Accidental Passengers (larry stylinson)✔

Home - One Direction

Er lässt das nächste Lied ungehindert weiterlaufen, ich kenne es. Home von einer Band namens One Direction. Wahnsinns-Kerle mit Wahnsinns-Stimmen. Und wunderschönen Texten. Ich schließe meine vor Müdigkeit schweren Augen und lausche dem Text, der Melodie und sogar ganz leise im Hintergrund dem immerwährenden Herabprasseln des Regens. Ich spüre, wie sich Harrys Schulter gleichmäßig sanft hebt und senkt, konzentriere mich somit auch auf seine Atmung und frage mich immer mehr, was diese ominöse Bekanntschaft zu ihm wohl bedeutet.

Hätte man mir heute Abend noch gesagt, ich werde in diesem Bus auf jemand ganz Besonderen treffen, hätte ich ungläubig den Kopf geschüttelt und die Person für verrückt erklärt. Und jetzt, jetzt sitze ich hier neben einem mehr oder weniger Fremden, vielleicht sogar Bekannten und kuschle mit ihm, als wäre er mein bester Freund oder sogar mein Partner. Crazy. Alles in meinem Leben muss einfach verrückt sein. Das ist es bisher immer schon gewesen. Wieso sollte sich das dann auch ändern, wenn ich einen Neuanfang wagen will?

I was stumbling
Looking in the dark, with an empty heart
But you say, you feel the same
Could we ever be enough?
Baby, we could be enough.

Ich brauche Infos. Dringend. Meine Gedanken werden zu viel, ich kann sie nicht mehr kontrollieren, also muss ich sie jetzt durchbrechen. Widerwillig löse ich mich von ihm, hebe meinen Kopf von seiner Schulter, stoppe die Musik und sehe ihn durchdringend an. Da nun das Lied nicht mehr weiterläuft und ich mich aufgesetzt habe, schlägt er seine Augen auf und sieht mich fragend an. Unsicher beiße ich mir auf die Lippe. Ist es vielleicht doch keine gute Idee gewesen, jetzt die Stimmung, diesen Moment zu zerstören? Ich bin es doch, der sich immer über viel zu viel Komplikationen beschwert und jetzt erschaffe ich mir selbst welche. Tolle Logik, Tommo, wirklich. 

Harry nimmt den Kopfhörer aus seinem Ohr. Seine Augen mustern mich kurz, dann entspannen sich seine Gesichtszüge wieder. "Was willst du wissen, Louis?", fragt er mit seinem typischen zurückhaltenden aber unwiderstehlichen Lächeln. Kann der Typ eigentlich noch perfekter werden? Jetzt kennt er schon meine Gedanken, bevor ich mal in dieses Chaos irgendeine Ordnung gebracht habe. Ich seufze und mustere den hässlichen Bezug der Sitze. Wo soll ich jetzt bloß anfangen? Ich habe so viele Fragen an ihn. Wir haben die ganze Zeit ausschließlich über mich geredet, ich habe ihm so viel erzählt, da ich es einfach nicht gewohnt bin, dass jemand mal auch bei mir nachfragt. Und das hat Harry schließlich getan. Einfach mal nachgefragt.

"Das hört sich jetzt vielleicht total idiotisch an und ehrlich gesagt kann ich diese ganze Situation hier nicht verstehen, aber irgendwie habe ich dir schon so viel aus meinem Leben erzählt, aber von dir weiß ich nicht mal dein Alter." Ich beiße auf meiner Unterlippe herum und bohre nervös meine Fingerkuppen in meine Handinnenfläche. Schüchtern begegne ich seinem Blick, der mich mal wieder vollkommen für sich einnimmt. Wie macht er das bloß? Wie kann es sein, dass du einen Menschen ansiehst und weißt, dass du dich in seiner Anwesenheit nicht fürchten musst, dass einfach irgendwie alles in Ordnung scheint, solange diese Person bei dir ist?

Harry reagiert gelassen und freundlich. Wie eigentlich immer. Okay wie in der bisherigen, kurzen Zeit, in der ich ihn jetzt kennengelernt habe. "Was möchtest du denn gerne wissen?" "Die Frage ist, ob du wirklich all die Fragen hören möchtest, die mir gerade durch den Kopf schießen", erwidere ich mit einem schwachen Lachen, das sich jedoch so kläglich anhört, dass ich gleich wieder verstumme. "Ist es sehr komisch, wenn ich dir sage, dass ich gerne jede einzelne Frage von dir kennen und am liebsten noch beantworten würde?" Überrascht sehe ich ihn an. "Wie bitte?", hake ich leise nach, sein Blick ist unergründlich und so dermaßen tief, dass ich mir sicher bin, lass ich mich von ihm verzaubern, werde ich fallen. Ich werde seinem ganzen Wesen hemmungslos verfallen. Oder ertrinken. Eine schmale Gradwanderung für einen Fast-Fremden, der er schließlich für mich ist.