Kapitel 6 - Ein langer Weg

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Leyla sah auf ihre Uhr. „Mh, schon dreizehn Uhr. Eigentlich wollten meine Eltern diese Nacht schon zurück sein.", gab sie skeptisch von sich. „Mach dir keinen Kopf, vielleicht sind sie einfach noch länger geblieben und haben vergessen dir bescheid zu geben.", „Eigentlich ziemlich untypisch für sie, aber vermutlich hast du recht und ich mache mir zu viele Gedanken.", aufmunternd nickte Mia. „Hast du Lust ne Runde Fahrrad zu fahren?", „Nein eher nicht, ich glaube ich möchte lieber zu Hause auf meine Eltern warten.", „Achso, okay. Aber mach dir bitte nicht zu viele Gedanken. Ich geh dann jetzt nach Hause. Wir sehen uns Montag in der Schule, okay?", „Ja, alles klar.". Leyla brachte ihre Freundin noch zur Haustüre und winkte ihr. Dann sah sie sich einmal draußen um, ob vielleicht irgendwo das Auto ihrer Eltern steht. Doch vergebens.

Immer wieder versuchte Leyla ihre Eltern anzurufen, doch immer ging der Anrufbeantworter dran und so langsam wurde Leyla ungeduldig und nervös. Sie überlegte, was sie tun könnte, um heraus zu bekommen, was los sei. Sie rief die Arbeit ihres Vaters an und erkundigte sich, ob sie von ihm gehört haben. Aber auch seine Arbeitskollegen haben nichts von ihm gehört. Schließlich rief sie bei dem Ausstellungsraum an, wo ihre Mutter geschäftlich die Woche über zu tun hatte. Vielleicht wussten die ja was, dachte Leyla sich. Da es der einzige Ausstellungsraum war in der kleinen Stadt, war es nicht schwer die Telefonnummer herauszubekommen. Dennoch, erfolgreich war sie dort auch nicht. Ganz im Gegenteil, die Leute dort sagten ihr, dass eine Frau Fitzen noch nie bei ihnen ausgestellt hätte. Verwundert legte Leyla auf. Merkwürdig. Ob ihre Mutter ihr den falschen Ort genannt hatte? Vorsichtshalber rief sie noch weitere drei verschiedene Ausstellungsräume an, aber auch dort wurde sie nicht fündig. Keiner kannte ihr Mutter.

Völlig geschafft legte sich Leyla auf ihre Couch und machte sich den Fernseher an. Die Nervosität und Aufregung machten sie ganz schön müde und schon bald schlief sie ein.

Erst durch das laute Klingeln des Telefons wachte Leyla am späten Abend wieder auf und rannte zum Telefon. „Ja, hallo? Leyla Fitzen.", sprach sie schnell. Hoffnung machte sich in ihr breit, dass es ihre Eltern sind. „Hallo Leyla.", schallte es durchs Telefon, aber Leyla kannte die Stimme nicht. „Ich bin Frau Rieke vom Jungendamt.". Jungendamt, schallte es durch Leylas Kopf. „Oh, hallo.", sagte Leyla sofort verunsichert. „Leyla, hast du ein paar Minuten Zeit für mich? Ich würde dich gerne zu Hause besuchen kommen.", „Tut mir leid, meine Eltern haben mir verboten Fremde ins Haus zu lassen.", „Du hast wirklich kluge Eltern, aber genau über die möchte ich mit dir sprechen. Darf ich kommen?", „...Na gut.", „Schön, dann bin ich in einer halben Stunde bei dir.", „Wissen sie denn wo ich wohne?", „Ja, keine Sorge, das weiß ich bereits.", damit wirkte Leyla das Gespräch ab. Sie wusste, dass es nichts Gutes bedeutete, wenn die Frau vom Jugendamt anrief. Sie ahnte schon, was passiert war. Wollte es sich aber definitiv nicht eingestehen. Mit zitternden Händen setzte sich Leyla an den Küchentisch und versuchte Ruhe zu bewahren. Die halbe Stunde verging wie in Zeitlupe. Schließlich klingelte es und Leyla sprang auf, viel aber sofort auf den Stuhl zurück. Ihre Beine zitterten so extrem, dass diese ihren Körper nicht tragen konnten. Erneut stand Leyla auf. Diesmal um einiges langsamer als zuvor. Es klingelte erneut. „Ich komme!", rief Leyla so laut sie konnte. Sie spürte, wie ihre Stimme zitterte und bebte. An der Türe angekommen, öffnete sie diese und stand plötzlich vor einer etwas pummeligen, zu klein geratenen Frau, mittleren Alters. Sie lächelte Leyla an. „Darf ich rein kommen?" „Ja, natürlich. Bitte.", Leyla deutete höflich aufs Innere ihrer Wohnung. „Schön hast du es hier." „Danke."

Leylas Herz schlug bis zum Anschlag. „Setzten sie sich.", Leyla deutete auf die weiße lange Couch. „Danke." Auch Leyla setzte sich und bewegte nervös die Hände. „Leyla, hör zu.", die Frau pausierte kurz und seufzte, „Gestern Abend waren deine Eltern auf dem Weg nach Hause. Es war schon spät.", Leyla spürte sofort wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie hatte recht gehabt. Ihr Gefühl hatte sie nicht belogen. Leider. „Sie kamen von der Spur ab und sind gegen die Leitplanke gefahren und haben sich mehrmals überschlagen, bis sie schließlich in einem Graben samt Auto liegen blieben.". Jetzt konnte Leyla nicht mehr. Sie fing an zu weinen. Dennoch Tonlos. Sie hörte Frau Rieke aufmerksam zu. Sah sie fest an. „Sie hatten eine Geschwindigkeit von 180 Stundenkilometer. Sie hatten keine Chance." Leyla konnte nichts sagen. Sie wollte nichts sagen. Kein Wort der Welt hätte ihren Schmerz, den sie fühlte, beschreiben können. Keine Träne wäre es nicht Wert geweint zu werden. „Ich bin nicht nur hier, um dir diese Nachricht zu überbringen, sondern auch, um dich mitzunehmen. Ins Jugendheim. Du hast niemanden der in deiner Akte steht. Also ich meine, bei dir wurde die Leibliche Mutter nicht eingetragen. Kennst du sie?". Total geschockt und empört sah Leyla die Frau ihr gegenüber an. Total zusammengebrochen saß sie da, dabei war es doch Leyla die kaputt wirken sollte. „Meine Mutter war Linda Fitzen! Und mein Vater Michael Fitzen! Ich bin die Tochter von den beiden!", „Du hast es nicht gewusst?", weinend schüttelte Leyla ihren Kopf. „Das ist alles gerade ein bisschen viel für dich. Ich verstehe das. Aber ich bitte dich, dass du deine nötigsten Sachen packst und mit mir mit kommst. Morgen holen wir dann den Rest.", „Ich bin nicht die leibliche Tochter von meinen Eltern?!", „Nein, es tut mir leid, dass du es so erfahren musstest.", „Das kann doch nicht sein. Warum haben sie denn nie was gesagt?", Frau Rieke schwieg. „Und sie wissen nicht, wer meine richtige Mutter ist?", auch dieses mal schüttelte sie ihren Kopf. „Kann ich nicht hier bleiben? Ich t hier bleiben.", „Nein, tut mir leid. Du bist Minderjährig und brauchst einen Erziehungsberechtigten.", „Ich packe.". Mit gesenkten Kopf und hängenden Schultern lief Leyla los in ihr Zimmer. „Ich helfe dir."

Bezeichnung LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt