Make You Feel My Love - Adele

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Nach wenigen Minuten kommt Harry zurück von der Toilette. Er lässt sich neben mir nieder und ich empfange ihn mit einem warmen Lächeln und will gut gelaunt nach seiner Hand greifen, als er seine jedoch zurückzieht. Sofort sinken meine Mundwinkel und ein stechender Schmerz trifft mich mitten ins Herz. Doch als sich Harry nach vorne beugt, auf den Knien abstützt und sein Gesicht in den Händen vergräbt, schiebe ich meine Schuldgefühle alarmiert beiseite.

"Was ist los, Harry?", will ich von ihm wissen und lege ganz langsam und vorsichtig meine Hand auf seinen Rücken, ich würde nur ungern ein zweites Mal erfahren, dass er sich meiner Berührung sträubt. Doch er lässt es mit sich geschehen, also beginne ich sanft seinen Rücken zu streicheln. "Was ist passiert, als du auf dem Klo warst? Hast du eine schlechte Nachricht bekommen oder so?", horche ich ihn weiter aus.

Er schüttelt den Kopf, nickt dann und zuckt schließlich seufzend mit den Schultern, sodass seine Locken wild um seinen Kopf herum wippen. "Was ist denn das für eine Antwort?", ziehe ich ihn schmunzelnd mit seiner Reaktion auf, allerdings nicht erfolgreich, denn anstatt dass sich die Stimmung nun lockert, verspannt sich Harry noch mehr und ballt seine Hände zu Fäusten.

"Hey", murmle ich leise und umschließe jetzt seine Faust mit seiner Hand, mich erschreckt diese geballte Kraft, die sich immer wieder in ihm breit macht und ihn zu kontrollieren versucht.

"Was?", gibt er bissig zurück und nimmt seine Hände ein Stück von seinem Gesicht, sodass ich ihn verstehe. Erschrocken weiche ich zurück, sein Tonfall macht mir Angst und die Wut in seinen Augen schüchtert mich ein. Allerdings will ich ihn mit - was auch immer ihn gerade plagt - nicht alleine lassen und rutsche wieder an ihn heran, überwinde meine Angst. Mir ist bereits viel Gewalt widerfahren, ich will nicht auch noch bei Harry diese Erfahrung machen.

"Es ist okay, Haz", erwidere ich leise, "was auch immer gerade mit dir ist, rede mit mir und wir finden eine Lösung." "Eine Lösung?" Er lacht hysterisch. "Was denn für eine Lösung? Dafür gibt es keine Lösung." "Aber was ist es denn?", will ich schüchtern von ihm wissen, meine Stimme zittert und ich schäme mich dafür. Ich will mich nicht vor ihm fürchten, ich weiß, dass ich es nicht muss, eben weil es Harry ist.

Er scheint sich nun endlich wieder ein kleines bisschen zu beruhigen, zumindest sieht er mich mit ruhigem und klarem Blick an, ich atme noch immer ziemlich heftig vor der aufgestauten Nervosität in mir. "Hast du Angst?", ertönt seine Gegenfrage. Ich seufze. Dann schüttle ich den Kopf. Die ganze Zeit über sehe ich ihm dabei in die Augen, ich will, dass er mir glaubt. "Nein", sage ich mit fester Stimme zur Bestätigung meiner Geste. Nun scheint er mir endlich zu glauben.

Gestresst lässt er sich gegen seinen Sitz fallen, massiert mit den Fingern seine Schläfen. Seine Augen dabei sind geschlossen und ich schwöre mir, nie zuvor ein schöneres Profil von einem Menschen gesehen zu haben. "Wir kommen in einer halben Stunde an, Louis", sagt er schließlich, "das ist es, was mich so fertig macht. In dreißig Minuten müssen wir uns voneinander verabschieden."

Ein Moment braucht es, bis ich verstehe. Einen weiteren, bis die ersten Tränen rollen. Und noch einen, um mich an ihn zu schmiegen und zu hauchen: "Es muss kein Abschied werden, wenn du nicht willst, Harry."

Harry weint ebenfalls. Ich merke es daran, wie seine Brust und Arme zittern, die er um mich geschlungen hat, ich sitze fast auf seinem Schoß. "Was, wenn doch?", flüstert er zittrig in mein Haar, als er es immer wieder küsst und seine Hand darauf platziert, die mir fürsorglich und liebevoll darüber streicht. "Wenn du es dir ganz fest wünschst, wenn du dasselbe fühlst wie ich und wenn dir diese Playlist zeigt, wie einzigartig und besonders das zwischen uns ist, wird es kein Abschied", antworte ich ihm leise. "Zumindest nicht für immer", füge ich hinzu und die nächsten Tränen laufen.

Ich habe keine Ahnung, wie es mit uns weitergeht, ich weiß nicht mal, was Harry in Las Vegas vorhat. Vielleicht also werden wir es schaffen und gemeinsam glücklich. Vielleicht aber auch nicht. Doch daran will ich nicht denken. Irgendwas muss in meinem Leben doch schön und positiv enden oder nicht? Denn eigentlich stehen wir doch noch ganz am Anfang unserer Geschichte. Ein Autor schmeißt seine Buchideen auch nicht sofort über den Haufen, nur weil im ersten Kapitel Komplikationen auftreten. Dort stehen Harry und ich nämlich. Wir sind gerade einmal am Anfang. Diese Story darf hier einfach noch  nicht enden, selbst wenn sie keine Lovestory wird, mir egal.

Plötzlich hebt Harry meinen Kopf, sodass er mir nun direkt in die Augen sehen kann, sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. "Wenn ich das schaffe, was ich eigentlich in Las Vegas vorhatte, dann werde ich zu dir zurückkommen. Versprochen", murmelt er, umfasst mein Gesicht und küsst meine Stirn. Weitere Tränen tropfen auf meine Hose, ein paar kullern erst über meine Wange.

"Was hast du denn in Las Vegas vor?", will ich von ihm wissen. "Ich möchte meinen Opa ein letztes Mal sehen, bevor er stirbt", erwidert er gedämpft, seine Augen sind stark gerötet, doch er gibt sich große Mühe, jetzt nicht zu weinen. Ich ziehe ihn an meine Brust und jetzt bin ich es, der einen unschuldigen Kuss auf seinem Schopf platziert. "Du bist ein Engel. Mein Engel", hauche ich und wir wiederholen die Prozedur, die wir heute schon so oft hinter uns gebracht haben.

Play.

When the rain is blowing in your face
And the whole world is on your case
I could offer you a warm embrace
To make you feel my love.
When the evening shadows and the stars appear
And there is no one there to dry your tears
I could hold you for a million years
To make you feel my love.

Stop.

Harry stoppt den Song und rappelt sich auf, sieht mir fest in die Augen und legt eine Hand auf meine Wange. Ein wohliges Gefühl durchflutet meinen gesamten Körper, lächelnd schließe ich meine Augen. Play.

I know you haven't made your mind up yet
But I would never do you wrong.
I've known it from the moment that we met
No doubt in my mind where you belong.

Federleicht streifen seine Lippen meine. Mein Lächeln bleibt.

Accidental Passengers (larry stylinson)✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt