Das Gespräch mit Liam lief wie erwartet schrecklich.
Ich hatte all seine Fragen nur knapp beantwortet, und schon nach kurzer Zeit konnte ich ihm ansehen, dass er enttäuscht war. Aber was hatte er erwartet? Dass ich ihm beim ersten Gespräch eine riesige Leidensgeschichte auftischte, mit der er schnell arbeiten konnte?
Vielleicht nicht erwartet, aber erhofft. Dann wäre er dich schnell wieder los.
Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir in seinem Büro gesessen hatten, aber irgendwann klopfte es an der Tür.
"Hi Liam, ich bin hier, um Louis abzuholen", lächelte Niall in seinem typischen Pflegeroutfit.
Liam erwiderte das Lächeln. "Natürlich Niall. Komm doch rein, wir sind sofort fertig."
Nach einem kurzen Nicken lehnte sich Niall gegen die Wand neben der Tür, und Liam wandte sich wieder mir zu.
"Also Louis, das war's für heute. Wir sehen uns morgen wieder zur gleichen Zeit am gleichen Ort; aber morgen gehen wir das ganze etwas langsamer an. Wir wollen ja nicht, dass du nochmal allein auf meinem Sofa landest", lachte Liam. Ich gab nur ein sachtes Lächeln zurück; ich wollte hier einfach nur raus.
Als Niall und ich gerade das Büro verlassen wollten, rief Liam uns noch einmal hinterher. "Niall, hättest du eine Sekunde Zeit?"
Er nickte mir zu und bedeutete mir, schon mal aus dem Büro zurück in den Therapieraum zu gehen, der zwischen Liams Büro und dem Flur lag.
Die Tür schloss hinter mir und ich war allein.
Allein. Wie immer.
Nein. Nein, nicht jetzt. Verzweifelt suchte ich nach einer Ablenkung, doch der Therapieraum war so gut wie leer. Nur der Stuhlkreis und eine Tafel hinter dem Stuhl, auf dem Liam vorhin gesessen hatte, waren im Raum zu finden. An den Wänden, die zugegebenermaßen einen relativ beruhigenden hellbraunen Ton hatten, hingen hier und dort ein paar schlichte "Es wird besser"-Poster. Ich schnaubte. Natürlich.
Ich lehnte mich gegen die Wand neben der Tür und ließ mich langsam an ihr herunterrutschen, bis ich auf dem Boden saß.
"-nicht immer ganz ungefährlich. Es könnte zu viel für ihn werden", hörte ich Liams gedämpfte Stimme durch die Tür. Ich wollte nicht lauschen. Das gehört sich nicht. Aber... es ist ja nicht so, dass ich mit dem Ohr an der Tür klebte, richtig?
Niall sprach nach kurzer Pause, allerdings konnte ich seine Worte nicht verstehen. Dann hörte ich wieder Liams Stimme.
"Es ist schon häufiger vorgekommen. Das heißt aber nicht, dass es immer so sein muss, oder dass ein direkter Zusammenhang besteht. Wir müssen herausfinden, mit wem wir ihn in einem Zimmer leben lassen können, ohne, dass beide zu sehr belastet werden. Und bei Louis habe ich da ein relativ gutes Gefühl. Aber ich will mir einfach sicher sein; hab also bitte ein Auge auf ihn, okay?"
Ich hörte keine Antwort von Niall, aber es kamen Schritte auf die Tür zu. Ich hatte mich unbewusst weiter zur Tür geneigt, also setzte ich mich schnell auf und benahm mich wie gewöhnlich, als Niall durch die Tür trat.
Für eine Sekunde sah er verwirrt durch den Raum, bis er mich neben sich auf dem Boden entdeckte und mir ein breites Lächeln zuwarf. "Auf geht's, lass uns gehen!"
Ich erwiderte sein Lächeln und stand langsam auf. Niall ging mir voraus aus dem Raum, bevor wir nebeneinander durch die Gänge liefen. Er war noch immer ungewöhnlich still. Ob es wohl daran lag, was Liam vorhin zu ihm gesagt hatte? Gerade, als ich ihn fragen wollte, öffnete er den Mund.
"Sag mal, wie kommst du so mit Harry klar? Also, mit seinen ganzen Persönlichkeiten, und so. Du weißt schon."
Die gleiche Frage, die mir auch Liam schon gestellt hatte. Was hatten sie denn alle mit Harry und mir?

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Mental
FanfictionAls der manisch depressive Louis nach einem gescheiterten Suizidversuch in eine Klinik für psychische Störungen eingewiesen wird, lernt er dort seinen neuen Zimmergenossen Harry kennen, der an einer Multiplen Persönlichkeitsstörung leidet. Nach und...