Kapitel 8

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Die folgenden Tage liefen nicht groß anders ab. Leyla hielt sich immer mehr an Frau Rieke und auch Frau Rieke hatte ihr Herz an Leyla verloren.

Zusammen mit einer anderen Erzieherin saß Frau Rieke draußen vor dem großen Sandplatz, wo die Kinder spielten und Leyla auf einem Gerüst saß und nach oben in den Himmel starrte. „Denkst du, Susanne, dass Leyla irgendwann alleine über den Schmerz hinwegkommt?", fragte die andere Erzieherin Frau Rieke. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich glaube, es wäre einfacher für Leyla, wenn wir ihre leibliche Mutter finden würden. Aber bis jetzt...ich bin mir gar nicht mal sicher, ob sie überhaupt darüber hinwegkommen möchte.", „Vertrauen tut sie hier keinen. Auch mit den anderen Kindern spielt sie nicht.", „Ja, ich weiß.", „Dein Herz hängt an ihr, nicht wahr?", erschrocken sah Frau Rieke die andere an, sagte aber nichts dazu. „Ich sehe es doch jeden Tag. Leyla vertraut hier keinem außer dir. Sie sitzt beim Essen immer neben dir, bei Ausflügen nimmst du sie an deine Hand und gehst mit ihr, wenn sie weint bist du da, wenn sie nicht schlafen kann, kommst du streichelst sie in den Schlaf. Du bist für sie da.", immer noch gab Frau Rieke keinen Ton von sich und nickte nur ganz sachte. „Du weißt hoffentlich, dass es uns verboten ist ein Kind von hier zu adoptieren. Damit könntest du deinen Job verlieren.", „Ja, ich weiß das.", gab sie schließlich doch von sich. „Ich möchte morgen mit ihr in das Haus ihrer Eltern fahren.", „Warum?", „Ich glaube, es könnte ihr helfen mit dem Tod ihrer Eltern besser klar zu kommen. Vielleicht kann sie so damit abschließen und ein neues Kapitel aufmachen in ihrem Leben.", „Ein Versuch ist es wert."

Am nächsten Morgen waren Leyla und Frau Rieke schon früh wach und auf dem Weg zum Auto. Frau Rieke dachte darüber nach, was ihre Kollegin gestern zu ihr gesagt hatte. Das Thema Adoption. Sie wollte nie eigene Kinder, aber jetzt...Jetzt war irgendwie alles so anders geworden. Sie hatte Leyla so ins Herz geschlossen. Für einen Augenblick beobachtete sie Leyla. Mittlerweile kannte sie jede Bewegung von Leyla. Sie erkannte, wann sie traurig war, wann sie sauer war und wann sie eine Umarmung wollte. Sie sah hoch zum Fenster des Jugendheim. Ihre Kollegin stand am Fenster und hatte sie die ganze Zeit beobachtet. Dann drehte sie sich um und ging davon. „Komm, steig ein."

Sie fuhren eine ganze Zeit lang und als sie angekommen waren, konnte Frau Rieke Leyla die wackeligen Beine ansehe. Ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, hier noch einmal mit ihr hinzufahren?

Langsam und etwas beschwerlich gingen sie auf das Haus zu. Es war, als hätte man ihm sein ganzes Leben ausgesaugt. Drinnen angekommen liefen Leyla, wie so oft, Tränen über die Wangen und Frau Rieke nahm sie in den Arm.

Zur gleichen Zeit, packte die Kollegin von Frau Rieke, Frau Sommerfeld, das dicke Handbuch aus und schlug es auf. Sie telefonierte mit verschiedenen Behörden und wurde schließlich fündig. „Frau Sommerfeld?", „Ja?", „Ich habe hier tatsächlich etwas gefunden über Leylas leibliche Mutter. Es war ziemlich gut versteckt und das auch mit Recht.", „Was meinen Sie?", „Leylas leibliche Mutter ist Frau Fischer. Helene Fischer.", einen Moment lang schwiegen beide. „Helene Fischer? Und sie sind sicher, dass es sich nicht um einen Fehler handelt?", „Zweifelslos. Soll ich Frau Fischer benachrichtigen oder tun sie das?", „Nein, ich mache das schon. Sie haben sich schon so viel Mühe gegeben. Danke.", „Kein Problem. Ich faxe ihnen die Unterlagen zu. Auf Wiedersehen.", „Ja, danke. Auf Wiedersehen.", immer noch eicht geschockt von der Nachricht, überlegte Frau Sommerfeld einen Moment lang nur. Wie kann das sein. Dann wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als das Faxgerät an spring. Gründlich sah sie sich die Unterlagen an. Kein Zweifel, es war tatsächlich alles echt. Sie ging hinüber zum Telefon und tippte die Nummer ein, die auf dem Papier zu finden war. Es meldete sich eine ähnliche Stimme zu ihrer Überraschung. „Manager von Helene Fischer. Wie kann ich helfen?", überrascht stotterte Frau Sommerfeld los. „Oh- ich...ähm...Ich bin Frau Sommerfeld vom Jugendheim 'Kinderparadies' und wollte gerne mit Frau Fischer sprechen.", „Viele wollen mit ihr sprechen. Um was geht es denn?", „Naja, wir haben vor ein paar Tagen einen Neuzugang bekommen. Sie heißt Leyla. Ihre Eltern starben auf dem Weg nach Hause und nach vielen hin und her telefoniere, habe ich erfahren, dass Frau Fischer die leibliche Mutter ist.", nun stockte dem Manager den Atem. „Oh. Ähm, ja. Einen Moment bitte.", Frau Sommerfeld hörte, wie jemand ein paar Schritte ging und mit einer Frau Sprach. Dann wurde das Telefon wieder abgenommen. „So, da bin ich wieder. Was wollen sie denn nun genau von ihr?", „Nun ja, es ist eigentlich so üblich, dass die Kinder dann zu ihren leiblichen Eltern kommen, wenn diese nicht gerade eine Straftat begangen haben.", „Das liegt bei uns nicht vor.", etwas irritiert wartete frau Sommerfeld einen Moment. Hieß das jetzt, dass Frau Fischer und ihr Manager...? „Hallo? Sind Sie noch da?", „Oh, ja, Entschuldigung. Meine Frage ist jetzt nur, ob Frau Fischer bereit wäre und ihre Tochter zu sich nehmen würde oder eben nicht.", „Einen Moment bitte.", wieder wurde der Hörer abgelegt und sie vernahm Schritte. „Frau Fischer möchte Leyla gerne aufnehmen und kennenlernen und-", sie hörte, wie ihm das Telefon entrissen wurde. „Frau Sommerfeld?", erklang eine hektische, aber freundliche Stimme. „Ja?", „Hier ist Frau Fischer. Ich möchte Leyla kennenlernen. Aber ich möchte nicht, dass sie gezwungen wird zu mir zu kommen. Ich möchte, dass die Entscheidung bei ihr liegt.", „Ja, selbstverständlich. Also würden sie herkommen?", wieder wurde das Telefon übergeben. „Wie bitte?", sprach nun wieder der Manager. „Würde Frau Fischer kommen?", „Ja, würde sie, aber sie ist nun mal sehr bekannt, deshalb möchte ich, dass nur sie und Leyla da sind, wenn wir kommen.", „Das gestaltet sich eher schwierig. Wir haben an die Zwanzig Kinder im Heim.", „Dann tut es mir leid.", „Wir könne sie mit den restlichen Betreuen auf einen Ausflug schicken.", „Gibt es eine Möglichkeit, den Wagen irgendwo unauffällig zu parken?", „Kommt darauf an, was für einen Wagen sie haben?", „Eine Mercedes.", „Den können sie hinter unserem Haus parken. Ich mache Ihnen dann das Tor auf.", „Ist gut. So machen wir es. Wie passte es Ihnen denn mit Übermorgen?", „Ja, das passt sehr gut. Es wird allerdings außer mir, noch eine Erzieherin das sein. Frau Rieke. Sie hat einen ganz besonderen Draht zu Leyla.", „Wenn es sein muss, okay. Wir sehen uns die Tage. Tschüss.", „Tschüss.", damit war das Gespräch abgewürgt. Frau Sommerfeld verharrte in ihrer Position und dachte nach. Helene Fischer. Wie Leyla darauf reagieren wird. Was wohl Susanne zu ihrem Plan sagen wird? Schließlich hatte sie befürchtet, dass Susanne Leyla adoptieren möchte. Sie wollte ihr diese Entscheidung einfach nur abnehmen. 

Bezeichnung LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt