Never Be Alone - Shawn Mendes

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Mit jeder Minute, die vergeht, wird Harrys Hand schwitziger und meine Bewegungen immer nervöser. Regelmäßig wandern unsere Blicke zu meinem Handydisplay oder Harrys Armbanduhr - wir haben noch etwa zehn Minuten. "Harry", flüstere ich leise. Keine Reaktion. Sanft stubse ich ihn an und er zuckt schreckhaft zusammen, klammert sich panisch in meine Hand, seinen Mund verlässt ein elendes "Nein".

"Hey", beruhigend streichle ich ihm über den Kopf, mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen bei seinem bloßen Anblick und seine abnormale Angst versetzt dem Ganzen grausame Stiche. Ich hätte nie ahnen können, dass ich jemanden wie Harry heute hier antreffen würde, er hat alles aus der Bahn geworfen. Ja, Harry hat mich vollkommen durcheinandergebracht, alle meine Pläne über einen Haufen geschmissen, aber er hat es in der wundervollsten Art der Welt getan, er hat seine eigene Ordnung in mir hergestellt, ich war mir nämlich nie klarer über irgendwelche Gefühle.

"Ich will nicht gehen, Louis", wimmert Harry leise, während er sich erneut in seinen Sitz und gleichermaßen meine Arme kauert. "Du gehst nicht, Harry", flüstere ich ihm leise entgegen, "du bist doch gerade erst in mein Leben gekommen. Da lasse ich dich jetzt bestimmt nicht einfach so gehen." Ich versuche mich an einem motivierenden Lächeln, doch Harrys glasige Augen und sein zerbrechliches Aussehen lösen mein Vorhaben sofort in Luft auf. Fuck.

"Aber was ist, wenn wir das irgendwie schaffen sollten und dann deine Familie sich meldet? Was, wenn ich dir zu anstrengend bin oder unsere Lebensstile nicht zusammenpassen? Was, wenn ich dich nerve, weil ich nicht kochen kann und überaus abhängig von Kaffee bin, aber Alkohol verabscheue. Was ist dann, Lou?", fragt er schwach, sein gesamter Körper zittert, weshalb ich ihn fast noch stärker streichle als zuvor, einfach damit ihm warm wird.

"Das wird nicht passieren", entgegne ich mit einem Lächeln. Dieses Mal ist es echt und ich glaube auch fest an meine Worte. "Kein Mensch der Welt ist immer zu 100 Prozent einfach zu handhaben, kein Mensch der Welt hat absolut keine Down-Phase in seinem Leben und wirklich niemand ist perfekt. Vielleicht hast du Recht und wir sind wahnsinnig verschieden und vollkommen idiotisch, weil wir es trotzdem versuchen wollen, aber das ist doch auch irgendwie das Schöne daran oder nicht?"

Meine Finger haben nun seine Wange gefunden und liebevoll lasse ich meine Fingerkuppen über sie gleiten. Ich kann mein Glück kaum fassen. Niemals zuvor habe ich einen Menschen kennengelernt, der schon äußerlich so eine intensiven, ausdrucksstarken Eindruck hinterlässt wie er. Durch seine einfach Präsenz oder sein Aussehen - ganz egal - er ist unfassbar. Und ihn dann näher kennenzulernen, an seinen Gedanken teilhaben zu dürfen und sein Wesen richtig zu erleben - ich denke, das ist der Moment, in dem man bereit ist, mit ihm zu fallen. Für ihn zu fallen. Und natürlich auch jederzeit wieder aufzustehen. Tiefen und Höhen, beides gehört zum Leben. Solange ich Harry an meiner Seite weiß, bin ich bereit, sie gleichermaßen zu durchleben.

Zögerlich nickt Harry, ich weiß, dass er immer noch nicht komplett überzeugt ist. Ein kurzer Blick auf die Uhr. Noch fünf Minuten. Ich nehme mir mein Handy, füge der Playlist ein weiteres Lied hinzu. Harry braucht gar keine Aufforderung mehr, er nimmt selbstverständlich einen Kopfhörer und steckt ihn sich ins Ohr. Ebenso wie ich. Play.

I promise that one day I'll be around
I'll keep you safe
I'll keep you Sound

Harrys Mund entweicht ein leises, gedämpftes Schluchzen. Als ich zu ihm sehe, hält er sich seinen Arm vor den Mund, Tränen fließen unaufhörlich auf den Stoff seines Hoodies. "Haz", murmle ich leise. Er sieht mich an. Seine Augen sind gerötet und mit Tränen gefüllt, sogar seine Nasenflügel zittern unkontrolliert. Ich komme ihm immer näher, seine Stirn lehnt er irgendwann gegen meine. "Du bist mein Engel", flüstert er zittrig, legt eine Hand auf meine Wange und weiterhin tropfen einige Tränen auf seine schwarze Jeans.

Right now it's pretty crazy
And I don't know how to stop
Or slow it down

Keine Ahnung, ob man das, was zwischen uns in diesen Stunden jetzt entstanden ist, überhaupt irgendwie aufhalten kann, aber es interessiert mich auch nicht, ich will nicht, dass es aufhört oder anders läuft. Ich will es genau so. Ich will ihn. Mit allen Makeln und Problemen, mit all seinen Träumen  und Gedanken. Das alles macht ihn aus und das alles macht ihn perfekt. Mehr als das. Und dann auch wieder nicht, weil er für das Wort perfekt einfach zu anders, zu besonders ist und weil er mehr als das verdient. Mehr Stil. Einfach mehr. Das ist Harry.

Hey

Er sieht mir fest in die Augen. Sie leuchten.

I know there are some things we need to talk about
And I can't stay
Just let me hold you for a little longer now

Nun treten auch mir die Tränen in die Augen, einige kullern einfach über meine Wange, ohne dass ich es verhindern kann. Doch sofort sind Harrys Daumen zur Stelle und streichen sie weg. Ist das wirklich möglich? Kann das wirklich sein, dass man eine Person aus reinem Zufall kennenlernt und sie binnen kürzester Zeit dein Ein und Alles wird? Ist so etwas völliger Humbug oder gibt es so etwas wie Seelenverwandte wirklich? Trügt der Schein, sind die letzten Stunden wirklich das, was auch die Realität ist?

Take a piece of my heart
And make it all your own
So when we are apart
You'll never be alone

Harry nimmt seine Hand und führt sie an seine Brust, platziert sie auf seinem Herzen. Seine bleibt dabei stets auf meiner liegen und ich fühle seinen Herzschlag. Er ist stark, ein wenig unruhig und ich höre, dass er mit sich kämpft, mit der Situation kämpft, aber sein Herz schlägt. Und es fühlt sich so vertraut an, dass ich, als ich die Augen schließe, denke, dass es mein eigenes ist. Ja, vielleicht gehört es schon mir. Und vielleicht ist meins auch nicht mehr nur meines. Vielleicht brauchen wir das Herz des jeweils anderen, um weiter schlagen zu können. So fühlt es sich jedenfalls an.

You'll never be alone
When you miss me close your eyes
I may be far but never gone
When you fall asleep tonight
Just remember that we lay under the same stars

Ich lächle sanft. Als ich meine Augen wieder aufschlage, blicke ich direkt in ein tiefes Grün, das mehr zu erzählen scheint, als es Worte überhaupt gibt und verliere mich vollkommen darin.

"Endstation: Las Vegas. Die Busfahrt endet hier."

Doch wir lassen uns davon nicht beirren. Der Moment gehört ganz uns. Wie schon so oft heute. Weder Harry noch ich wollen uns vom anderen lösen. Also scheint es keine andere Möglichkeit zu geben. Harry und ich werden einen gemeinsamen Weg für unsere Zukunft finden müssen.

You'll never be alone.

Stop.

Accidental Passengers (larry stylinson)✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt