"Ich glaube es ist besser, wenn ich erst einmal allein versuche das Mädchen zu finden.", murmelt Kitty nachdenklich nach einer Ewigkeit, die wir nur still nebeneinander saßen.
Nach dem Vorfall auf der Straße hat sie sich mit mir in ein Zimmer einer kleinen Herberge zurückgezogen und seitdem geschwiegen. Noch immer kann ich Sorge in ihrem Blick sehen und ich versuche ihm auszuweichen.
Es macht mich krank.
Stur starre ich nur an die gelb gestrichene Wand des Zimmers, um das Mädchen nicht anzusehen, und schüttel zur Antwort knapp den Kopf.
Kitty wird nicht ohne mich anfangen das Mädchen zu suchen, das ich töten werde.
Wieder breitet sich Stille aus und ich höre die Puppenspielerin leise seufzen.
"Was war los? Du bist auf einmal zusammen gebrochen. Das hat mich ganz schön erschreckt."
Sie sorgt sich noch immer um mich. Ich kann es an ihrer Stimme hören, erkenne es an ihren Worten und dennoch dringt es nur dumpf zu mir durch.
Alles scheint in weite Ferne zu rücken.
Erinnerungen, Gefühle, der Plan...
Das alles ist ohne Bedeutung momentan.Nur ein Gedanke bleibt:
Ich verliere uns.Ich verliere mich selbst in Sasori's Erinnerungen, in seinen Angewohnheiten und Vorlieben.
Ich verliere Sasori, da ich nicht er bin, lediglich wahrnehme, was bereits weg ist. Es ist wie ein ewiger Kampf in meinem Inneren.
Ich kenne den Grund dafür nicht und das ist mir auch gerade ziemlich egal.Ich habe meinen Meister schon einmal verloren, habe zugelassen, dass er gestorben ist.
Jetzt muss ich langsam miterleben, wie er in mir verschwindet und ich in ihm.Und ich fürchte mich davor.
Ich kann diesen Prozess weder aufhalten noch kontrollieren oder gar richtig vorhersehen. An Chiyo's Grab haben mich alte Erinnerungen und Gefühle schon einmal komplett überwältigt, gerade vorhin erneut. Mal ganz davon abgesehen, dass diese furchtbare Ungeduld in meinem Inneren mich immer wieder aufs Neue dazu anspornen will mich endlich zu bewegen, den nächsten Schritt zu meiner Rache zu tun.
Doch ich kann nicht. Ich fühle mich unglaublich schwach, lasse zu, dass meine Angst Sasori's Ungeduld betäubt.Ich verliere die Kontrolle.
Ich verliere die Perfektion, von der Sasori dachte, dass ich sie verkörpere. Mit jeder Sekunde verliere ich immer mehr alles, was ich bisher war und werde zu etwas, das ich nicht benennen kann.
Mit Gefühlen, die nicht mir gehören und Bildern aus einer Vergangenheit, die ich nie erlebt habe."Rabiya."
Kitty steht jetzt direkt vor mir, sodass ich ihr nicht mehr ausweichen kann, und mustert mich eingehend mit dunklen Augen. Ihr Blick ist noch immer so voller Sorge, dass ich am liebsten wieder zur Seite sehen würde, doch ich kann nicht wegschauen. Fast als würden mich ihre Augen gefangen halten.Sie sind gerade jetzt mein einziger Bezug zur Realität, zu mir.
"Was ist los?", fragt sie mich erneut und ich öffne langsam den Mund, um zu antworten.
"Das geht dich nichts an.", sage ich leise und schlucke sofort schwer.
Sogar meine eigene Stimme ist mir irgendwie fremd.
Habe ich mich schon so weit verloren?
"Doch natürlich tut es das. Wir sind Freunde, schon vergessen?"Der verletzte Ausdruck in ihren Augen erinnert mich sofort an Komushi und lässt mein Herz verräterisch stechen.
Sasori hat ihn gemocht. Er hat ihn in seine Welt gelassen, doch das hat ihm den Tod gebracht.
Weil Menschen unvollständig sind.
Weil sie schwach sind.
Weil sie naiv sind und gutgläubig.
Weil sie den Falschen vertrauen."Das ist es, was dir dein blindes Vertrauen gebracht hat."
Ich will nicht, dass Kitty so endet.
Aprubt stehe ich auf und das Mädchen tritt erschrocken einen kleinen Schritt zurück.
Ich ignoriere das, gehe an ihr vorbei zu einem der kleinen Fenster, von denen aus man einen guten Blick auf die Straße vor der Herberge hat. Inzwischen ist es beinahe dunkel draußen, nur wenige Leute sind unterwegs.Menschen...
Sie widern mich an...
Sie sind doch alle gleich...Wirklich?
Alle?
Oder gibt es Ausnahmen?"Rabiya?"
Kitty's Stimme klingt unsicher, als wüsste sie nicht, was sie sagen oder tun soll und wahrscheinlich ist genau das der Punkt."Wir sind keine Freunde.", sage ich ohne sie anzusehen.
Wer braucht schon Freunde? Sie stehen einem nur im Weg.
Irgendwann sind sie ohnehin fort und es ist besser, sich erst gar nicht darauf einzulassen.
Vielleicht sind das alles Sasori's Gedanken, doch ich lasse zu, dass sie sich in meinem Kopf ausbreiten und meine eigenen verdrängen.
Lasse zu, dass mein Meister die Kontrolle übernimmt."Und ob wir das sind! Red keinen Unsinn.", widerspricht die Puppenspielerin.
Sie hat die Stimme ein wenig erhoben und ich glaube etwas Verzweiflung heraushören zu können.Lächerlich.
Menschlich.
Langsam drehe ich mich zu ihr um, begegne dem Blick ihrer Augen kalt."Ich brauche dich nicht mehr."
"Spinnst du jetzt komplett?"
"Hier."
Ich krame aus meinem Mantel die drei Schriftrollen heraus, welche ich nach Sasori's Tod an mich genommen habe bevor ich auf meine Reise aufgebrochen bin.
Es mag zwar erst etwas über eine Woche her sein, doch es kommt mir vor wie Jahre, die inzwischen vergangen sind.
Wie ferngesteuert werfe ich die Schriftrollen auf das Bett des Zimmers und verwirrt wandert Kitty's Blick von ihnen zu mir und zurück.
"Was ist das?"
"Marionetten von Sasori. Sie gehören jetzt dir. Nimm sie als Lohn dafür, dass du mich hier hergebracht hast."
"Wir hatten eine Abmachung, Rabiya. Wir..."
"Nein. Es gibt kein wir. Es gibt keine Abmachung. Geh nach Hause."Ungläubig sieht mich Kitty an, versucht zu begreifen, was ich sage. Sie öffnet ihren Mund, schließt ihn jedoch wieder ohne ein Wort zu sagen und schüttelt langsam den Kopf.
Ich warte erst nicht darauf, dass sie doch noch etwas erwidert, sondern gehe zielstrebig auf die Türe des Zimmers zu.
"Du kannst doch jetzt nicht einfach verschwinden!", dringt Kitty's Stimme zu mir.
Dieses Mal klingt sie wirklich verzweifelt, doch ich ignoriere es erneut. Ohne zu zögern öffne ich die Türe und werde an meinem Arm gepackt.
Das Mädchen hält mich fest, dreht mich halb zu sich und ich lasse es zu.
Beinahe schon flehend sehen mich ihre dunklen, braunen Augen an. Schmerz spiegelt sich in ihnen und Angst."Bitte geh nicht. Lass mich nicht allein. Du bist meine einzige Freundin, Rabiya. Bitte."
Sie ist nur ein Mensch. Nur einer von vielen.
Das ist es, was Sasori über sie denkt und ich gebe mich dieser Einstellung hin.
Grob entreiße ich ihr meinen Arm, woraufhin sie ein paar Schritte zurück taumelt, über ihre eigenen Füße stolpert und auf den Boden fällt.Verletzt sieht sie zu mir auf.
Stumm flehen mich ihre Augen an nicht zu gehen.
Nicht aus ihrem Leben zu verschwinden.
Sie nicht allein zu lassen."Wirst du bei mir bleiben?"
"Ich werde dich nie verlassen, Meister."Ein Versprechen an Sasori vor langer Zeit...
Doch sie ist nicht Sasori - wird es nie sein.Wieso habe ich meine Zeit überhaupt mit ihr verschwendet?
"Rabiya?", haucht Kitty leise meinen Namen, Tränen sammeln sich in ihren Augen und eine von ihnen bahnt sich einen Weg über ihre Wange nach unten.
"Lebe wohl.", sage ich leise bevor ich mich von dem Mädchen am Boden abwende und das Zimmer verlasse.
Die Tür fällt hinter mir ins Schloss, Sasori's Ungeduld lässt mich weiter meinen Plan verfolgen während es mir stumm das Herz bricht, Kitty so zu verabschieden.
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Püppchen, Püppchen - Die Rache [Wird überarbeitet]
FanfictionEine Marionette, die gelernt hat zu fühlen. Eine Liebe, die ein plötzliches Ende nahm. Ein Puppenspieler von Akatsuki, der starb. Nun ist Rabiya allein und hat Rache geschworen. Rache an den Leuten, die ihr ihren Meister nahmen. Wird sie ihre R...