》Kapitel 29《

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Es waren mittlerweile ganze zwei Wochen vergangen, und es war immer noch keine Spur von Jonathan in Sicht.

Ich hatte mich sogar für Jonathan dafür überwunden, seine Freunde anzusprechen, aber selbst diese wussten nichts über ihn.

Nun saß ich im Bus.
Es fühlte sich so leer an.
Ja, ich vermisste sogar seine Blicke.

Zuhause angekommen ging ich ohne etwas zu Mittag zu essen hoch in mein Zimmer.

Das habe ich seit fast drei Jahren nicht gemacht.
Seit kurz nach seinem Tod nicht einen einzigen Tag mehr.

Ich setzte mich an meine Hausaufgaben, obwohl ich mich nicht mal wirklich auf diese konzentrieren konnte.

Es klopfte an meiner Tür.

"Estelle?", fragte die liebliche Stimme meiner Mutter.

Sie war so perfekt. Alles an ihr war so eklig perfekt.

"Nein", sagte ich beherrscht.

Mama kam trotzdem rein und zog sich einen weiteren Stuhl neben meinen Drehstuhl.

Sie schlug ihre perfekten, langen, schlanken Beine übereinander.

Sie legte einen Arm um mich.

Ich hielt meine Tränen zurück.
Jetzt, wo meine Welt zum zweiten Mal zusammenstürzt, kommt sie auf einmal an und will für mich da sein?

Nachdem sie mich so kaputt gespielt hat?

Ich schwieg.

"Egal, was geschehen ist... Ich bin für dich da", sagte Mama und fügte leise hinzu, "Alles wird gut."

Ich entriss mich ihrer Umarmung und stand entrüstet auf.

Mein Blick war so verletzt und schmerzverzerrt wie tausende von Messerstichen.
In meinen Augen spiegelten sich Hass, Vorwurf und Schmerz.

"Und alles was du zu sagen hast, ist 'Es wird alles gut'?! Obwohl es das nie sein wird? Nimmer mehr seit er gestorben ist. Nicht mehr seit ich ihn verloren habe. Meinen großen Bruder. Und jetzt auch noch Jonathan. Du warst nie für mich da! Immer, wenn ich deine Hilfe brauchte, warst du nicht da! Du hast mich nicht ernst genommen. Ich habe sogar gesagt, dass ich nicht mehr kann, verdammt. Stattdessen hast du mich ausgelacht, weil du selbst nicht deinen scheiß Problemen klarkamst und es immer noch nicht kommst! Du hast immer mir die Schuld gegeben! Egal, ob Nico oder Jamie oder Matilda mal was kaputt gemacht haben, immer war ich es, die Schuld war! Immer war ich das schwarze Schaf in der Familie. Aber auch nur bei dir. Ich soll laut dir auch an dem Tod von Noel und dem Streit zwischen dir und Tante Helena Schuld sein. Aber ich war nicht mal dabei, als es geschehen ist, Mama. Ich hege schon seit geraumer Zeit so einen riesen Hass auf dich, wie ihn noch nicht mal der Teufel haben könnte. Ich sehe dich schon lange nur noch als Erzeugerin. Ich hasse dich verdammt nochmal. Du hast es geschafft, mich zu brechen."

In meiner Stimme schwang alles von Hass über Vorwurf bis Verzweiflung mit.

Ich war so verdammt wütend auf mich selbst und auf Mama.

Ich weinte während ich meine, ebenfalls elendig heulende, Mutter ansah.

Ich atmete viel zu schnell.

Vor meinen Augen tanzten kleine, schwarze Punkte.

Ich brach zusammen.

Ich hatte die gesamte Szene beobachtet.

Ihre Mutter war keine Mutter.

Sie liebt ihre Tochter bestimmt, aber sie zerstört Estelle.

Ich erschien hinter Estelle und hob sie in meine Arme.

"Siehst du, wie kaputt du sie gemacht hast?", sagte ich mit der Stimme so voller Kälte, als würden die eben gesprochenen Worte zu Eis werden, sobald sie ausgesprochen worden sind.

Ihre Mutter sah mich mit einem zum stummen Schrei geöffneten Mund an und stürmte auf mich zu, um mir Estelle zu entreißen, doch ich verschwand.

Vampirflüstern [ abgeschlossen ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt