Prolog

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Ich ziehe die Kapuze tiefer ins Gesicht, als der feine Nieselregen auf meine Nase trifft. Seit Freitagnacht toben katastrophale Stürme durch alle erdenklichen Teile Amerikas. Auch Los Angeles hat es getroffen. Doch das ist mir egal. Kein Unwetter der Welt kann mich hier festhalten, noch von meinem Plan abbringen. Ich will hier weg. Und genau das werde ich auch schaffen.

Der Wind peitscht mir ins Gesicht, die dunkle Kapuze hält nur den nötigsten Regen von meinem Gesicht fern, weshalb ich erleichtert aufseufze, als der spärlich beleuchtete Busparkplatz in mein Blickfeld fällt. Jetzt wird es also ernst. Meine Augen überfliegen die verschiedenen Anschriften der Busse, nie hebe ich mich jedoch meinen Kopf mehr als notwendig, ich will nicht gefunden werden. Von niemanden. Wobei ich mir allerdings ziemlich sicher bin, dass es sowieso niemanden kümmert, wo ich stecke. Es wird wahrscheinlich nicht mal auffallen.

Ich lese verschiedene Reiseziele auf den Schildern. Sacramento, San Diego, San Francisco, Las Vegas. Vor diesem Bus bleibe ich stehen. Seufzend hebe ich meine Hand, balle sie zu einer Faust und klopf gegen die wasserüberströmte Scheibe. Auch  meine Klamotten triefen. Doch das ist mir egal. Auf der Fahrt werden sie so oder so trocknen. "Was willst du hier, Kleiner?", fährt mich der Busfahrer sofort unfreundlich an, weshalb ich meinen Kopf noch ein Stückchen mehr einziehe.

Ob es wirklich so eine gute Idee ist, einfach abzuhauen? Immerhin habe ich keine Ahnung, ob meine Opa überhaupt noch lebt. Und wenn ja, ob er mich dann überhaupt aufnehmen würde. Eingeschüchtert lasse ich den Kopf hängen, als ich ein Zischen vernehme und einige Sekunden später erkennen kann, dass der Fahrer einfach die Türen wieder geschlossen hat. Als ich diese Unverschämtheit bemerke, reißt in mir der Geduldsfaden. Ich bin vielleicht nicht der älteste oder erfahrenste Mann, aber so lasse ich nicht mit mir reden!

Wutentbrannt hämmere ich gegen die Türen. Der Busfahrer sieht mich eine Sekunde lang überrascht, dann jedoch wieder uninteressiert an und öffnet nur widerwillig die Türen. "Ja, bitte?", fragt er genervt. "Jetzt passen Sie mal auf, Sie Stinkstiefel. Alles, was ich will, ist von hier zu verschwinden und irgendwie so billig wie möglich nach San Francisco zu kommen. Wären Sie jetzt also bitte so freundlich und würden mich endlich einsteigen und bezahlen lassen?" Der Regen prasselt auf mich nieder, tropft meine Klamotten hinab und ich muss fürchterlich aussehen.

Keine Ahnung, ob es Mitleid oder Überraschen ist, aber der Busfahrer lässt mich tatsächlich ohne einen weiteren Kommentar zusteigen und ich bezahle ihm den genannten Preis ohne mit der Wimper zu zucken, ehe ich mich durch die schmalen Sitzreihen zwänge. Irgendwo ziemlich weit hinten lasse ich mich schließlich auf einen Sitz plumpsen und schiebe mir die Kapuze vom Kopf, wodurch sofort meine wirren, krausen Locken nahezu in die Luft springen. Ein Kratzen macht sich in meinem Hals breit, was ich jedoch ignoriere. Meine Jacke ziehe ich aus und ersetze sie durch einen großen, grauen Hoodie. In meinem Rucksack krame ich nach meinem iPhone und Ohrenstöpseln und nach ein paar Handgriffen schließe ich die Augen, lausche meiner Spotify Playlist und ignoriere das ungemütliche Ziehen in meinem Magen.

Es ist die richtige Entscheidung, von hier abzuhauen. Es wird Zeit, von vorne anzufangen. Und es wird Zeit, endlich mal etwas zu wagen.

Accidental Passengers (larry stylinson)✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt