.

"Was ich damit sagen will ist: Ich kann verstehen, dass dir diese Rache sehr wichtig ist. Und ich kann verstehen, dass - wenn du fühlst und ihn geliebt hast wie du selbst zugegeben hast - es unglaublich weh tut deinen Meister verloren zu haben. Dennoch muss ich zugeben, dass ich dich ein wenig beneide."

Verwirrt runzle ich die Stirn und sehe zu der Rothaarigen hinüber, die die Hände hinter ihrem Rücken zusammengelegt und den Blick nach oben in die Blätter der Bäume gerichtet hat.

"Ich war noch nie verliebt und wahrscheinlich werde ich es nie sein. Ehrlich gesagt fällt es mir ziemlich schwer mit irgendjemandem zu reden - Ja, sich jemandem auch nur zu nähern."
"Du redest mit mir."
"Stimmt. Ich rede auch mit meinen Marionetten, doch sie antworten mir nicht. Du schon und das ist der Unterschied. Du magst fühlen, sprechen, denken, eigenständig handeln können und damit bist du wohl so ziemlich ein Mensch. Trotzdem fällt es mir leichter mich mit dir zu unterhalten als mit jemand anderem, der mir antworten könnte. Klingt vielleicht merkwürdig aber das ist die Wahrheit. Sag mal, Rabiya. Wie fühlt es sich eigentlich an? Liebe, meine ich."

Liebe...
Dieses merkwürdige, kribbelnde Gefühl, welches ich lange nicht deuten konnte.
Kann ich es nun erklären?

"Warm, geborgen, aufregend und atemberaubend...", antworte ich zögernd.
Ich weiß nicht, ob es sich so beschreiben lässt.
Ich war noch nie gut im Erkennen von Emotionen und diese näher zu definieren gehört definitiv auch nicht zu meinen Stärken.
"Klingt gut.", meint das Mädchen trotzdem und ich nicke leicht.
"Es ist gut."
Kichernd schüttelt Kitty neben mir den Kopf und dieses Mal klingt es ehrlich, echt.
Dieses Mal ist es nicht gespielt und irgendwie finde ich das angenehm.
Es ist schön, ein so ehrliches Geräusch zu hören.
"Was ist so witzig?", frage ich dennoch und das Kichern wird zu einem lauten Lachen.
"Wow. Es ist nur... Ich fühle mich wie ein pubertierendes Mädchen, das mit ihrer Freundin über Jungs redet."

Erneut bricht Kitty in schallendes Gelächter aus, während ich sie nur stumm anstarren kann.
Ihre Worte gerade eben irritieren mich mehr als es je irgendetwas zuvor getan hat.
Eigentlich nur eines dieser Worte.

"Freundin...", wiederhole ich so leise, dass Kitty es mit ihrem Lachen unmöglich hören kann.

Ich habe über Freundschaften gelesen, von ihnen gehört.
Doch ich habe selbst noch nie jemanden gehabt, den ich als meinen Freund oder meine Freundin bezeichnet hätte, denn dafür hätte ich fühlen müssen.

Gegenseitige Zuneigung, Vertrauen, Sympathie...
Nicht so stark wie die Liebe, aber dennoch löst es ein Gefühl von Geborgenheit und Verständnis aus.
Das ist Freundschaft.

Doch Kitty und ich, wir sind keine Freunde.
Wir sind nur Fremde, die zufällig gemeinsam reisen und die ansonsten nichts verbindet.
Die ansonsten nichts gemeinsam haben und nichts miteinander teilen.

Wie kommt das Mädchen nur auf diese Idee?

Püppchen, Püppchen - Die Rache [Wird überarbeitet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt