47 ♪ Day 819

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Und da liegst du nun vor mir

meine Augen sind halb blind

Was du wolltest ist gescheh'n

und mein einziges Gefühl ist die Angst in dir

Denn du bist mir viel zu nah

Doch ich hab mich längst verlor'n

ob die Liebe dich wohl kennt

[ Rosenstolz ]



 NIALL ║ Mein Zeitgefühl war für den Arsch.

Tage verschmolzen miteinander, Stunden vergingen wie Minuten und manchmal fühlten sich Minuten an wie Woche. Ich konnte das kaum noch kontrollieren. Nur eines wusste ich ganz sicher, ich durfte weder Preston, noch Mark begegnen. Gary hatte ich buchstäblich die Tür vor der Nase zugeschlagen.

Oft lag ich in meinem kreativen Zimmer, mitten auf dem Boden und starrte an die Decke. Ich hörte den Regen gegen die Schreibe klatschen, manchmal schneite es und hin und wieder bemerkte ich es nicht einmal mehr, dass es dunkel worden.

Eine Kiste nach der Nächsten kippte ich aus. Mir fielen unzählige billige Souvenirs in die Hände. Ich breitete eine Weltkarte aus und mir wurde zum ersten Mal wirklich bewusst, wo ich überall schon gewesen war.

Und trotzdem kam es mir vor, als hätte ich nie den Kontinent verlassen.

Ich fand Bilder von Preisverleihungen, der ersten Parties mit den Jungs, kleine Momente, Zeug, das im Prinzip unwichtig war, aber ich war froh, dass ich all die Bilder noch hatte. Auch, wenn es unwichtig war.

Tony stockte meinen Vorrat auf, doch dieses Mal kam nicht Gail vorbei. Der unbekannte Typ tauchte auf und verschwand wieder, getarnt als Fahrradkurier.

Dann kam Silvester und ich zwang mich nicht im Haus zu bleibe, sondern eine der zahlreiche Einladungen anzunehmen. Im Park Plaza Westminster Bridge Hotel fand eine riesige Party statt. Rag 'n' Bone Man wollte es ordentlich krachen lassen. Besonders gut kannte ich Rory Graham, den Typen hinter dem Künstler, nicht.

Das war jedoch völlig egal. Gemietet war eine gesamte Etage des Hotels, samt dem Pool und es war brechend voll. Ich kein einziges Gesicht war mir vertraut, wie auch, meine eigentlichen Freunde feierten lieber mit der Familie, im kleinen Kreis, oder waren in New York gebucht.

Wobei, wenn ich ehrlich blieb, dann hatte ich absolut keinen Plan, wo meine 'Freunde' waren. Von den Meisten hatte ich seit Wochen keinen Ton mehr gehört. Da es mir egal war, spielte es eh nur eine untergeordnete Rolle.

Ich verschwand im Meer der Menschen, zwischen harter Musik, beißendem Licht, stickiger Luft und Schatten, die vielleicht keine waren. Gerade kippte ich meinen fünften Shot, denn die Verlockung sich zu betrinken war groß, da fiel sie mir zum ersten Mal auf.

Eine junge Frau, mit langen, dunklen Haaren, klein, weiblich und einem süßen Lächeln. Wenn ich nicht richtig hinsah, dann könnte man meinen, es wäre Mara. Schwerfällig kämpfte ich mich aus dem roten Ledersessel, in dem ich versunken war und schritt auf sie zu. Natürlich war sie es nicht.

Das falsche Lächeln traf mich und sie sprach gegen die Musik: „Ich bin Anna."

„Freut mich, Anna, Niall", erwiderte ich platt und neben ihr wandte sich eine blonde Frau um. Ihre Augen waren hart, berechnend, trotzdem empfand ich sie als schön und erinnerte mich an Amber Heard. Doch als sie sprach, da rieselte eine Gänsehaut über meinen Rücken: „Lilli, schön dich kennen zu lernen, Niall." 

Your Voice [ Buch 2 ] ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt