Challenge Nr. 3

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Wie so oft sitze ich auf meiner Fensterbank und starre nach draußen. Das Baumhaus direkt vor Augen. Nach wie vor habe ich es nicht mehr besichtigt. Inzwischen ist es Mai, wärmer als im diesjährigen völlig durchwachsenen April und zum ersten Mal dieses Jahr steht mein Fenster offen. Ich atme die frische, wenn auch nach wie vor kühle Luft ein und fühle wie sie meine Lungen durchströmt. Der Frühling hat nun vollkommen Einzug gehalten. Sogleich fühle ich mich besser. Etwas beschwingt geradezu und vielleicht ist das mit einer der Gründe warum es mir dieses Mal absolut leicht fällt Bettys Challenge zu bewältigen, möglicherweise auch, weil diese Aufgabe so anders ist als all jene zuvor und weil sie meine Kreativität herausfordert.

Ich liebe es, ich liebe es genau jener Kreativität freien Lauf zu lassen, mich in fremde Welten, meinen Fantasien zu verlieren, nicht umsonst bin ich eine kleine Tagträumerin und das weiß Betty, das weiß sie nur zu gut und das ist mit einer der Gründe warum ich sie so gern habe, warum ich ihren Anweisungen folge leiste ohne darüber nachzudenken, weil ich einfach weiß, dass sie es richtig machen wird, weil ich ihr vollkommen vertraue, weil sie eine wundervolle Person ist und mich besser kennt als ich mich selbst.

Zur Abwechslung schreibe ich heute nicht einmal auf meine Mathe Hausaufgaben oder sonst ein zerrissenes Papier, sondern auf einen frischen weißen Bogen – Briefpapier. Gefunden im Schreibtisch meiner Mutter.

Briefe schreiben tut sie sowieso nicht und somit wird sie mir auch nicht böse sein, warum auch, wer schreibt denn heutzutage überhaupt noch Briefe. Außer Betty und ich natürlich, weil wir es lieben von Hand zu schreiben, weil es so viel persönliches hat und weil wir ja gleichzeitig auch noch auf WattsApp schreiben und uns aus guten Grund niemand vorwerfen kann hinter dem Mond zu leben, denn das tun wir sicher nicht. Nur die alten Traditionen wahren, wie Betty so schön sagt und sie schätzen lernen.

Meine Oma als Empfängerin. Darüber muss ich nicht lange nachdenken, nicht nur, weil sie es absolut verdient hat, sondern weil sie seit Bettys Tod meine einzige Freundin ist und weil ich sie liebe – trotz ihren Künsten Auto zu fahren.


***

Liebe Oma,

ich schreibe dir heute einen Brief, der Grund hierfür liegt bei Betty und das selbst nach ihrem Tod. Du hast sie nicht ohne Grund beinahe genauso sehr geliebt wie ich, dennoch möchte ich hier nicht weiter auf meine beste Freundin eingehen, sondern vielmehr auf uns – auf dich und mich, denn Betty braucht uns längst nicht mehr, sie ist glücklich und hat ihren Platz im Reich Gottes endlich eingenommen.

Oma, ich schreibe, weil ich nicht sprechen kann.

Ich schweige, weil ich unfähig bin zu reden.

Ich weine, weil ich trauere.

Ich trauere, weil ich Angst habe.

Ich habe Angst, weil keine Worte meinen Mund verlassen.

Ich bin viel zu peotisch, wenn man bedenkt, dass dies hier lediglich ein Brief ist.

Ich möchte dir dennoch irgendwie verdeutlichen warum ich schreibe und nicht spreche, einfach weil ich es nicht kann Oma. Es geht nicht, wie damals, als sich Mama und Papa getrennt haben. Warum? Das weiß ich tatsächlich nicht.

Und deshalb schreibe ich jetzt. Ich schreibe dir, weil ich dir sagen will wie lieb ich dich habe, wie unglaublich lieb ich dich habe und seit Bettys Tod weiß ich deine unglaubliche Fürsorge immer mehr zu schätzen.

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