4. Entscheidung

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<Dagi>


Ich lag die ganzen Nächte nach unserem Gespräch über wach. Seine Worte ließen mich nicht mehr los. Max war verdammt unglücklich damit, wenn ich nach Amerika gehen würde. Er hat es sofort schlecht geredet. Will er nicht, dass ich glücklich werde? Ich will doch nur das Beste für uns beide. Ich will nicht ohne ihn gehen, aber ich kann nicht mit ihm gehen, wenn er verdammt unglücklich ist. Er hat schon Recht, Amerika ist ein schnelllebiges Land, wo morgen schon alles vorbei sein kann. Ich werde für vier Monate gezeitet dort arbeiten und den Betrieb dort aufbauen, und wenn es alles zu seiner Zufriedenheit ist, werde ich in den USA bleiben. Inzwischen ist auch bekannt, wo ich in den USA sein werde: Ich werde nach Nashville gehen. Jedenfalls muss ich Herr Rieks morgen Bescheid geben, ob ich die Stelle annehmen werde. Ich wälzte mich hin und her. Irgendwer muss mir doch einen Rat geben und mir meine Entscheidung abnehmen. Ich beschloss, am nächsten Tag mit Stephan zu telefonieren, da ich den nächsten Tag frei hatte. Am Morgen hörte ich, wie Max zur Arbeit ging. Kurz darauf stand ich auch auf und ging in die Küche. Da lag ein Zettel von Max. "Hey Dagi, ich wollte dich nicht wecken, aber ich wünsche dir einen schönen Tag. Kuss Max." Ich lächelte, doch mir war auch nicht wohl dabei. Es könnte sein, dass ich in zwei Wochen ihn nie wieder sehen werde. Dieser Gedanke ließ mich an einem angenehmen Frühlingstag doch ein wenig frösteln. Kann ich einfach so einen Strich setzen? Ich ging in die Diele und nahm das Telefon. Ich wählte Stephans Nummer. Mit dem Telefon in der Hand ging ich ins Wohnzimmer und setzte mich aufs Sofa. Hoffentlich war Stephan da. Er ist als Student zeitlich ziemlich flexibel. Nach dem dritten Tuten gab ich die Hoffnung fast auf, als mein verschlafener Bruder doch abnahm: "Hallo, Stephan Ochmanczyk?", fragte er leise, nahezu flüsternd. "Stephan, guten Morgen! Wie geht es?", sagte ich übertrieben fröhlich. "Boah ey Dagi! Musst du so laut schreien?", fragte er. Ich lachte: "Hast du mich nicht vermisst?", fragte ich ihn. Auch er lachte: "Ja, auf jeden Fall. Wie geht es dir?", fragte er. "Gut soweit. Steph, ich muss mit dir reden.", sagte ich. "Ich hole mir kurz ne Limo.", sagte er und ich fühlte, wie er vorm Telefon stand und zwinkerte. Ich ging ebenfalls in die Küche und machte mir ein Glas mit Limo. Ich strebte zurück ins Wohnzimmer und hielt mir den Hörer wieder ans Ohr. "So, da bin ich wieder.", antwortete ich und legte los. Ich erzählte von allem, was in den letzten Wochen vorgefallen ist. Kleinere Streitereien, eine Art Gefühlslosigkeit bis zu unserem heftigen Streit vor einigen Tagen. Nach meinem langen Monolog herrschte eine etwas längere Stille, die immer intensiver wurde, je länger weder Stephan noch ich etwas sagten. "Was willst du denn, Dagi?", fragte er entspannt. "Ich will die Chance wahrnehmen. Aber ich will auch Max.", antwortete ich mit zittriger Unterlippe. Nein, Dagi, beginn jetzt nicht zu weinen, sagte ich zu mir. "Würde Max es aushalten, die vier Monate ohne dich auszukommen?" "Ja, ich denke schon. Wir würden ja in stetigem Kontakt bleiben." "Wie fühlst du gegenüber Max?" Ich war eingeschnappt. "Was soll die Frage, Steph?!", fragte ich sauer. "Liebst du ihn? So wirklich ehrlich.", sagte er. Ich dachte ein wenig nach. "Nicht mehr so sehr, wie ich es mir erhofft habe.", sagte ich. Es ist ehrlich gemeint. Ich liebe ihn, aber nicht mehr so intensiv wie damals, als wir uns kennengelernt haben. "Wie sehr willst du diesen Job in den USA?" "Sehr.", erwiderte ich. "Wenn ich du wäre, würde ich den Job annehmen, aber Max davon erzählen.", sagte er. Ich nickte. "Mache ich, Stephan. Hab dich lieb.", sagte ich und er erwiderte "Hab dich auch lieb, Schwesterherz.". Ich legte auf und fühlte mich befreiter. Der Fels, der auf meiner Brust lag, war verschwunden. Ich dachte eine Weile noch über das Gespräch von Stephan und mir nach. Ich griff das Telefon und wählte die Nummer vom Büro meines Chefs. "Volker Rieks?", schallte die sonore Stimme meines Chefs durch den Hörer. "Hallo Herr Rieks, hier ist Dagmara Ochmanczyk. Es geht um ihr Angebot für Nashville. Ich habe mich entschieden.", sagte ich.

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Sorry für den Cliffhanger, es geht morgen oder übermorgen weiter, versprochen. Wie wird sich Dagi entscheiden? Fühlt euch gedrückt <3

P.S.: Ich habe Bock, so ein Realtalk-Buch zu machen bzw. meine Geschichte erzählen. Würdet ihr so etwas gerne sehen? Sagt es mir in den Kommentaren :)

A thousand Miles (#HandofBee)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt