Rise Up - Andra Day

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Die Stimmung im Reisebus ist noch immer ausgelassen, jedoch haben sich die Fahrgäste wieder ihren eigenen Aktivitäten gewidmet und Harry und ich sitzen wieder ganz gewöhnlich auf unseren Sitzen. Mein Hoodie klebt etwas an meiner Haut und ich spüre meine verschwitzten Haare am Nacken, aber dass mir heiß ist, ist neben Harry sowieso kein Wunder.

Nein, aber Harry scheint auch noch mit der Regulation seiner Atmung zu kämpfen, sein Brustkorb hebt und senkt sich noch etwas unregelmäßig. "Alles gut?", erkundige ich mich also lachend und streife kurz mit meiner Hand seinen Oberschenkel. Er sieht mich schief grinsend an, leckt sich über die Lippen und nickt. "Wie könnte es das gerade nicht sein", gibt er schmunzelnd von sich und greift wieder nach meiner Hand, die sich eben von seinem Bein gelöst hat.

Ich merke, wie ich augenblicklich ein wenig erröte, aber dieses Mal schäme ich mich nicht mehr dafür, Harry hat diese spezielle, entspannte Aura, die irgendwie sofort übertragbar ist - sofern er das will oder man sich darauf einlassen kann. Und ich merke immer mehr, wie ich mich auf Harry einlassen kann. In den verschiedensten Wegen, was ich mir niemals erträumt hätte.

Als ich meinem Kopf zu ihm drehe, um ihn genauer betrachten zu können, stockt mir der Atem. Selbst sein Profil sieht wunderschön aus. Die pinken, wundervoll geformten Lippen, seine Nase, sogar seine Locken umrahmen dieses Gesamtpaket perfekt. "Harry? Wie kommt es, dass du Single bist?", frage ich schließlich ganz unverblümt, als ich mit meiner Analyse fertig bin. Auch Harry dreht seinen Kopf, um mich ansehen zu können und hebt eine Augenbraue.

"Bin ich das denn?" Sofort schießt mit die Röte wieder in den Kopf, beschämt senke ich meinen Blick. Und sofort kehren meine Zweifel und Ängste zurück. Wie hat er die Aussage denn jetzt gemeint? Dass er vergeben ist? Dass ihm das zwischen uns weder aufgefallen ist, noch irgendwas bedeutet? Oder meinte er vielleicht sogar, dass er gar nicht mehr single ist, weil jetzt ich da bin? Wäre so ein Gedanke denn möglich oder gar berechtigt? Immerhin hat er mich ja geküsst, also aus Eigeninitiative. Aber vielleicht macht er so etwas auch einfach öfters. So aus Spaß.

Ich quieke wie ein Meerschweinchen auf, als plötzlich zwei starke Hände meine Handgelenke umfassen und panisch sehe ich in Harrys grüne Augen. In ihnen ist jedoch nichts außer Wärme und Zuneigung zu entdecken, also entspanne ich mich wieder ein wenig. "Hey Tommo", flüstert er schmunzelnd, "hör auf, alles in Grund und Boden zu denken. Und wehe, du wirst jetzt rot", hängt er noch flüsternd an, weshalb ich mir verlegen auf die Lippe beiße und dann wieder in sein Gesicht sehe. "Geht doch", flüstert er zufrieden und löst seine Hände von meinen, wodurch es sich sofort anfühlt, als würde mir ein wichtiger Halt fehlen.

"Ich bin in keiner Beziehung, Louis, keine Angst, sonst hätte ich dich niemals geküsst. Ich stehe nämlich auf Treue in einer Beziehung, musst du wissen." "Ja, ich auch", knirsche ich, wofür ich mir am liebsten sofort eine Bratpfanne über den Kopf ziehen würde. Ich meine, geht es vielleicht noch dümmer? Doch Harry scheint es nicht zu stören, er lacht rau und murmelt etwas wie "Da bin ich aber beruhigt".

Beschämt wende ich den Blick ab und drehe mich wieder ein Stückchen mehr Richtung Fenster. Sogleich verändert sich Harrys Haltung und seine grünen Augen mustern mich sorgfältig. "Was denn?", nuschle ich peinlich berührt, Tränen steigen mir in die Augen. Zum Teufel mit diesen Drecksdingern, ich weiß ja selbst gar nicht mehr, was mit mir los ist.

Um mein Gemüt zu beruhigen, massiere ich mir kurz mit den Zeigefingern die Schläfen und schließe für einen Moment die Augen. Schon besser. Ich merke, wie Harrys Präsenz nun stärker ist, er ist an mich herangerutscht und hat sein Kinn auf meiner Schulter drapiert. "Ich fühle mich dämlich", gebe ich leise lachend zu, allein dieses Eingeständnis ist absolut bescheuert. "Das bist du aber nicht", erwidert Harry ernst. Ich schüttle den Kopf. Er begreift es nicht, keiner tut das.

"Ich halte mich nicht für nicht sonderlich intelligent, ich weiß, dass ich ziemlich schlau bin, Harry", versuche ich gedämpft zu erklären, "aber manchmal trete ich in ziemliche Fettnäpfchen, frage genau die Dinge, die sonst keiner fragen würde und falle immer irgendwie auf. Dabei will ich doch gar nicht auffallen. Ich will einfach nur in Ruhe leben und lernen, mein Leben und die Zeit, die mir bleibt, zu genießen. Weißt du, ich versuche so oft, eine positive Einstellung zu gewinnen, ich arbeite hart an meiner Persönlichkeit, an meinen ganzen Gedankengängen und meinen viel zu emotionalen Reaktionen, aber manchmal macht es mich so müde."

Ich sehe ihn an, sein Blick ruht auf mir, wie auch seine Hand auf meiner. Er macht mir Mut, also spreche ich weiter. "Weißt du, ich bin mir sicher, dass ich vieles schaffen kann und ich bin mir dessen bewusst, dass ich in meinem Leben schon einiges gemeistert habe, an dem andere verzweifelt wären, aber manchmal habe ich einfach so Momente, wo nichts mehr Sinn zu machen scheint. Erst recht nichts von diesem ganzen Kampf, so sehr ich mich auch bemühe. Ich will so gerne glücklich sein. Und ich will so gerne das Schöne dieser Welt sehen, ich will leben", flüstere ich beinahe tonlos, "aber manchmal kann ich mir selbst auch einfach nicht mehr glauben. Oder es ist die Gesellschaft, die meine Hoffnung zunichte macht."

Mein Sitznachbar hat jedem einzelnen meiner Worte aufmerksam gelauscht. Er ist voll konzentriert bei der Sache, er meint es wirklich aufrichtig und zum ersten Mal fühle ich mich selbst ohne Zustimmung verstanden. Jedoch scheint Harry mit sich zu ringen. Ich habe das Gefühl, er möchte etwas sagen, aber da ich vermutlich an seiner Stelle keinen blassen Schimmer davon haben würde, was jetzt angebracht ist, verstehe ich ihn.

Stattdessen nimmt er also wieder meine kleinen Hände in seine, streichelt sie sanft und küsst meine Stirn liebevoll. Und ich lächle. Diese Gesten bedeuten mir mehr als hunderte Worte. Aber er wäre nicht Harry Styles, würde er das wortlos stehen lassen. Also folgt er unserer kleinen Tradition, ein Ohrenstöpsel findet wieder mein Ohr, der andere seines und ein neues Lied erklingt. Play.

You're broken down and tired
Of living life on a merry-go-round
And you can't find the fighter
But I see it in you so we gonna walk it out
And move mountains
We gonna walk it out
And move mountains
And I'll rise up
I'll rise like the day
I'll rise up
I'll rise unafraid
I'll rise up
And I'll do it a thousand times again

Meine Tränen verwandeln sich in Freudentränen, er und der Song berühren mich emotional zutiefst.

All we need, all we need is hope
And for that we have each other

Ich sehe Harry an. Und weiß, dass er diese Worte ernst meint. Ich kann auf ihn zählen. Genauso wie er auch auf mich zählen kann.

Accidental Passengers (larry stylinson)✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt