14. Kapitel

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Sie ritten, als ob Dämonen hinter ihnen her wären.
Morwenna war bei Nuallan geblieben. Auch sie war in Gefahr, weil sie zu Tjelvar geritten war.
Während er sich bereit gemacht hatte, erklärte sie ihm, was geschehen war.
Der Mönch hatte es irgendwie geschafft, Cormac weitere Gifte einzuflößen. Mittlerweile stand Cormac unter seiner Kontrolle. Er war nicht mehr Herr seiner Sinne, sonst würde er es nie in Erwägung ziehen, Oran, seinen eigenen Bruder, zu töten. Etwa zwei Wochen nach ihrer Ankunft, hatten sie Oran in den Kerker gesteckt. Es gab keine Vorzeichen, wie Morwenna immer wieder versicherte. Es geschah aus heiterem Himmel. Oran wusste nicht, wie ihm geschah und hatte immer wieder nach seinem Bruder geschrien, doch der war natürlich nicht gekommen. Oran war alleine gelassen worden. Der Mönch hatte eine Verhandlung angekündigt, aber dazu war es nie gekommen. Statt dessen hatte er den Leuten dann irgendwann erzählt, dass Cormac beschlossen hatte, Oran selbst zu töten. Morwenna hatte das nie geglaubt, aber sie wurde auch nicht mehr zu Cormac vorgelassen. Sie hatte dann wenigstens versucht, Oran zu helfen. Morwenna hatte ihn mit Wasser und Brot versorgt, denn selbst das hatten sie ihm verweigert.
Der Mönch hatte sie jedoch eines Tages erwischt und sie an den Haaren durch die ganze Burg geschleift. Aber nicht einmal das hatte Cormac mehr interessiert. Ihm wurden praktisch die Worte von dem Mönch in den Mund gelegt.
Sie wurde ebenfalls in den Kerker gesperrt. Allerdings wusste der Mönch nicht, dass Morwenna sich in der Burg sehr gut auskannte. Sie wusste genau, dass sie fliehen konnte, sobald die Wächter geschnarcht hatten. Leider konnte sie Oran nicht befreien und sie musste ohne ihn zu Nuallan.
In drei Tagen wollte Cormac seinen Bruder umbringen.
Der Mönch wollte sich nicht einmal selbst die Finger schmutzig machen. Er hatte Cormac eingeredet, dass er es tun musste, um Rache zu nehmen. Das war nämlich die offizielle Begründung. Sie gaben Oran die Schuld für den Tod seines Vaters und der Mönch hatte noch eines drauf gesetzt. Er hatte den Leuten eingeredet, dass Oran ein Kind des Teufels sei.
Tjelvar schnaubte während er das Pferd noch weiter antrieb.
Kierra, Aodh und Bruder Eberwin folgten ihm.
Mehr hatte er nicht dabei haben wollen. Er musste nur Oran irgendwie aus den Fängen des Mönches bekommen und Cormac von dem Gift befreien. Er betete zu allen Göttern, dass sie ihn dabei unterstützten.
„Es ist nicht mehr weit. Wir sollten uns im Wald verstecken!", rief Aodh.
Tjelvar nickte und trieb sein Pferd in den Wald.
Sie suchten sich einen Platz, von dem aus sie die Burg gut einsehen konnten.
Die Pferde ließen sie an einer Lichtung zurück. Aodh und Kierra blieben auf der Lichtung, während Tjelvar mit dem Mönch die erste Wache übernahmen. Sie legten sich hinter einen Felsen und betrachteten die Burg.
Es war ruhig.
Zu ruhig fand Tjelvar.
Er kannte die Burg von Nuallan und er wusste, dass dort um die Uhrzeit immer noch geschäftiges Treiben herrschte.
„Ich frage mich, was sie da treiben!", murmelte Tjelvar.
Der Mönch nickte.
„Das würde mich auch interessieren. Ich muss sagen, es ist beschämend, was Bruder Anselm hier macht und es hat auch nichts mit den Grundsätzen unseres Glaubens zu tun!"
Tjelvar zuckte nur mit den Schultern.
„Ich habe nicht viel mit Mönchen zu tun! Aber die, die ich kenne, sind auch nicht besser!"
Eberwin schnaubte.
„Du hast mit mir zu tun. Und ich gelte schon als Sonderling, weil ich mich nicht unbedingt an die Gebote des Fasten oder des Missionieren halte. Aber ich muss sagen, dass Gott mir diese Sünden wohl verzeihen wird. Er kennt die Schwächen der Menschen. Dennoch ist es eine Schande, was er hier zulässt und ich schäme mich für einige Glaubensbrüder!"
Tjelvar runzelte die Stirn.
„Ich kenne mich auch nicht mit deinem Gott aus. Ich weiß aber, dass er bestimmt nichts mit den Taten eines einzelnen Mannes zu tun hat. Er überlässt euch eure Entscheidungen. Abgerechnet wird zum Schluss. Er ist unseren Göttern wohl nicht so unähnlich!"
Eberwin lachte leise.
„Das höre ich zum ersten Mal von einem Wikinger. Aber ich will es mal so stehen lassen. Ich könnte dich nicht zufällig bekehren?"
Tjelvar schüttelte den Kopf.
„Oh nein, Mönchlein! Ich lasse mich bestimmt nicht bekehren, damit du bei deinem Abt gut angesehen bist! Das sollte diese Geschichte allein schon erreichen!"
Eberwin nickte ergeben.
„Das ist wohl war. Ich habe auch veranlasst, dass unser Abt benachrichtigt wird. Er wird Anselm bestrafen lassen."
Tjelvar zuckte mit den Schultern.
„Wenn er noch dazu kommt!"
Eberwin schüttelte den Kopf.
„Oh nein! Anselm wirst du mir überlassen. Ihr Wikinger habt schon einen schlechten Ruf. Wenn du aber auch noch Hand an den Mönch legen würdest, dann würde er als Märtyrer sterben und das ist ein schlechter Einfall."
Tjelvar runzelte die Stirn.
„Ist es dir nicht verboten zu töten?"
Eberwin zuckte mit den Schultern.
„Wer sagt denn, dass ich ihn töten werde?"
Tjelvar verstand nicht, worauf er hinaus wollte, aber er würde auch nicht weiter nachfragen. Der Mönch hatte Recht. Wenn er Anselm stellen würde, dann wäre der Aufschrei der Bewohner sicher.
Er legte sich auf den Rücken und betrachtete den immer dunkel werdenden Himmel.
„Ich will nur den Jungen retten. Ich weiß nicht, was du davon hältst, aber Oran hatte eine Art Vision!"
Eberwin nickte.
„Ich halte viel davon. Gott zeigt sich auf unterschiedliche Weise den Menschen. Was hat Oran denn gesagt?"
Tjelvar grinste.
Er wusste nicht, ob diese Visionen von Gott kamen, aber er war schon froh, dass der Mönch nicht Zeter und Mordio schrie. Das hätte er eigentlich eher erwartet. Aber Eberwin überraschte ihn immer wieder. Er begann dem Mönch die Geschichte zu erzählen.
„Nun, es schien so, als ob er wüsste, was mit ihm hier geschehen würde. Ich wollte ihn nicht wieder zurück lassen, aber er wehrte sich gegen meine Hilfe. Er meinte, ich würde ihn bald wieder sehen und dann hatte er Sachen beschrieben, die ich von meiner Heimat kenne. Die Steilküste, den Fjord und die Nordlichter. Er hat gesagt, er würde sich auf zwei Männer freuen und als er sie beschrieb erkannte ich meinen Vater und meinen Bruder!"
Eberwin hatte ihm ruhig zugehört. Dann überlegte er lange, bevor er antwortete.
„Weißt du, ich lebe nun schon lange hier auf dieser Insel. Ich weiß, dass es hier die Seher gibt und ich respektiere das, auch wenn andere Mönche das nicht tun. Genau wie bei euch, denke ich. Ich will nun nicht sagen, dass alles Gottes Wille ist, denn da würdest du mir gleich widersprechen. Aber es ist auf jeden Fall eine Gabe. Und ich nehme sie ernst. Egal, von wem sie kommt. Schließlich wurdet ihr Wikinger auch vorausgesagt und ich kann dir versichern, dass die Visionen von Moira, so wirr sie sind, meist zutreffen. Deswegen glaube ich daran, dass du Oran mitnehmen wirst!"
Tjelvar zuckte mit den Schultern.
„Das werde ich auch, aber ich weiß nicht, wie mein Volk auf ihn reagieren wird."
Eberwin nickte.
„Ihr seid auch ein stolzes Volk. Aber wenn Oran sich darauf gefreut hat, wird es gut gehen. Davon bin ich überzeugt!"

TjelvarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt