Ich kann nicht sagen, wie lange wir einfach so dort sitzen. Seine Hand fest in meiner, sein Kopf auf meiner Schulter gebettet, den Blick irgendwo ins Nirgendwo gerichtet. Doch es ist für uns beide in Ordnung. Keiner will in dieser Situation mehr, keiner von uns beiden braucht jetzt irgendwas anderes. Das einzige, was zählt, ist, dass wir hier sitzen, dass wir immer noch hier sind, immer noch leben und etwas haben, woran wir uns festhalten können. Wenn auch vielleicht nur für den Moment. Aber da ist etwas. Da ist jemand. Und wie ich jetzt verstanden habe, jemand, der mein Herz versteht und der an mich glaubt.
Bei der Erinnerung an das Lied, das wir heute auch schon gehört haben, stellen sich meine Nackenhaare auf und meine Lippen verziehen sich zu einem verträumten Lächeln. Es mag unwirklich erscheinen, crazy klingen und ja, wahrscheinlich sind wir ziemlich abgefuckt, aber sowohl Harry und ich wechseln heute wirklich andauernd zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Oder tun es zumindest Track-by-Track. Aber es ist nicht schlimm. Es ist eher ganz angenehm, einfach allem seinen natürlichen Lauf zu lassen. Ich denke, das ist eines der größten Dinge, die ich bisher von Harry lernen konnte. Aber ich will mehr. Mir ist es nie genug, aber bei Harry brauche ich alles. Ich brauche ihn. Und es ist mir egal, wie lange oder eher gesagt kurz ich ihn kenne.
"Haz?" Liebevoll nehme ich seinen Kopf von meiner Schulter, seine Augenlider flattern kurz, dann sieht er mich verschlafen an. Oops. "Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du eingeschlafen bist", nuschle ich verlegen und streiche ihm kurz über die weichen Locken. "Willst du noch etwas weiterschlafen? Ich könnte dich in ein paar Stunden wecken", schlage ich zaghaft und auch etwas wehmütig vor. Wenn er sich jetzt für Schlaf entscheidet, werden sich unsere Wege in einigen Stunden sicherlich trennen. Wenn er allerdings wach bleibt, habe ich eine klitzekleine Chance. Dann besteht die Möglichkeit, dass unsere Geschichte hier und heute noch nicht endet.
"Nein, schon okay", lächelt er mich an, gähnt und streckt sich kurz ausgiebig. Und mir fällt ein Stein vom Herzen. Also grinse ich dümmlich für mich hin und beobachte diesen Engel neben mir, der trotz aller Höhen und Tiefen seines Lebens auf mich den Eindruck macht, ziemlich perfekt zu sein. Perfekt unperfekt. Für solche Menschen hatte ich schon immer eine Schwäche. Aber Harry toppt sie alle. Harry ist keine Schwäche, er ist mein pures Verlangen und mein Fixpunkt.
Ich würde alles für ihn geben, aber das macht ihn nicht zu einer Schwäche. Es macht mich umso stärker. Das Vertrauen in ihn und sein Vertrauen geben mir unmenschliche Kraft. Woran ich das merke? Ich lächle. Ist das alles? Nein. Ich bin zufrieden. Zum ersten Mal in meinem Leben, würde ich nichts an diesem ändern wollen. Wenn es mich erneut jeden Schmerz, all die Trauer kosten würde, nur um an dem heutigen Tag meines Lebens auf ihn zu treffen, dann würde ich dies in Kauf nehmen. Immer wieder. Für ihn.
Harry grinst schief, als er mein freudigen Gesichtsausdruck bemerkt. "Wo ist dein Handy?", fragt er mit funkelnden Augen und spitzbübischem Grinsen nach, sodass ich natürlich nicht widerstehen kann und es ihm sofort aushändige. Ist mein Verhalten naiv? Sicherlich. Kümmert es mich? Nein. Harry ist anders. Und wer auch immer jetzt der Meinung ist, Harry wird mich wie jeder andere Mensch auch verletzen, verlassen oder enttäuschen, der soll bitte für einige Stunden schweigen. Ich weiß nämlich selbst gut genug, dass das hier ein Spiel mit dem Feuer für mich ist. Ich lasse Harry im Moment sämtliche Mauern durchbrechen und sollte diese Busfahrt wirklich das einzige sein, was uns bleibt, werde ich schutzlos ausgeliefert sein. Die Welt ist böse. Und trotzdem glaube ich noch an das Gute in ihr. Fest überzeugt davon, dass Harry zu den Guten gehören muss.
"Ist es schon wieder Zeit für ein neues Lied?", necke ich ihn und schiebe die negativen Gedanken beiseite. Schelmisch sieht er mich an und nickt. "Du hast es erfasst, Boo", sagt das und schon steckt wieder ein Kopfhörer in meinem rechten Ohr. "Welches ist es dieses Mal?", frage ich neugierig nach und lehne mich etwas in Harrys Richtung. Doch der macht mir einen Strich durch die Richtung, indem er das iPhone einfach nach oben hält, sodass ich nicht mal im Traum daran rankommen kann. Also schmolle ich und sehe ihn beleidigt an. "Ach Lou", gibt Harry lachend von sich, seine Grübchen stechen dabei unheimlich süß heraus, sodass ich einfach mit lachen muss.
Anstatt dass er jedoch von mir ablässt, zieht er mich nur näher an sich und legt seinen muskulösen Arm um mich, seine Lippen legen sich ganz sanft für einen kurzen Moment auf meine Stirn und ich schließe die Augen. Er ist definitiv einer von den Guten.
Play.
Als die ersten, wunderschönen Klänge eines Klaviers erklingen, weiß ich sofort, welches Lied es ist. Vor nicht allzu langer Zeit war ich noch auf ihrer A Head Full Of Dreams Tour. Es ist Chris Martins wunderschöne Stimme, die mich nach einigen Sekunden in Empfang nimmt und sofort abtauchen lässt in die endlosen Weiten dieses perfekten Liedes. Es gibt nichts, was an dem Song nicht stimmt. Und am besten genießt man ihn, wenn man die Augen schließt. Also tue ich das. Aber nicht bevor ich mich noch einmal enger an Harry geschmiegt habe, dessen gleichmäßiger Herzschlag noch mehr das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit versprüht.
Oh they say people come, say people go
This particular diamond was extra special
And though you might be gone & the world may not know
Still i see you, celestialIch muss die Augen wieder öffnen, Tränen quillen aus ihnen heraus und leise Schluchzer verlassen meinen Mund. Es sind die Erinnerungen. Alle, die wir jemals sammeln werden, ob gut oder schlecht, schmerzlich oder schön, sie werden immer fast noch mehr Macht besitzen als der Moment selbst. Denn entweder ist da Sehnsucht oder einfach nur Schmerz. Und keines ist sonderlich angenehm. Vor allem dann nicht, wenn beides zutrifft. So wie jetzt.
Als ich dieses Lied zum ersten Mal gehört habe und auch, als ich auf dem Konzert gewesen bin, wollte ich mein Leben wegschmeißen. Um es direkt auszudrücken, ich habe mit dem Gedanken gespielt, mein Leben zu beenden. Endgültig. Wenn der Sinn fehlt, wenn die Motivation immer wieder von anderen mit Füßen getreten wird und jeder Kampf mit einem K.O. endet, dann wird man irgendwann müde. Und dann gibt man auf oder stellt sich erneut in den Ring. Nach meinem Coldplay Konzert habe ich mich für Letzteres entschieden. Und jetzt, so wie sich es im Moment anfühlt, könnte es der erste Knockout sein, den ich verteile. Mit Harry an meiner Seite könnte vielleicht alles anders werden. Zumindest würde ich mir das von Herzen wünschen.
Harry sagt nichts auf meine Tränen, er hebt lediglich seine Hand und streicht mit seinem Daumen liebevoll über meine nassen Wangen, sein Blick ist sowohl voller Zuneigung, als auch leichter Besorgnis, deshalb lehne ich mich seiner Berührung entgegen und schließe lächelnd meine Augen, damit er weiß, dass es mir gut geht. Denn das tut es. Es geht mir gut, seitdem Harry bei mir ist.
I know that you're with me and the way you will show
& you're with me wherever I go
& you give me this feeling, this everglowMeine Augen leuchten geradezu, als sie Harrys wiederfinden. Wir sitzen jetzt ganz nah beieinander, eng umschlungen und ich fühle seinen Herzschlag klar und deutlich. Allerdings ist er jetzt nicht mehr so ruhig wie vorhin, er hat sich ziemlich beschleunigt. Ein leichtes Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen. Er gibt es mir. Er ist dieses Leuchten, von dem Chris Martin singt und das mir bisher gefehlt hat. Und eigentlich habe ich das von dem Augenblick gewusst, in dem unsere Blicke sich zum ersten Mal getroffen haben. Denn da hat er bereits dieses Strahlen in den Augen gehabt. Jetzt funkeln auch meine Augen. Vielleicht zum allerersten Mal.
Harry stoppt das Lied, sieht mich jedoch noch immer an.
Mein Herz klopft wild und meine Hände sind schweißnass, ich hab keine Ahnung, was nun kommt. Doch er, nimmt ganz sanft meine Hand in seine große, sieht mir fest in die Augen und haucht. "What I wouldn't give for just a moment to hold, yeah, I live for this feeling, this everglow." Er singt ganz leise, aber die Intensität seiner Stimme ist unglaublich. Sie haut mich vollkommen um. Doch ich möchte etwas erwidern. Harry sollte immer etwas zurückbekommen für das, was er gibt.
Ich lege meine Hand an seine Wange, sehe ihm tief in die Augen und singe ebenfalls ganz leise die letzten Worte des Liedes. "So if you love someone, you should let them know. Oh, the light that you left me will everglow."
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Accidental Passengers (larry stylinson)✔
أدب الهواة"Was soll das werden, Harry?" "Das, mein Lieber, wird der Soundtrack unserer Begegnung." Dedicated to @ZiamSyndrom. Cover by @gunsandstyles- ©supergeilniall, 2017